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Asyl in Berlin – Hilfe ohne Grenzen?

In der Reihe „Wissenschaft trifft Politik“ diskutierten Politikwissenschaftler Bernd Ladwig, Sozialsenator Mario Czaja und Mathias Hamann von der Stadtmission

16.09.2015

Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff moderierte die Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd Ladwig (l.), Sozialsenator Mario Cjaja (2. v. r.) und Mathias Hamann (ganz rechts) von der Stadtmission.

Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff moderierte die Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Bernd Ladwig (l.), Sozialsenator Mario Cjaja (2. v. r.) und Mathias Hamann (ganz rechts) von der Stadtmission.
Bildquelle: Kai-Uwe Heinrich

Der Zustrom von Flüchtlingen vor allem aus Syrien, Eritrea und Afghanistan nach Europa reißt nicht ab. In Berlin sind in diesem Jahr nach Auskunft der Sozialverwaltung mehr als 20.000 Flüchtlinge angekommen. Prognosen zufolge werden es am Ende des Jahres rund 40.000 sein, bundesweit rechnet man mit mit mehr als 800.000 Zuzüglern. Über die daraus entstehenden Herausforderungen für Berlin und Deutschland diskutierten Sozialsenator Mario Czaja, Politikwissenschaftler Professor Bernd Ladwig von der Freien Universität und Mathias Hamann von der Stadtmission. Die Reihe „Wissenschaft trifft Politik" ist eine gemeinsame Veranstaltung von Freier Universität Berlin, Tagesspiegel und Schwarzkopf-Stiftung.

Und dann, nach mehr als einstündiger Diskussion, ist Mario Czaja fast gerührt. Aus dem Publikum meldet sich ein in Flüchtlingsfragen klar versierter Gast und sagt, bei aller Kritik an den Regierenden, habe er überraschend Sympathien für einen CDU-Politiker. Gemeint war Czaja, der als Berliner Sozialsenator von allen Seiten unter Druck steht: von Flüchtlingshelfern, die seine Behörde als langsam kritisieren, als auch von Asylgegnern, die Czaja vorwerfen, er helfe zwar massenhaft Familien aus dem Nahen Osten, nicht aber deutschen Sozialfällen.

„Asyl in Berlin – Hilfe ohne Grenzen?" Unter diesem Motto hatte der Tagesspiegel gemeinsam mit der Freien Universität  und der Schwarzkopf Stiftung am Dienstag zu einer Diskussion ins Verlagshaus am Anhalter Bahnhof geladen. Mehr als 250 Gäste waren gekommen – darunter viele Schüler und Studenten. Die Zahl der nach Europa Flüchtenden wächst. Es gibt Tage, da kommen allein in Berlin mehr als 1000 Männer, Frauen und Kinder an. Wie also können Städte und Kommunen das bewältigen?

Ist das Land überfordert? „Viele Menschen sind es nicht.“

Moderiert von Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff sprachen mit Czaja darüber Bernd Ladwig, Professor für politische Theorie an der Freien Universität, und Mathias Hamann, Leiter der Notunterkunft der Berliner Stadtmission in Moabit.

Czaja stellte gleich eingangs klar: Alle Bundesländer seien an ihre Grenzen gestoßen. Es fänden sich ohnehin kaum noch Betreiber für neue Heime. Die umstrittenen Grenzkontrollen seien nötig, Zehntausende Flüchtlinge dürften sich wegen Überlastung der Behörden seit diesen Wochen unregistriert in Deutschland aufhalten. Ladwig ging es um die Wirkung der Kontrollen, die sowohl ein Signal der Regierung an die überforderten Bundesländer seien, als auch an die europäischen Nachbarn, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Vielleicht, so die zentrale Frage, sei das Land durch die Flüchtlinge tatsächlich bald überfordert: „Ganz viele Menschen jedenfalls sind es nicht“, sagte Hamann, der unter Sozialexperten geschätzt wird. „Uns motivieren die vielen Freiwilligen, die seit Monaten helfen.“

Kann die Willkommenskultur, die sich von der Stimmung in den 90ern deutlich abhebt, die Krise lösen? Es sei schwer, von der Euphorie eines Augenblickes auf langfristige Veränderungen zu schließen, sagte Ladwig. Eine „neue deutsche Gelassenheit“ aber gebe es tatsächlich. Die allerdings müsste sich bald in Politik und Infrastruktur des Landes wieder finden.

Ein Punkt, den Senator Czaja teilt: Man baue Unterkünfte, nur dauere das eben. Und bevor leere Wohnungen beschlagnahmt werden dürfen, müssten sämtliche Hörsäle und Turnhallen belegt werden. Durchregieren ist in Deutschland eben nicht einfach.

Dieser Artikel ist im Tagesspiegel vom 16. September 2015 online erschienen.

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