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Wandel durch Handel?

Experten beleuchten das Freihandelsabkommen „TTIP“

19.11.2014

Was bringt uns TTIP? Das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA war Thema einer Diskussionsrunde des Dokumentationszentrums Vereinte Nationen – Europäische Union

Bild: Was bringt uns TTIP? Das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA war Thema einer Diskussionsrunde des Dokumentationszentrums Vereinte Nationen – Europäische Union
Bildquelle: Deutsche Gesellschaft e. V.

„TTIP“ soll das größte Freihandelsabkommen der Welt werden. Die Europäische Kommission verhandelt derzeit über das Abkommen mit den USA. In einer Diskussionsrunde des Dokumentationszentrums Vereinte Nationen – Europäische Union der Freien Universität Berlin in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft e.V. und der Europa-Union Berlin e.V. nahmen Experten der Industrie, des Europäischen Parlaments, des Bundeswirtschaftsministeriums, der Nichtregierungsorganisation „Foodwatch“ und der Gewerkschaft ver.di Stellung zum Thema.

Die Bevölkerung hat viele Fragen an das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, kurz für „Transatlantic Trade and Investment Partnership“. Die Befürchtung, dass damit europäische Standards abgesenkt werden könnten, ist besonders verbreitet. Ängste wie diese zu berücksichtigen und dabei das Abkommen sachlich zu diskutieren war der Anspruch der Diskussionsrunde im Hörsaal 1b, moderiert von Tanja Börzel, Leiterin der Arbeitsstelle Europäische Integration und Direktorin des Otto-Suhr-Institutes an der Freien Universität.

Qualitätsstandards auf dem Prüfstand

Michael Vollprecht, Referent für Wirtschaft und Finanzen bei der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, mahnte gleich zu Beginn, über das Abkommen nicht voreilig zu urteilen: „Die Verhandlungen laufen noch und viele Details sind noch ungeklärt. Wir haben uns bei den Verhandlungen kein zeitliches, sondern ein qualitatives Ziel gesetzt“, sagte der EU-Referent.

Gerade in Sachen Qualitätsstandards meldeten die Podiumsteilnehmer Thilo Bode von der Nichtregierungsorganisation „Foodwatch“ und Martin Beckmann von der ver.di -Bundesverwaltung Bedenken an. Beckmann forderte, dass öffentliche Dienstleistungen wie Verkehr, Wasserversorgung und Bildung grundsätzlich in den Verhandlungen ausgeklammert werden sollten.

Auch die in Teilen der USA aus seiner Sicht stark gewerkschaftsfeindliche Politik mahnte Beckmann an: „Wir brauchen Standards auf dem höchsten Niveau, insbesondere in den Bereichen Arbeit und Soziales.“ Thilo Bode, als Gründer von Foodwatch besonders mit der Lebensmittel- und Agrarindustrie vertraut, befürchtet eine „langfristige Verschlechterung der Standards“ – vor allem, wenn das in der EU gültige „Vorsorgeprinzip“ abgeschafft würde.

In Europa müssen nach dem sogenannten Vorsorgeprinzip Unternehmen die Unschädlichkeit ihrer Produkte nachweisen, bevor sie auf dem Markt zugelassen werden. In den USA ist das umgekehrt. Mit dem „Nachsorgeprinzip“ gelten beispielsweise gentechnisch veränderte Pflanzen so lange als unschädlich, bis das Gegenteil bewiesen ist. „In den USA braucht man erst eine Leiche, um zu beweisen, dass Chemikalien giftig sind“, fasste Bode scharf zusammen.

„Das Vorsorgeprinzip bleibt!“

Berend Diekmann vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, der als Referatsleiter für die Außenwirtschaft Einblick in die Verhandlungen hat, hielt dagegen: „Das Vorsorgeprinzip in Europa wird nicht abgeschafft.“ Auf beiden Seiten des Atlantiks würden die verfassungsrechtlich verankerten Prinzipien beibehalten, sagte Diekmann: „Wir wollen unsere Kriterien aber für die Amerikaner transparenter machen, damit zum Beispiel ein amerikanisches Medikament schneller auf dem europäischen Markt zugelassen werden kann.“

Hohe Erwartungen an das Abkommen

Freya Lemcke von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (IHK) forderte einen „Bürokratie- statt Demokratieabbau“ für Klein- und Mittelständische Unternehmen. Die Ausfuhr von Waren in die USA sei derzeit für viele deutsche Unternehmer beschwerlich, weil seitenlange Dokumente in doppelter Ausführung für die Behörden auszufüllen seien. Der Aufwand sei hoch und koste viel Arbeitszeit. „Der deutsche Mittelstand hat hohe Erwartungen an das Abkommen“, sagte Lemcke. Deshalb unterstütze die IHK das Freihandelsabkommen.

Die abschließenden Fragerunde aus dem Publikum und eine fast halbstündigen Verlängerung der Diskussionsrunde zeigte: Die Debatte um das Freihandelsabkommen ist noch längst nicht abgeschlossen.