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„Die Mehrheit der Deutschen ist für erneuerbare Energien“

Ein Gespräch mit Miranda Schreurs, Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik der Freien Universität, über die Energiepolitik der Bundesregierung/ Ausstrahlung der Podiumsdiskussion „Salto Mortale“ am 29. April um 9.22 Uhr im RBB-Inforadio

27.04.2012

Wie hält es die Bundesregierung mit der Energiepolitik nach Fukushima? Erneuerbare Energien finden in der Bevölkerung große Akzeptanz.

Wie hält es die Bundesregierung mit der Energiepolitik nach Fukushima? Erneuerbare Energien finden in der Bevölkerung große Akzeptanz.
Bildquelle: BMU / Brigitte Hiss

Professorin Miranda Schreurs leitet das Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin.

Professorin Miranda Schreurs leitet das Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Energiewende als „Salto Mortale“? Unter diesem Titel stand eine Podiumsdiskussion der Technologiestiftung Berlin in der Reihe Treffpunkt WissensWerte. Mit dabei: Professorin Miranda Schreurs, Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik der Freien Universität und Vorsitzende des Europäischen Netzwerkes von Umwelt- und Nachhaltigkeitsräten (EEAC). Campus.leben sprach mit der Politikwissenschaftlerin über die Energiepolitik der Bundesregierung nach Fukushima. Die Aufzeichnung der Diskussion wird am Sonntag, 29. April, 9.22 Uhr, im Inforadio (93,1 MHz in Berlin) ausgestrahlt.

Frau Professorin Schreurs, was hat sich in der bundesdeutschen Energiepolitik nach dem GAU in Fukushima geändert?

Fukushima hat 25 Jahre nach Tschernobyl erneut bestätigt, wie uneinschätzbar und riskant Atomenergie ist. Die Katastrophe in Japan hat für uns alle die Erinnerungen an den GAU in der Ukraine und die Zeit danach zurückgebracht, als der Bevölkerung gesagt wurde, dass sie bestimmtes Gemüse nicht essen oder Milch nicht trinken dürfe oder Kinder nicht draußen im Sandkasten spielen sollten. Durch Fukushima war die Regierungskoalition gezwungen, ihre Energiepolitik akut zu überdenken. Und das hat sie getan. Zwei Wochen nach dem Unglück in Japan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung" einberufen. Nach ausführlicher Beratung haben wir, die 17 Mitglieder dieser Kommission, die vom ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer und Matthias Kleiner, dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), geleitet wurde, die Empfehlung zum Atomausstieg ausgesprochen.

Meint die Bundesregierung es ernst mit dem Atomausstieg?

Kurze Zeit nach der Atomkatastrophe in Japan wurden die ältesten sieben Atomanlagen in Deutschland abgeschaltet. Ein anderes Atomkraftwerk war schon mehrere Jahre zuvor abgeschaltet worden, nachdem die Anlage durch ein Feuer beschädigt worden war. Der Bundesregierung ist klar geworden, dass die Stromversorgung in Deutschland auch ohne diese acht Atomkraftwerke gesichert ist. Denn es gab und gibt einen ausreichenden Energieüberschuss bei der Stromerzeugung, sodass es keine Engpässe und auch keine großangelegten Importe aus dem Ausland braucht.

Was halten Sie von der schrittweisen Verringerung der Vergütung von Strom, der aus Solarzellen gewonnen wird?

Die Mitglieder des Sachverständigenrats für Umweltfragen haben schon vor zwei Jahren eine starke Reduzierung der Subventionen für Photovoltaikanlagen empfohlen. Wir haben dies nicht getan, weil wir Solarenergie ablehnen – ganz im Gegenteil. Wir glauben, dass es sehr wichtig ist, erneuerbare Energien so schnell wie möglich auszubauen, um sicherzustellen, dass die Kosten der Entwicklung für die Verbraucher nicht zu hoch sind. Solaranlagen werden zwar allmählich preiswerter, aber sie sind im Moment noch die teuerste erneuerbare Energiequelle pro produzierte Kilowattstunde. Zudem lassen sich durch Solarenergie noch nur rund drei Prozent der deutschen Elektrizität herstellen. Die sehr schnelle Verbreitung von Solaranlagen hat zu einem raschen Anstieg der Extrakosten für Verbraucher geführt. Unsere Sorge, die die deutsche Regierung zu teilen scheint, ist, dass wenn der Preis der erneuerbaren Energien zu schnell steigt, die Unterstützung für erneuerbare Energien fallen könnte, was wiederum die Energiewende gefährden würde.  Mit der Zeit werden die Preise für Solaranlagen fallen, sodass sie mit einer steigenden Effizienz wettbewerbsfähiger und preiswerter werden und keiner so großen Subventionierung mehr bedürfen.

Wird dadurch nicht der Atomausstieg gebremst?

Nein, das denke ich nicht. Viel größere Sorgen machen uns das langsame Tempo, mit dem Offshore-Wind-Anlagen gebaut werden, und die Verspätungen beim Bau von Hochspannungsnetzen.

Wären die Bürger bereit, mehr für Strom zu bezahlen, wenn er aus erneuerbaren Energiequellen stammt?

Eine im Dezember 2011 im Auftrag des Umweltministeriums durchgeführte Meinungsumfrage hat gezeigt, dass 38 Prozent der Befragten bereit sind, für Strom aus erneuerbaren Energien 50 Euro mehr pro Jahr zu zahlen. 29 Prozent würden 100 Euro mehr bezahlen und 11 Prozent sogar mehr als 100 Euro. Die Umfrage hat auch gezeigt, dass 76 Prozent der Befragten überzeugt sind, dass der Übergang zu erneuerbaren Energien Arbeitsplätze schaffen wird, und 74 Prozent glauben, dass so die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands vergrößert wird. Die Mehrheit der Deutschen unterstützt also erneuerbare Energien – solange sie nicht zu teuer sind.

Das Gespräch führte Jan Hambura

Weitere Informationen

Am Sonntag, den 29. April um 9.22 Uhr, wird im RBB-Inforadio (93,1 MHz in Berlin) ein Mitschnitt der Podiumsdiskussion „Salto Mortale Energiewende – Die Herausforderungen des Umbaus der Energieversorgung“ gesendet. Unter den Gästen war Professorin Miranda Schreurs. Die Diskussion ist Teil der Veranstaltungsreihe „Treffpunkt WissensWerte“ der TSB Technologiestiftung Berlin und von Inforadios.

Im Internet

www.berliner-wissenswerte.de/termine/detail/735