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Über den Tellerrand in die Zukunft schauen

Was werden wir in Zukunft essen? Wie werden alle satt? Welche Landwirtschaft ist besonders klimaverträglich? Um solche Fragen ging es bei der Podiumsdiskussion „Future of Food“

13.10.2023

Unsere Nahrung der Zukunft? Insekten brauchen wenig Platz und Wasser, lassen sich leicht züchten, wachsen schnell und produzieren dabei kaum CO2.

Unsere Nahrung der Zukunft? Insekten brauchen wenig Platz und Wasser, lassen sich leicht züchten, wachsen schnell und produzieren dabei kaum CO2.
Bildquelle: Pexels

Bereits im Treppenhaus der Startup Villa in der Altensteinstraße 40 klang leise die Jazzmusik, mit der die Gäste der Podiumsdiskussion im oberen Stockwerk begrüßt wurden. Das Buffet, das zwischen Lichterketten und bunten Freischwingern aufgebaut war, gab dann direkt eine gute Einstimmung darauf, worum es an diesem Abend gehen würde: Neben Brot, Aufstrichen und Suppentöpfen standen dort Schalen mit gegrillten Heuschrecken und Mehlwürmern bereit, daneben Tütchen mit knusprig gerösteten Ackerbohnen.

Warum diese als Nahrungsmittel bislang eher ungewöhnlichen Proteinquellen künftig viel häufiger auf dem Teller landen könnten – und vor welche Herausforderungen die wachsende Weltbevölkerung und der Klimawandel die Lebensmittelproduktion stellen –, erklärten die fünf geladenen Vortragenden anschließend vor etwa 25 Gästen.

Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von Profund Innovation und der Stiftung Entrepreneurship. Profund Innovation ist die Service-Einrichtung für die Förderung von Unternehmensgründungen und Innovationen in der Abteilung Forschung an der Freien Universität. Die Stiftung Entrepreneurship, die mit der Freien Universität kooperiert, möchte mehr Menschen für eine Unternehmensgründung begeistern, auch direkt aus der Universität heraus.

Rund elf Milliarden Menschen im Jahr 2100

Bis zum Jahr 2100 werde die Weltbevölkerung von jetzt rund acht Milliarden auf rund elf Milliarden Menschen wachsen, wie Moderator Suvrat Chowdhary eingangs anführte. Diese Menschen würden nicht nur mehr Nahrung, sondern auch mehr Platz zum Leben brauchen, wodurch gleichzeitig weniger Anbauflächen zur Verfügung stehen könnten. Verstärkt werde das Platzproblem durch den Klimawandel, Dürren, Starkregen, Stürme und Brände, die auch die Landwirtschaft vor immer neuen Herausforderungen stellen.

Auf der Veranstaltung kamen Wissenschaftler*innen und Start-ups zusammen, um Ideen für eine nachhaltige, effiziente und gesunde Lebensmittelproduktion auszutauschen.

Auf der Veranstaltung kamen Wissenschaftler*innen und Start-ups zusammen, um Ideen für eine nachhaltige, effiziente und gesunde Lebensmittelproduktion auszutauschen.
Bildquelle: Anne Kostrzewa

„Was wir jetzt sehen, ist nur ein Bruchteil dessen, was noch kommt“, sagte Jürgen Zentek im Hinblick auf den klimatischen Aufruhr des Planeten. „Wir brauchen deshalb intelligente Lösungen für die Lebensmittel-Produktion, um den Boden effizienter zu nutzen, ohne ihn auszuzehren.“

Berlin sei dicht bevölkert und es gebe in der Stadt nur wenig Lebensmittel produzierende Industrie. In Brandenburg hingegen gebe es sehr viel Landfläche. Nun brauche es Wissenschaftler*innen, die mit Landwirt*innen Lösungen entwickelten, um alle Teile eines Produkts zu verarbeiten, „auch die nicht-essbaren Teile“. Dann sei der Anbau wirklich nachhaltig und effizient.

Doch nicht nur der Anbau sei problematisch, ergänzte Cornelia Reiher. Auch die Verteilung dessen, was schon heute zur Verfügung steht, sei unfair und oftmals zu teuer. Statt regional zu produzieren, würden viele Lebensmittel über weite Strecken transportiert, was nicht nur viel koste, sondern auch dem Klima schade. Saisonaler und regionaler zu essen, und dadurch kürzere Transportwege zu ermöglichen, sei eine Lösung, sagte Cornelia Reiher. „Doch wir müssen Wege finden, das den Menschen zu erklären, ohne dass sie sich bevormundet fühlen.“

Zu viele Lebensmittel landen im Müll

Nicolas Barthelmé sprach Lebensmittelverschwendung als weitere Großbaustelle an. Vieles werde zwar in Massen produziert, allerdings nicht dort, wo es eigentlich gebraucht würde, wodurch tonnenweise Lebensmittel im Müll landeten. Den Hauptgrund dafür sieht er in der Ausrichtung der Konzerne auf Profit, und fragt: „Wollen wir die Welt ernähren? Oder wollen wir Geld damit verdienen, die Welt zu ernähren?“

Die meisten Firmen betrieben Greenwashing – sie versuchen, sich ein nachhaltiges Image zu geben, ohne tatsächliche Aktivitäten in diesem Bereich umzusetzen, sagte Barthelmé weiter. Für Konsument*innen sei das nicht transparent, weshalb er mit seiner Initiative „Du bist hier der Chef!“ auch eine so dringend nötige Bottom-up-Strategie verfolge, in der Verbraucher*innen mehr Mitsprache beim Herstellungsprozess ihrer Produkte bekämen.

Hoffnungsvoll zeigte sich indes Cecilia Antoni, Gründerin des Start-ups Bohnikat, das hochwertige Hülsenfrüchte vertreibt. Im Austausch mit jungen Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, treffe sie vor allem auf Offenheit und echtes Interesse daran, vieles anders und ökologisch besser zu machen. Sie selbst möchte die Ackerbohne wieder populärer machen und hat dafür einen Online-Shop und Kooperationen mit mehreren Unverpackt-Läden eingerichtet. „Die Ackerbohne war die erste europäische Bohne und bis zum Mittelalter ein ganz übliches Lebensmittel“, erklärte Cecilia Antoni. Später sei sie nur noch als Tierfutter genutzt worden und habe dadurch einen – aus ihrer Sicht zu Unrecht – schlechten Ruf bekommen. Und das, obwohl Hülsenfrüchte „neben Insekten das Nahrungsmittel mit dem größten Potenzial sind, weil sie voller Nährstoffe und Mineralien stecken und lange satt machen“.

Insekten waren das Stichwort für Charlotte Rafaluk-Mohr: „Wenn wir tierisches Protein zu uns nehmen wollen, sind Insekten die beste Lösung“, sagte sie. Insekten bräuchten wenig Platz und Wasser. Sie ließen sich leicht züchten und wüchsen schnell, so Rafaluk-Mohr, produzierten dabei aber kaum nennenswerte Mengen an CO2. „Ein weiterer großer Vorteil von Insekten: Sie sind für alle Wirtschaften erschwinglich“, sagte Rafaluk-Mohr im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und Hungersnöte. „Um Insekten zu züchten, braucht man wenig Technologie, wenig Geld und wenig Platz.“

In vielen Kulturen sind Insekten übliches Nahrungsmittel

Mehlwürmer, die auch auf dem Buffet bereit lagen, waren die erste in der EU als Nahrungsmittel für Menschen zugelassene Insektenart. Dass sie sich trotzdem nur sehr langsam als Lebensmittel etablieren, liege vor allem an der Hemmschwelle der Verbraucher*innen, gab Cornelia Reiher zu bedenken. „Was wir essen, ist eine Frage der Gewohnheit. In vielen Kulturen sind Insekten ein übliches Nahrungsmittel.“ Nicolas Barthelmé ergänzte: „Es gab bereits einige Versuche, Insekten-Produkte im Supermarkt anzubieten, doch die Kund*innen haben sie nicht akzeptiert.“ Sein Einwand: „Damit Konsument*innen etwas Neues kaufen, muss es sie an etwas erinnern, das bekannt und sicher ist.“

Dafür seien Mehlwürmer gut geeignet, ergänzte Charlotte Rafaluk-Mohr: „Sie lassen sich gut tarnen, etwa vermahlen in Tacos.“ Für die Zukunft wünsche sie sich, dass sich die Ernährung weiter vom Fleischkonsum entferne.

Am Insektenbuffet des Instituts für Biologie auf der Langen Nacht der Wissenschaften im Sommer 2023 kamen Snacks mit Insekten gut an.

Am Insektenbuffet des Instituts für Biologie auf der Langen Nacht der Wissenschaften im Sommer 2023 kamen Snacks mit Insekten gut an.
Bildquelle: Michael Fahrig

Mehr Transparenz, Effizienz und Fairness

Auch die anderen Diskussionsteilnehmer*innen formulierten abschließend Wünsche und Ideen für die Zukunft der Ernährung. Nicolas Barthelmé hofft auf mehr Transparenz für die Verbraucher*innen. Für Jürgen Zentek ist die wissenschaftliche Optimierung der Produktion ein Kernanliegen. Cornelia Reiher betonte: „Essen ist ein Menschenrecht, mit dem nicht spekuliert werden darf, ebenso wenig wie mit Land, auf dem Lebensmittel angebaut werden.“ Sie wünsche sich, dass die Machtkonzentration in der Nahrungsmittelindustrie künftig zugunsten einer faireren Verteilung reduziert wird.

Cecilia Antonis Anliegen für die Zukunft schien dagegen direkter und greifbarer, dürfte aber ebenfalls ein Umdenken der Gesellschaft und Politik erfordern: „Ich wünsche mir, dass alle Schulabgänger*innen wissen, wie man eine Suppe zubereitet und ein Brot backt.“ Niemand sollte in seiner täglichen Ernährung auf hoch verarbeitete Lebensmittel angewiesen sein, sondern vielmehr wissen, was gesund für den Körper und nachhaltig für den Planeten ist.

Weitere Informationen

Unter dem Motto „Create your Future“ lädt die Stiftung Entrepreneurship von Professor Günter Faltin zum Entrepreneurship Summit am Wochenende vom 21. und 22. Oktober 2023 in den Henry-Ford ein.

Unter anderem gestalten Teresa Kollakowski, Transfermanagerin bei Profund Innovation, und Amelie Wiedemann, Geschäftsführerin der FU-Ausgründung dearemployee, eine Impulsgruppe zum Thema „Healthcare and Prevention“. Martin Gersch, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität, leitet einen Workshop zum Thema „Souveräne Gesundheit durch Communities“.

Für Beschäftigte und Studierende der Freien Universität stellt die Stiftung Entrepreneurship ein begrenztes Kontingent an Freitickets zur Verfügung. Wer den Summit kostenlos besuchen möchte, kann bei der Online-Buchung den Code FU-BERLIN eingeben.