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„Zeitzeugen machen Geschichte lebendig“

Die französische Historikerin Sonia Combe ist Gastprofessorin am Frankreich-Zentrum der Freien Universität

12.02.2013

Sonia Combe ist Gastprofessorin am Frankreich-Zentrum. Im Juni wird die Historikerin wieder in Berlin sein: Sie organisiert eine Konferenz zum Thema „Silence and Voices of Dissent“ am Berliner Centre Marc Bloch.

Sonia Combe ist Gastprofessorin am Frankreich-Zentrum. Im Juni wird die Historikerin wieder in Berlin sein: Sie organisiert eine Konferenz zum Thema „Silence and Voices of Dissent“ am Berliner Centre Marc Bloch.
Bildquelle: Juliane Bartsch

Berlin ist für Sonia Combe kein unbekanntes Pflaster. Die Historikerin und Politikwissenschaftlerin von der Université Paris Ouest, die in diesem Wintersemester als Gastprofessorin am Frankreich-Zentrum der Freien Universität Berlin lehrt und forscht, war schon oft in der deutschen Hauptstadt – auch im Ostteil vor der Wende. Sonia Combe ist Expertin für die Geschichte des Kommunismus sowie die DDR-Gesellschaft und beschäftigt sich mit der Archivpolitik der Vergangenheit und Gegenwart.

„Zu meinem Forschungsschwerpunkt bin ich eher zufällig gekommen“, sagt Sonia Combe. Nach ihrer Dissertation über die Wirtschaftsgeschichte der Sowjetunion hatte ein Professor sie gebeten, über die DDR zu arbeiten. „Damals, in den 1970er Jahren, lag die DDR-Forschung in Frankreich allerdings nicht in den Händen von Historikern oder Politologen, sondern von Germanisten. Die meisten von ihnen waren zudem Mitglieder der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF).“ Sonia Combe habe sich weder auf die Seite der Kommunisten stellen wollen noch auf die der Konservativen – ihr ging es als Historikerin um den objektiven und wissenschaftlichen Blick auf  die DDR-Gesellschaft.

„Unvoreingenommener Blick auf die DDR“

„Dieser unvoreingenommene Blick auf die DDR wurde uns wenigen Wissenschaftlern, die wir zwischen beiden Extremen standen, schwer gemacht“, erinnert sich Combe. „Vor der Wende ging es darum, sich der Einflussnahme der Kommunisten auf unsere Forschung zu widersetzen – nach der Wende darum, immer wieder erklären zu müssen, dass der Ansatz, die Geschichte der DDR auf die Geschichte der Stasi zu reduzieren, ebenfalls einseitig ist.“ Dennoch: Als Demokratin, sagt Combe, habe auch sie sich besonders für die Überwachung der Gesellschaft interessiert. Und dafür, was man aus den Fehlern der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft lernen könne.

Auch darum beschäftigt sich die Zeithistorikerin mit der Archivpolitik – ein Thema, das nicht nur für die DDR-Forschung wegen der Einsicht in die Stasi-Akten wichtig ist. „Ich bin für die Öffnung aller staatlich archivierten Unterlagen. Sie sollten nicht nur für Historiker und andere Wissenschaftler zugänglich sein. Jeder Bürger sollte das Recht haben, alle Akten einzusehen, die der Staat über ihn anlegt“, erklärt Combe. „Ich betrachte den freien Zugang zu staatlich gesammelten Daten als ein Menschenrecht moderner Gesellschaften.“

Enge Zusammenarbeit von Dokumentarfilmern und Historikern

Ihre richtungsweisenden Forderungen zur Archivpolitik verbindet Sonia Combe mit dem Aufruf an die Geschichtswissenschaftler, enger mit den Machern von Dokumentarfilmen zusammenzuarbeiten. Diese sieht sie als neue Historikergeneration: „ Dokumentarfilmer haben heute einen viel größeren Einfluss auf die Wahrnehmung von Geschichtsthemen in der Öffentlichkeit als Zeithistoriker. Ihr Vorgehen, historische Begebenheiten durch Filmaufnahmen, Interviews und andere Mittel zu veranschaulichen, ergänzt die komplexe und tiefgründige Forschungsarbeit der Geschichtswissenschaftler bestens.“

Vor allem eine Quelle ist Sonia Combe im Rahmen der dokumentarisch-historischen Arbeit wichtig: Es sind die Zeitzeugen. Auch weil sie oftmals keinen Zugang zu entsprechenden Archiven gehabt habe, gründe ihre Forschung über die Gesellschaft der DDR und der Sowjetunion zu einem großen Teil auf Gesprächen mit Menschen vor Ort, sagt Combe: „Durch Zeitzeugen, durch die sogenannte oral history, wird Geschichte besonders lebendig.“