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Hummus und Apfelmus

Was Arabischsein in Deutschland bedeutet, haben Studierende in einem studentischen Lehrprojekt erforscht und in Gedichten und Performances festgehalten

16.02.2023

Im Arabistik-Studium geht es häufig um Geschichte und Literatur.

Im Arabistik-Studium geht es häufig um Geschichte und Literatur.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher 

Rund 300 Millionen Menschen auf der Welt sprechen als Erstsprache Arabisch. Einige von ihnen kamen vor Jahren oder Jahrzehnten nach Deutschland und leben in Berlin. Ihre Kinder und Enkelkinder wurden hier geboren. Von ihnen studieren einige an der Freien Universität Arabistik. Sie haben im Wintersemester gemeinsam mit Mitstudierenden in einer Lehrveranstaltung erforscht, was arabisches Leben in Deutschland ausmacht. Ihre Ergebnisse präsentieren sie am 16. Mai um 18 Uhr in der Amerika-Gedenkbibliothek.

Wie werde ich meiner Identität gerecht? 

„Es ging unter anderem darum, sich mit eigenen Erfahrungen zu befassen und Gefühle in Worte zu fassen“, erläutert Susana Abdulmajid, die das Seminar gemeinsam mit Ruben Schenzle, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Semitistik und Arabistik der Freien Universität, geleitet hat. Die Ergebnisse dieses Reflexionsprozesses haben die Studierenden in Gedichten und Performances festgehalten. Viele der Studierenden empfänden ein Vakuum, weil sie Arabisch – oder auch Türkisch – nicht so gut wie ihre Eltern beherrschten. „Sie stellen sich dann die Frage: Muss ich jetzt umso arabischer, umso syrischer, umso religiöser sein, um diesem Teil meiner Identität gerecht zu werden?“, sagt Susana Abdulmajid, die als Schauspielerin arbeitet und Arabistik studiert. Dass Studierende Lehrangebote mitorganisieren können, ist eine Initiative des „Dahlem Center for Academic Teaching“ der Freien Universität. 

Die Herausforderung, sich mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen, ist immer wieder Thema in den studentischen Beiträgen. „Bevor ich irgendetwas bin, bin ich muslimisch“, schreibt eine Studentin. In Deutschland mache sie ihr Glaube indes zu einer Fremden. „Ich bin in dem Land fremd, in dem ich geboren bin und in dem meine Familie schon seit 60 Jahren lebt“, resümiert sie. 

Im Arabistik-Studium geht es häufig um vergangene Epochen und klassische Literatur; eigene Erfahrungen haben in den Lehrplänen nur wenig Raum. „Aber wer Arabistik studiert, hat immer einen Berührungspunkt mit der arabischsprachigen Welt – etwa durch die eigene Familie oder durch politische und gesellschaftliche Geschehnisse, die einen auch persönlich beschäftigen“, meint Ruben Schenzle. Es seien Ereignisse wie der sogenannte Arabische Frühling 2011 oder die Migration von Menschen aus dem arabischen Raum im Jahr 2015, die junge Menschen zu einem Studium der arabischen Sprache und Kultur bewegten. 

Das zeigt: „Arabischsein in Deutschland“ ist ein Thema, das viele Menschen betrifft. Auch dann, wenn sie keinen familiären Bezug zu der Region haben. Das ist das Stichwort für eine Studentin, die als fiktive Person Lisa-Marie-Sophie satirisch von einem Sprachkurs in Jordanien berichtet. Für den Lebenslauf könne sie das nur empfehlen. Klar, denn wer viele Sprachen fließend beherrscht, gilt als weltoffen und gebildet. Doch während Lisa-Marie-Sophie als weiße Studentin ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert, indem sie Arabisch lernt, gelten nicht-weiße Personen schnell als schlecht integriert, wenn sie zwischen der arabischen und deutschen Sprache im Alltag wechseln. Auch das zählt zur Wirklichkeit des „Arabischseins in Deutschland“. 

Dieser Artikel ist am 19.02.2023 in der Tagesspiegel-Beilage der Freien Universität Berlin erschienen.

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