Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung Hinter dem Bauzaun – Schätze des Vorderasiatischen Museums neu entdeckt
- Prof. Dr. Wiebke Meinhold, Institut für die Kulturen des Alten Orients, Eberhard Karls Universität Tübingen
- Prof. Dr. Elisa Roßberger, Institut für Vorderasiatische Archäologie, FB Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin
Wie machte man wichtige Vermögensangelegenheiten vor 4000 Jahren rechtssicher, gerade wenn es „ums Ganze“ ging, wie bei Käufen, Eheschließungen oder Erbteilungen? In Babylonien beschrieb man dazu eine Tontafel mit präzisen Angaben zu allen Beteiligten und Vermögenswerten, steckte sie in eine Tonhülle, ließ diese von vielen Zeugen siegeln und verwahrte sie oft über Generationen hinweg im eigenen Haus. Tausende solcher Urkunden mit einer Vielzahl von Siegelbildern sind aus den Städten des südlichen Iraks für das frühe 2. Jt. v. Chr. überliefert, einige davon befinden sich heute im Vorderasiatischen Museum in Berlin. Sie ermöglichen uns detaillierte Einblicke in die antiken Rechtsvorstellungen, in babylonische Patchwork-Familien, Regeln des sozialen Miteinanders (und Möglichkeiten diese zu umgehen), und in die Bedeutung von göttlichen Akteuren und rituellen Handlungen, die für die Dauerhaftigkeit zwischenmenschlicher Vereinbarungen wesentlich waren.
Das Vorderasiatische Museum ist seit dem 23. Oktober des vergangenen Jahres geschlossen. Ein Wiedersehen mit Ischtar-Tor und Co. wird es voraussichtlich nicht vor 2037 geben. Das heißt zum Beispiel: Die Kinder, die im letzten Herbst eingeschult wurden, werden dann ihre Schulzeit bereits hinter sich haben.
Ein geschlossenes Museum bedeutet aber nicht, dass seine Schätze verschwinden. Die Forschung geht weiter. Ein großes Forschungsnetzwerk in Berlin beschäftigt sich mit den Zeugnissen aus dem antiken Vorderasien. Zu diesem Netzwerk gehören u. a. die Freie Universität Berlin, das Deutsche Archäologische Institut und natürlich das Vorderasiatische Museum selbst. Hinzu kommen zahlreiche nationale und internationale Kooperationen.
Die Ringvorlesung macht ausgewählte, nun hinter den Baugerüsten verschwundene Museumsschätze sichtbar. Dazu gehören berühmte Highlights wie das Ischtar-Tor aus Babylon, aber auch auf den ersten Blick unscheinbare Objekte wie eine zerbrochene Tontafel, Elfenbeinfragmente oder ein Lehmziegel. Jede Woche präsentieren jeweils zwei Vortragende ein Objekt oder eine Objektgruppe aus der Sammlung des Museums aus unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln.
Auf diese Weise zum Sprechen gebracht eröffnen die Sammlungsobjekte Einblicke in die Breite und Buntheit vergangener Lebenswelten: Sie erzählen von den ersten Metropolen, von religiösen Praktiken im Großen wie im Kleinen, vom Alltagsleben und von Herrscherideologien, von uralten Mythen und astronomischen Berechnungen, von Schönheit und Verfall. Zugleich vermittelt die Vorlesung das Spektrum der Erforschung der antiken Hinterlassenschaften. Zum Einsatz kommen Archäologie und naturwissenschaftliche Analytik, restauratorische Arbeit, historische und stilistische Einordung, Forschung zu Sprachen und Schriften, bis hin zu digitalen Methoden und KI-gestützten Verfahren.
Zeit & Ort
04.06.2024 | 18:15 - 19:45
Hörsaal 1b,
Gebäudekomplex Habelschwerdter Allee 45,
14195 Berlin