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„Marbach - einer der schönsten Orte für Germanisten“

Interview mit Peter-André Alt, dem neuen Präsidenten der Deutschen Schillergesellschaft

23.07.2012

Professor Dr. Peter-André Alt, neuer Präsident der Deutschen Schillergesellschaft, und Thomas Keller, Stellvertreter des Präsidenten.

Professor Dr. Peter-André Alt, neuer Präsident der Deutschen Schillergesellschaft, und Thomas Keller, Stellvertreter des Präsidenten.
Bildquelle: Chris Korner/DLA Marbach

Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität Berlin und Professor für Neuere Deutsche Literatur, wurde zum Präsidenten der Deutschen Schillergesellschaft gewählt. Damit hat er zugleich besondere Befugnisse gegenüber dem Deutschen Literaturarchiv Marbach (DLA) inne, deren Trägerin die Deutsche Schillergesellschaft ist. In Marbach werden Archivbestände und Manuskriptseiten von bedeutenden deutschsprachigen Autoren aufbewahrt, wie etwa von Franz Kafka und Herman Hesse. Im Gespräch mit campus.leben erklärt Peter-André Alt, welche Pläne er in seiner neuen Doppelfunktion hat, welche Ankäufe bevorstehen – und wie seine Begeisterung für Friedrich Schiller begann.

Herr Professor Alt, die Deutsche Schillergesellschaft, Trägerin des Deutschen Literaturarchivs, hat Sie zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Damit sind Sie in Entscheidungsprozesse beider Institutionen involviert. Was werden Ihre neuen Aufgaben sein?

Ich übe eine Art Aufsichtsfunktion aus und trage Verantwortung gegenüber dem gesamten Anschaffungsprozess des Deutschen Literaturarchivs. Die Schillergesellschaft ist nicht irgendeine Dichtergesellschaft. Sie beaufsichtigt das DLA mit einem Etat von 12 Millionen Euro und 200 Mitarbeitern. Das ist eine sehr ungewöhnliche Verzahnung. Alle großen Erwerbungsentscheidungen – wie der Ankauf von Manuskripten – müssen im Vorstand besprochen werden. Insofern bin ich in die gesamten wirtschaftlichen Prozesse der Institution involviert.

Was haben Sie für neue Projekte in Planung?

Das DLA hat vor wenigen Jahren das Literaturmuseum der Moderne eröffnet. Wir haben die Restaurierung des Schiller-Nationalmuseums abgeschlossen. Damit sind die beiden Standorte für die museale Präsentation älterer und moderner Literatur in einer vorzüglichen Verfassung. Aber wir wollen durchaus noch mehr: Durch den Ankauf der Bestände des Siegfried-Unseld-Archivs sind Zehntausende Manuskripte dazugekommen.

Daraus ergibt sich, dass die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichen, wir stehen vor einer weiteren Bauaufgabe. Es wird ein neuer Archivraum auf der Schillerhöhe in Marbach gebraucht. Dann benötigen wir auch einen Fond für Autorennachlässe. Wir müssen immer wieder improvisieren, wenn Angebote unterbreitet werden und besonders wertvolle Manuskripte gekauft werden sollen.

Ich möchte hier in Berlin meine Netzwerke nutzen, um Marbach gut zu positionieren. Die neue Aufgabe lässt sich also mit meiner Funktion als Universitätspräsident gut in Einklang bringen. Es wird positive Nebeneffekte für beide Positionen geben.

Besondere Aufmerksamkeit hat der Kauf eines Teils des Kafka-Nachlasses errungen. Welche Manuskripte hat das Deutsche Literaturarchiv erwerben können und was steht noch an?

Wir haben die Kafka-Briefe von Grete Bloch erworben. Dabei ist ein Mäzen eingesprungen. Dann haben wir eine sehr kluge Lösung gefunden für Kafkas Briefe an seine Schwester Ottla, indem wir sie gemeinsam mit der Bodleian Library in Oxford erworben haben. Das war sinnvoll: Man teilt sich die Kosten und stellt die Sammlung abwechselnd in Marbach und in Oxford zur Verfügung.

Jetzt steht ein drittes Projekt an: der Kauf des Nachlasses von Max Brod, in dem sich vermutlich wichtige Hinweise auf Kafka befinden. Das Problem liegt darin, dass der Staat Israel den Erbinnen untersagt hat, diesen Nachlass nach Europa zu verkaufen. Das ist in Übereinstimmung mit den israelischen Gesetzen geschehen, die besagen, dass wichtiges Kulturgut im Land bleiben muss. Andererseits sind wir der Meinung, dass diese Nachlasspapiere Max Brods nach Marbach gehören.

Hier könnten sie von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt am besten erschlossen werden. Ich vermute, dass das auch im Sinne von Max Brod gewesen wäre. Der Prozess schwebt –wir werden uns aus guten Gründen nicht direkt einmischen.

Was verbindet sie mit dem Deutschen Literaturarchiv?

In den 90er Jahren, als ich meine Biographie über Friedrich Schiller schrieb, habe ich das Deutsche Literaturarchiv als Nutzer kennengelernt. Dann bin ich seit vielen Jahren in diversen Gremien aktiv, etwa im wissenschaftlichen Beirat, der Stipendiaten auswählt. Zudem habe ich 2005 den Marbacher Schiller-Preis für meine Schiller-Biographie erhalten. Für mich ist Marbach etwas Besonderes – einer der schönsten Orte für Germanisten, die man sich nur vorstellen kann.

Woher resultiert ihre Faszination für den Autor Friedrich Schiller?

Ich habe als 13- oder 14-Jähriger „Die Räuber“ gelesen, veranlasst durch eine Schallplatte meines Vaters mit ausgewählten Szenen. Dort stieß ich auf den ersten Monolog von Franz Moor, in dem er seine bösen Pläne entwickelte. Schillers Sprache hat mich ungeheuer gefesselt. Diese Faszination lässt mich bis heute nicht los.

Die Fragen stellte Leonard Fischl.