Springe direkt zu Inhalt

Schülerexperimente mit der Sanduhr

Joachim Haupt von der Arbeitsgruppe Didaktik für Physik hat das Experimentierset „NiliPhEx“ entwickelt

03.11.2015

Lässt sich die Zeit in einer Sanduhr beschleunigen? Beim Experimentierset NiLiPhEx erforschen Schüler die Eigenschaften granularer Materie, zum Beispiel Sand.

Lässt sich die Zeit in einer Sanduhr beschleunigen? Beim Experimentierset NiLiPhEx erforschen Schüler die Eigenschaften granularer Materie, zum Beispiel Sand.
Bildquelle: flickr: SarahSosiak

Was haben eine Sanduhr und eine Packung Müsli mit Physik zu tun? Beide eignen sich hervorragend, um an ihnen die Eigenschaften granularer Materie zu erklären. Darunter versteht man kleine Teilchen, die meist noch mit dem bloßen Auge zu erkennen sind: Zucker, Müsli, Murmeln oder Sand zum Beispiel. Warum Nüsse in einer Müslipackung immer oben liegen und kleine Haferflocken ganz unten lässt sich nämlich physikalisch erklären. „Das Wesen der Physik steckt in der Modellierung“, sagt Joachim Haupt von der Didaktik für Physik der Freien Universität. Der Doktorand hat sich zum Ziel gesetzt, physikalische Forschung ins Klassenzimmer zu bringen und ein Experimentierset entwickelt. Nichtlineare Physik-Experimente, kurz „NiliPhEx“, heißt das Set, das jetzt bundesweit an 60 Schulen getestet wurde.

„Viele Inhalte aus der aktuellen physikdidaktischen Forschung kommen in den Schulen nicht an“, sagt Joachim Haupt. Mit dem von ihm entwickelten Experimentierset will er eine Brücke schlagen zwischen Forschungslabor und Klassenzimmer, mit Beispielen aus dem Alltag der Schüler und guten Umsetzungsmöglichkeiten für die Lehrer. „Welche Themen der Lehrer für seinen Unterricht auswählt, hängt stark davon ab, in welchem Thema er sich sicher fühlt und wie die Strukturen vor Ort sind“, sagt Haupt. Deshalb war es ihm wichtig, dass Lehrer sich mit NiliPhEx schnell vertraut machen können.

In jedem Set sind Stoffe, Materialien und Anleitungen für zwölf verschiedene Experiment-Typen. Sechs davon sind im Klassensatz enthalten, sodass alle Schüler einer Klasse experimentieren können. Insgesamt 96 Einzelexperimente enthält ein Set, das jeweils stolze 30 Kilogramm wiegt. Gefördert wurde dessen Entwicklung von der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall und dem Technologie-Unternehmen Nitto.

Lieber Experimente als Aufgabensets

Joachim Haupt hat Physik und Mathematik auf Lehramt studiert und promoviert nun in Physikdidaktik. Für die Entwicklung seines Sets befragte er zunächst Physiker aus der wissenschaftlichen Praxis zu ihrer aktuellen Forschung. An den Schulen ermittelte er schließlich das Interesse am Thema granulare Materie und welche Form der Umsetzung Physiklehrer bevorzugen – also ob Fortbildung, Aufgabensets, Unterrichtsentwürfe oder Computersimulationen. „Experimente fanden die teilnehmenden Lehrer am ansprechendsten“, sagt Haupt. Nach 5 Monaten Vorbereitung wurde NiliPhEx im Frühjahr deutschlandweit an 60 ausgewählte Schulen verschickt.

Die ersten Praxiserfahrungen mit dem Set hat Joachim Haupt jetzt ausgewertet: „Die Rückmeldungen waren sehr positiv“, sagt er. Dreiviertel der Lehrer setzten das Set in mehr als 500 Unterrichtsstunden ein. Besonders gut kamen die am Alltag der Schüler angelehnten Beispiele an, wie das Bauen von Sandtürmen oder eine beschleunigte Sanduhr. „Im Vergleich zur Teilchenphysik, die man experimentell nur schwer im Klassenraum zeigen kann, eignet sich das Thema Granulate besonders gut für Schülerexperimente“, sagt Haupt.

Exemplarisches Lernen

Und noch etwas spricht für das von ihm gewählte Thema. Denn in der Physik verhält es sich wie in jeder Wissenschaft: Durch Forschung wird ständig neues Wissen generiert – bis es unmöglich scheint, einen Gesamtüberblick zu bekommen. „Deshalb setzen wir in der Didaktik der Physik auf exemplarisches Lernen. Das heißt, dass man Bereiche nicht nur anschneidet, sondern auch einmal tief in einen Themenbereich eintaucht“, sagt Haupt. So erworbene Kompetenzen, wie das Bauen und Überprüfen von Modellen, ließen sich auch auf andere Themenfelder übertragen, so Haupt. Online gibt es daher weitere Texte zu den NiliPhex-Aufgaben, darunter auch Abschlussarbeiten von Studierenden.