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Gedenktafel an Ernst Fraenkels ehemaligem Wohnhaus enthüllt

Von 1953 bis 1967 war Ernst Fraenkel Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität und 1963 Gründungsdirektor des John-F.-Kennedy-Instituts

15.07.2016

Ernst Fraenkels ehemaliges Wohnhaus: Eschwegering 23 in Berlin-Tempelhof.

Ernst Fraenkels ehemaliges Wohnhaus: Eschwegering 23 in Berlin-Tempelhof.
Bildquelle: Peter Schraeder

Die Büste von Ernst Fraenkel, die seit 1990 im John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität aufgestellt ist, stammt von dem deutschen Bildhauer Sergej Alexander Dott.

Die Büste von Ernst Fraenkel, die seit 1990 im John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität aufgestellt ist, stammt von dem deutschen Bildhauer Sergej Alexander Dott.
Bildquelle: Manuel Krane

Ernst Fraenkels Hauptwerk, Der Doppelstaat, war eine der ersten politikwissenschaftlichen Analysen des Nationalsozialismus – geschrieben noch während des Zweiten Weltkriegs im US-amerikanischen Exil. Als Jude hatte Fraenkel 1938 aus Deutschland fliehen müssen. 1951 war er nach Berlin zurückgekehrt. 1953 wurde der Jurist als Politikwissenschaftler an die Freie Universität berufen, 1963 wurde er Gründungsdirektor des John-F.-Kennedy-Instituts (JFKI). Auf Initiative des Vereins Historische Kommission zu Berlin wurde kürzlich eine Gedenktafel an Fraenkels ehemaligem Wohnhaus in Berlin-Tempelhof angebracht.

Kulturstaatssekretär Tim Renner machte mit dem Verweis auf gegenwärtige rechtsgerichtete Internet-Kampagnen auf die „bedrückende Aktualität“ von Ernst Fraenkels Hauptwerk zum Nationalsozialismus aufmerksam. Auch in der Weimarer Republik hätten die Nationalsozialisten die Medien für ihre Zwecke benutzt.

Sozialistische Anfänge und Flucht aus Deutschland

Nach dem Ersten Weltkrieg, für den sich der 18-Jährige als Freiwilliger gemeldet hatte, hatte Ernst Fraenkel ein Jurastudium aufgenommen. Er schloss sich einer sozialistischen Studentengruppe an, trat 1921 in die SPD ein und vertrat als Anwalt sowohl die Partei als auch Gewerkschaften vor Gericht. Obwohl er Jude war und obwohl beide Einrichtungen 1933 von den Nationalsozialisten verboten wurden, war es ihm als Kriegsveteran zunächst möglich, weiterzuarbeiten. Fraenkel begann, aus Zeitungen, Zeitschriften und Gerichtsentscheidungen Materialien über den NS-Staat zu sammeln.

1938 musste der Jurist aus Deutschland fliehen. Zunächst gingen er und seine Frau Hanna nach England, dann in die USA. Der Neuanfang war hart, denn das Vermögen des Ehepaars war von den Nazis eingezogen worden, und Ernst Fraenkel fand zunächst keine Arbeit, da er als deutscher Jurist mit dem amerikanischen Rechtssystem nicht vertraut war.

The Dual StateDer Doppelstaat

Dennoch gelang ihm 1941 die Veröffentlichung des Werks The Dual State. Fraenkel stellt darin den Normenstaat, der das politische Handeln auf Basis einer allgemeinen Rechtsordnung gestaltet, dem Maßnahmenstaat gegenüber, der diese Rechtsordnung zugunsten der Regierungsinteressen ignoriert. Damit beschrieb er eine der wesentlichen Entwicklungen des nationalsozialistischen Totalitarismus. Das erst Mitte der siebziger Jahre ins Deutsche übersetzte Buch wurde zu einem politischen Grundlagenwerk.

„Dieser Konflikt der zwei Staatstypen lässt sich auch heute immer wieder beobachten, etwa im Fall von Guantánamo auf Kuba“, sagte Michael Wildt anlässlich der Gedenktafelenthüllung. Der Historiker von der Humboldt-Universität zu Berlin hat sich mit Fraenkels Biografie beschäftigt. „In Guantánamo wurde geltendes Recht missachtet, doch letztlich hat das vor dem Obersten Gerichtshof der USA keine Gültigkeit gefunden. Der Normenstaat hat sich – anders als damals – durchgesetzt.“

Zerwürfnis mit der Studentenbewegung

Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Fraenkel als Rechtsberater der amerikanischen Verwaltung in Südkorea. Als 1950 der Koreakrieg ausbrach, kehrte der Politikwissenschaftler 1951 nach Berlin zurück, wo er 1953 an die Freie Universität Berlin berufen wurde. „Ernst Fraenkel genoss ein sehr hohes Ansehen. Auf seine Initiative hin wurde das interdisziplinäre John-F.-Kennedy-Institut gegründet“, sagte Carl-Ludwig Holtfrerich, von 1983 bis 2007 Professor für Wirtschaft am JFKI.

Einer von Fraenkels damaligen Assistenten war der Historiker Heinrich August Winkler – einer der führenden Geschichtswissenschaftler der Gegenwart. „Wir hatten enge Gesprächsbeziehungen“, erinnert sich Winkler. „Ich habe bei ihm sehr viel über die Weimarer Republik und den Pluralismus gelernt.“

Winkler erlebte auch, wie sich Fraenkel in den sechziger Jahren von der Studentenbewegung distanzierte, der er zunächst wohlwollend gegenübergestanden hatte. „Er sprach von einem romantischen Rückfall“, sagte Winkler. Die Gewalt auf den Straßen, die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und der unterschwellige Antisemitismus hätten ihn schließlich abgeschreckt. „Am Ende seines Lebens fühlte sich Fraenkel, der stets ein Verfechter des Pluralismus gewesen war, von der Studentenbewegung verkannt“, konstatierte Michael Wildt.

Ein letzter Erfolg sollte dem Politikwissenschaftler bleiben: Wenige Monate vor seinem Tod im März 1975 erschien Der Doppelstaat auf Deutsch.