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Großumbau im Glashaus

Ein Besuch im Mittelmeerhaus, bevor das große Umtopfen beginnt

16.02.2023

Das Mittelmeerhaus im Botanischen Garten Berlin wird demnächst umfassend saniert.

Das Mittelmeerhaus im Botanischen Garten Berlin wird demnächst umfassend saniert.
Bildquelle: I. Haas/Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin

Ein bisschen abseits des Hauptweges gelegen, ist es dennoch nicht zu übersehen – das Mittelmeerhaus im Botanischen Garten Berlin. Bereits 1904 fertiggestellt, gilt es ganz offiziell als erstes Gewächshaus der Gartenanlage. Mit seinen Jugendstilelementen und den beiden gläsernen Türmchen gehört es längst zu den Wahrzeichen des Botanischen Gartens. Und gerade jetzt ist es hier am schönsten. Doch wer das mediterrane Gewächshaus besuchen möchte, muss sich beeilen. Schon im Sommer starten die Vorbereitungen der dringend nötigen Sanierung. 

Thymian oder Salbei – wonach riecht es hier? Eine kleine Gruppe von Besucherinnen ist sich nicht ganz sicher. Aber eines steht fest: Wer die gläserne Tür des Mittelmeerhauses öffnet, wird empfangen von einem Duft, der mitnimmt an die Küste Spaniens, in die Küchengärten Italiens oder zu einem Ausflug auf die Kanaren. 

Kein Wunder, denn schließlich sind sie hier zu Hause – der Gefiederte Lavendel (Lavandula pinnata), die Würzige Bergminze (Satureja thymbra) und der Kapernstrauch (Capparis spinosa), um nur einige der hier gezeigten Pflanzen zu nennen. Ein paar Schritte weiter, gleich hinter der nächsten Glastür, beginnt wieder eine ganz andere Welt: Hier wachsen bis zu 15 Meter hohe Baumfarne, beispielsweise Dicksonia antarctica oder eine riesige Zimmertanne (Araucaria heterophylla), die schon längst in kein Wohnzimmer mehr passt. 

Vorfreude auf den Frühling

„Wenn es draußen grau und ungemütlich ist, ist es im Mittelmeerhaus am schönsten. Hier findet sich immer ein Platz zum Auftanken, und es macht einfach Vorfreude auf den Frühling“, sagt Thomas Borsch, Professor für Biologie und Direktor des Botanischen Gartens Berlin. „Nicht ohne Grund ist Haus P, wie es ganz unromantisch in unserem Gartenplan heißt, seit mehr als 20 Jahren ein beliebter Ort zum Heiraten.“ 

Doch wer sich hier inmitten von Meerfenchel (Crithmum maritimum) und Co das Jawort geben möchte oder einfach nur eine kleine Auszeit vom Alltag gönnen möchte, hat nicht mehr viel Zeit dazu: Denn das Gewächshaus muss dringend saniert werden. Korrosionsschäden am Stahltragwerk und Schäden an den Stehwandfenstern können nicht länger warten. Auch die Treppentürme und die historischen Holzfenster sind nach so langer Zeit marode. 

Die Fassade entspricht – energetisch betrachtet – nicht mehr dem heutigen Stand der Technik. Sämtliche Dachbereiche müssen erneuert werden. All das unter Beachtung des Denkmalschutzes, denn das Mittelmeerhaus ist ein architektonisches Juwel, bei dem sehr viele der originalen Elemente noch heute vorhanden sind. Insgesamt sind etwa 24 Millionen Euro für die denkmalschutzgerechte und energetische Sanierung des Mittelmeerhauses erforderlich. Bauherr ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen in Berlin. 

Wohin mit den Pflanzen?

„Wir haben bereits das Große Tropenhaus denkmalschutzgerecht und energetisch grundsaniert. Danach war das Victoriahaus an der Reihe. Daher wissen wir, was auf uns zukommt“, betont Thorsten Laute, Leiter des Gartenbetriebs des Botanischen Gartens. „Ein solches Projekt wäre ohne die vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen hier am Botanischen Garten und von der Technischen Abteilung der Universität sowie in der Senatsverwaltung gar nicht möglich. Dafür sind wir sehr dankbar.“ 

Die Vorbereitungen laufen längst auf Hochtouren. Die gerade drängendste Aufgabe lautet: Wohin mit den mehr als 1100 Pflanzen? Dabei muss für kleine Pflanzen wie Alpenveilchen (Cyclamen persicum) eine genauso passende Lösung gefunden werden wie für die große Schmalblättrige Steinlinde (Phillyrea angustifolia). 

Auch die Gärtnerinnen und Gärtner des Botanischen Gartens lässt der Umzug der Pflanzen nicht kalt. „Jedes Mal, wenn wir eines unserer Gewächshäuser schließen müssen, tut es uns in der Seele weh“, sagt Maria Malolepsy, Gartenbereichsleiterin der Kalthäuser, zu denen auch das Mittelmeerhaus gehört. „Aber glücklicherweise haben wir ja inzwischen Erfahrung mit dem Umsetzen und Auslagern der Pflanzen. Das ist eine echte Herausforderung und erfordert eine ausgeklügelte Logistik.“

Das große Ausräumen des Mittelmeerhauses beginnt im Spätsommer. Dabei werden einige der Großgehölze wie der etwa vier Meter hohe Kreta-Ahorn (Acer sempervirens) oder der Westliche Erdbeerbaum (Arbutus unedo) von einer Berliner Baumschule balliert und gekübelt. Das heißt, die Wurzelballen werden mit einem Spaten oder einer Ballenstechmaschine vorsichtig aus dem Boden gegraben und in einen Kübel verpflanzt. Dann kommen sie ins Überwinterungshaus. Andere, zum Beispiel die vier Meter große Steineiche (Quercus ilex), bekommen einen neuen Platz im Freiland des Gartens. 

Hilfreich bei dem Umzug ist, dass jede Pflanze im Botanischen Garten akribisch dokumentiert ist. „Wir wissen zum Beispiel genau, woher welcher Strauch oder welcher Baum stammt und wie alt er ist. Denn die Pflanzen sollen ja nicht nur für die Besucherinnen und Besucher schön anzusehen sein, sondern sind die Grundlage für unsere wissenschaftliche Arbeit“, erläutert Gerald Parolly, Kustos für Mediterrane und Temperate Lebendsammlungen. Und diese Arbeit geht natürlich auch während der Umbauphase weiter. 

Ort der Biodiversität

Bis Anfang kommenden Jahres muss das Mittelmeerhaus leergeräumt sein. Dann starten die Bauarbeiten und dauern voraussichtlich zweieinhalb Jahre. Direktor Thomas Borsch blickt optimistisch in die Zukunft: „Ich freue mich schon jetzt, wenn wir 2027 unser neues altes Mittelmeerhaus wieder eröffnen können. Dann haben wir nicht nur in Sachen Denkmalschutz, sondern auch mit Blick auf die Energieeffizienz ein weiteres erstklassig saniertes Gewächshaus. Aber am allermeisten freue ich mich darauf, wenn wir den Besucherinnen und Besuchern wieder ein eindrucksvolles Bild der mediterranen Vegetation vermitteln können.“

Mit nahezu 20.000 Pflanzenarten ist der Botanische Garten der größte in Deutschland und zählt zu den bedeutendsten weltweit. Auf 43 Hektar Freigelände und in 15 Gewächshäusern erhalten Besucherinnen und Besucher faszinierende Einblicke in die Welt der Botanik. Als Knotenpunkt der internationalen Biodiversitätsforschung und Ort der Wissensgenerierung und -vermittlung beschäftigt der Botanische Garten mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem Botanischen Museum verfügt er über eine einzigartige museale Einrichtung, die sich der Vielfalt der Pflanzenwelt widmet. Seit 1995 gehört die Einrichtung zur Freien Universität Berlin.

Dieser Artikel ist am 19.02.2023 in der Tagesspiegel-Beilage der Freien Universität Berlin erschienen.

Weitere Informationen

Infos für Besuchende 

Öffnungszeiten: 9 bis 20 Uhr, Einlass Königin-Luise-Straße: 9 bis 19 Uhr, Einlass Gewächshäuser: 9 bis 18.30 Uhr 
Eintrittspreise: Tagesticket: 6 Euro, ermäßigt: 3 Euro, Abendkarte (ab 17  Uhr): 3 Euro
Nächste Führung: 5. März, 10 Uhr: „Stinkender Lorbeer und kanarisches Ebenholz – Ausflug ins Mittelmeerhaus“

Alle weiteren Infos www.bo.berlin 

Die Sanierung des Mittelmeerhauses wird durch das Land Berlin finanziert.