Springe direkt zu Inhalt

Vorbereitet auf alle Fälle

Das Center für Digitale Systeme der Freien Universität hat ein System entwickelt, damit Studierende während der Corona-Pandemie Prüfungen von zu Hause aus ablegen können

10.07.2020

„E-Examinations@Home“ soll bis Ende August zwischen 7.000 und 10.000 Prüfungen ermöglichen, die über das Internet am heimischen Rechner bearbeitet werden. Im Bild eine Beispielprüfung.

„E-Examinations@Home“ soll bis Ende August zwischen 7.000 und 10.000 Prüfungen ermöglichen, die über das Internet am heimischen Rechner bearbeitet werden. Im Bild eine Beispielprüfung.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Das Sommersemester 2020 ist ein außergewöhnliches Semester. Innerhalb kurzer Zeit musste fast die gesamte Lehre digitalisiert werden. Nun neigt sich das Semester dem Ende entgegen, die Prüfungsphase steht bevor. Und auch hier werden neue Wege beschritten: Mit wenigen Ausnahmen werden Studierende ihre Prüfungen digital und von zu Hause ablegen können. Damit das gelingen kann, hat ein Team des Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität Berlin ein Konzept entwickelt: „E-Examinations@Home“ soll bis Ende August zwischen 7.000 und 10.000 Prüfungen ermöglichen, die über das Internet am heimischen Rechner bearbeitet werden.

Zwei Probeklausuren wurden bereits durchgeführt, an denen mehrere Hundert Studierende – teilweise von außerhalb Deutschlands – teilgenommen haben. „Es gab keinen einzigen technischen Ausfall“, sagt Alexander Schulz, der beim CeDiS die Implementierung der Distanzprüfungen organisiert. „Das System hat seine Tragfähigkeit unter Beweis gestellt.“

Bei „E-Examinations@Home“ werden die Klausuren auf den Servern des CeDiS in die Prüfungssoftware LPLUS Teststudio 3 übertragen. Studierende können auf die Prüfung über das Internet zugreifen. Dafür müssen sie nur den Safe Exam Browser installieren, eine von der ETH Zürich entwickelte Software. Um möglichst faire Prüfungsbedingungen zu gewährleisten, versetzt das Programm den Computer in einen sogenannten Kiosk-Modus. Dieser verhindert, dass die Prüflinge während der Klausur das Programm wechseln und unzulässige Hilfsmittel hinzuziehen.

Alexander Schulz (l.), Koordination E-Learning & E-Examinations am CeDiS, und Dr. Albert Geukes, CeDiS-Leiter.

Alexander Schulz (l.), Koordination E-Learning & E-Examinations am CeDiS, und Dr. Albert Geukes, CeDiS-Leiter.
Bildquelle: Karoline von Köckritz

Doch obwohl das System auf Herz und Nieren geprüft worden ist, sind Schwierigkeiten grundsätzlich nicht ausgeschlossen. „Bei so vielen Prüfungen kann es bei dem einen oder der anderen zu technischen Schwierigkeiten kommen, allen Vorkehrungen zum Trotz“, sagt Alexander Schulz.

In dem Fall steht im Prüfungsprogramm ein Chat sowie bei größeren Schwierigkeiten eine eigens eingerichtete Telefonleitung zum Team vom CeDiS zur Verfügung. „Sollten große technische Schwierigkeiten auftreten, gilt die Prüfung als nicht angetreten. Den Studierenden darf natürlich kein Nachteil daraus erwachsen, dass ihr Computer nicht funktioniert oder die Internetverbindung abbricht“, sagt Alexander Schulz.

Langjährige Erfahrung

Digitale Prüfungen gibt es an der Freien Universität schon lange: Bereits 2004 hat das CeDiS erste computergestützte Formate getestet. Daraus ist das E-Examination Center entstanden, in dem in normalen, Nicht-Corona-Zeiten bis zu 190 Studierende gleichzeitig Prüfungen am Computer ablegen können – an einem Hygienekonzept, das digitale Präsenzprüfungen unter Bedingungen von Corona ermöglichen soll, wird derzeit gearbeitet.

Diese Erfahrung sei für die Entwicklung eines Distanzprüfungsformats hilfreich gewesen, sagt Albert Geukes, Leiter des CeDiS. „E-Examinations@Home“ ist in knapp fünf Wochen zu einem Gesamtkonzept geworden, das alle technischen, organisatorischen und formalen Kriterien erfüllt“, sagt Albert Geukes.

Viele Instanzen aus der Univerwaltung seien beteiligt gewesen, unter anderem die Personalräte, der IT-Sicherheitsbeauftragte, die Personalabteilung und das Rechtsamt. So soll Rechtssicherheit gewährleistet werden. „Wir haben uns mit Expertinnen und Experten in Prüfungsrecht und Datenschutz an einen – virtuellen – Tisch gesetzt und sie um Einschätzungen gebeten. Sie stufen unser Konzept als rechtlich belastbar ein“, sagt Alexander Schulz.

Eidesstattliche Erklärung statt Proctoring

Anders als an manchen anderen Universitäten kommt bei den „E-Examinations@Home“ an der Freien Universität kein sogenanntes Proctoring zum Einsatz – die Kontrolle der Prüfungsteilnehmer per Web-Kamera. Es sei noch unklar, ob diese Methode datenschutzrechtlich zulässig sei, sagt Alexander Schulz. Stattdessen müssen die Studierenden eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass sie die Prüfung ohne fremde Hilfe absolviert haben.

Sollte es aber Hinweise auf Betrug geben, kann über die Prüfungssoftware unter anderem nachgeprüft werden, zu welchem Zeitpunkt die Studierenden welche Aufgaben bearbeitet haben – unerlaubte Gruppenarbeiten können so aufgedeckt werden. „Wir gehen aber davon aus, dass die Studierenden aufrichtig sind. Wir stellen sie nicht unter Generalverdacht“, betont Alexander Schulz.

Bei geschlossenen Antwortformaten, etwa Multiple-Choice-Fragen, können die Prüfungen automatisch ausgewertet werden. Offene Frageformate müssen Lehrende selbst bewerten, doch auch das ist im digitalen Format häufig sehr viel effizienter möglich, sagt Alexander Schulz. „Allein durch die bessere Lesbarkeit sparen die Lehrenden in der Bewertungsphase etwa 30 Prozent der Zeit ein, manchmal sogar mehr.“

Freiwillige Entscheidung: digitale oder Präsenzprüfung

Die Teilnahme an den digitalen Distanzprüfungen ist grundsätzlich freiwillig: Die Studierenden haben stets auch die Wahl, die Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt abzulegen, wenn Präsenzprüfungen wieder möglich sind. Andererseits soll aber niemand wegen der Pandemie in seinem Studium pausieren müssen. „Die Studierenden sollen auch in dieser schwierigen Zeit auf ihren Abschluss hinarbeiten können“, sagt Alexander Schulz.

Während die meisten Prüfungen in diesem Semester in Distanz stattfinden werden – als schriftliche „E-Examinations@Home“ oder mündliche Prüfungen per Videokonferenz – gibt es auch einige Fächer, die eine Präsenz notwendig machen, weil sie in der Prüfungsordnung festgeschrieben ist. Dazu gehören die Staatsexamina in Jura, Pharmazie und Veterinärmedizin sowie praktische Prüfungen, etwa in den Naturwissenschaften.

Mit dem System gewappnet

Das wichtigste Ziel: für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. „Wir wollen mit E-Examinations@Home ein Konzept bereithalten, das unabhängig von der aktuellen Lage funktioniert – ganz gleich, ob es einen erneuten Lockdown gibt, wir uns am See treffen oder sogar wieder in Clubs feiern können“, sagt Alexander Schulz.

Das sei ein Grund, warum digitale Distanzprüfung auch nach der Corona-Pandemie vermutlich als ein Prüfungsszenario neben anderen bestehen bleiben werde, ergänzt Albert Geukes, „Auch wenn wir sehr hoffen, dass sich die Lage bald wieder entspannt“, sagt er weiter, „wollen wir auch auf die Situation vorbereitet sein, falls das nicht so ist.“