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„Eine steile Lernkurve“

Rund 125 Angehörige der Freien Universität diskutierten über ihre Erfahrungen im digitalen Sommersemester

17.07.2020

Wie sollen Lehre und Lernen an der Freien Universität gestaltet sein? Damit setzt sich die Hochschule in einem breit angelegten partizipativen Prozess auseinander. Das Ziel: eine Vision für die Zukunft von Studium und Lehre zu entwickeln.

Wie sollen Lehre und Lernen an der Freien Universität gestaltet sein? Damit setzt sich die Hochschule in einem breit angelegten partizipativen Prozess auseinander. Das Ziel: eine Vision für die Zukunft von Studium und Lehre zu entwickeln.
Bildquelle: Elias Domsch

„Kein Semester wie die anderen“ – unter diesem Motto fand Ende Juni eine ausschließlich digital ausgerichtete Diskussion im Format eines World Cafés statt. Rund 125 Studierende, Professorinnen und Professoren sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Wissenschaft, Verwaltung und anderen Bereichen der Hochschule tauschten sich aus über Herausforderungen, die sie im zurückliegenden digitalen Sommersemester bewältigt haben – und über Erfahrungen, die die Zukunft von Studium und Lehre an der Freien Universität prägen könnten.

Musik zur Begrüßung? Mark Knopflers Klassiker „What It Is“ zu Beginn einer universitären Videokonferenz? Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich an diesem Montagvormittag über Webex in das digitale Event „Kein Semester wie die anderen“ eingewählt hatten, wähnten sich möglicherweise kurzfristig im falschen Film.

Doch mit dieser musikalischen Überbrückung gelang es dem Team der Organisatoren rund um den Vizepräsidenten für Studium und Lehre, Professor Hauke Heekeren, die Anfangsstimmung aufzulockern: Schließlich dauerte es ein paar Minuten, bis sich alle rund 125 Studierenden, Professorinnen und Professoren sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Wissenschaft, Verwaltung und anderen Bereichen der Hochschule digital eingefunden hatten.

Tischgastgeberin: Luca Wirth ist stud. Vertreterin des FB-Rats und des Mentoring-Ausschusses Philosophie und Geisteswissenschaften, Vorsitzende der Ausbildungskommission am Fachbereich und stud. Vertreterin in der Kommission für Lehrangelegenheiten.

Tischgastgeberin: Luca Wirth ist stud. Vertreterin des FB-Rats und des Mentoring-Ausschusses Philosophie und Geisteswissenschaften, Vorsitzende der Ausbildungskommission am Fachbereich und stud. Vertreterin in der Kommission für Lehrangelegenheiten.
Bildquelle: Privat

Sie wollten über ein Semester diskutieren, das wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie im Frühjahr und der Schritte zur Eindämmung auch an der Freien Universität verlaufen ist wie kein anderes zuvor.

Diskussion an 16 digitalen Tischen

Analog zu diesem Semester ist auch dieses Event, bei dem eine solch große Runde zwei Stunden lang diskutieren soll, eine große Herausforderung – mit einem digitalen World Café betrat die Freie Universität schließlich Neuland. Denn durch welchen virtuellen Kniff können jene Tische ersetzt werden, an denen bei einer Diskussion in einem traditionellen – also analogen – World Café Ideen ausgetauscht und zusammengetragen werden?

Das Organisationsteam ließ die Diskussion kurzerhand an 16 digitalen Tischen stattfinden, einer davon wurde in englischer Sprache moderiert. Nach einem kurzweiligen Interview mit Vizepräsident Hauke Heekeren im digitalen Plenum setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an ihren jeweiligen „Tisch“, das heißt, sie „entschwanden“ in ihre virtuellen Einzelräume.

Mit Menschen aus verschiedenen Bereichen der Universität im Gespräch

Die Diskussionen wurden von Vertreterinnen und Vertretern aller Gruppen der Hochschule moderiert, denn hier wie im Plenum trafen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ungeachtet ihrer Rolle an der Freien Universität, zusammen. Das kam gut an, wie aus der Evaluation des Events hervorgeht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer heben darin als besonders positiv hervor, dass sie mit Menschen aus allen Statusgruppen und Fachbereichen ins Gespräch gekommen seien.

Dreimal wechselten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Plenum an ihren Tisch und zurück ins Plenum – eine technische Herausforderung, die mithilfe des Supports von CeDiS gelang.

Erfahrungen und Ausblick

Die drei Runden in den Kleingruppen standen jeweils unter einem Motto: Welche Erfahrungen haben wir in diesem Sommersemester 2020 gemacht? Was haben wir erreicht, welche Herausforderungen gab und gibt es? Was nehmen wir mit ins Wintersemester?

Der Wechsel zwischen den Räumen habe mühelos geklappt, resümierte Isabell Lisberg-Haag, Geschäftsführerin der Agentur TRIO MedienService, die die Organisation und Moderation des Events unterstützte – niemand sei während der Veranstaltung „verloren gegangen“.

Zu Beginn gab es allerdings kleine Reibungsverluste: „Alle mussten sich zunächst in das Format einfinden“, beobachtete Luca Lil Wirth, Master-Studentin am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften und studentische Hilfskraft am Institut für Deutsche Philologie.

Sie hatte die Rolle einer Tischgastgeberin übernommen. „Wir wollten voneinander natürlich wissen, aus welchen Bereichen die jeweils anderen kommen; mit den technisch bedingten Verzögerungen war mit der Begrüßung und Vorstellung die erste Runde auch fast schon vorbei. Mit jeder Runde lief es jedoch besser, sodass wir insgesamt Gedanken weiterentwickeln konnten, die mit jedem Wiedersehen ausgefeilter wurden.“ Es sei für sie überraschend gewesen, wie gut die Diskussion „auch im digitalen Raum anrollte: Von allen Seiten bestand große Bereitschaft und Interesse, miteinander in den Austausch zu treten“.

Breites Themenspektrum in den Diskussionen

Die Themen und Ergebnisse der Diskussionen in den Räumen, die im Plenum jeweils kurz für alle anderen präsentiert wurden, waren tatsächlich vielfältig und spiegelten das zurückliegende „Kreativsemester“ als Folge der Corona-Pandemie wider: Rund 45 Whiteboards füllten sich mit Herausforderungen der digitalen Lehre: Es ging um Chancengleichheit und Probleme für den wissenschaftlichen Austausch in virtuellen Lehrveranstaltungen infolge fehlender Interaktion und nonverbaler Kommunikation, zu geringem persönlichem Austausch sowie ausbleibendem Feedback.

Debattiert wurde über das Maß an Belastung, den bewältigten Aufwand für den schnellen Wechsel von Arbeitsprozessen in die komplett online angebotene Lehre binnen weniger Tage, die Möglichkeiten und Grenzen von Konferenzprogrammen wie Webex und technische Schwierigkeiten von Studierenden mit veralteter Hardware.

Diskutiert wurde über den Spielraum zwischen Selbstdisziplin und gewachsenen Freiräumen, über die wechselseitige Unterstützung und Wertschätzung zwischen Lehrenden und Studierenden, über Teamgeist, Zusammenhalt und Vertrauen, über den schmalen Grat zwischen Chaos und Improvisation. Präsentiert wurde Erfindungsreichtum wie die Nutzung von Alltagsgegenständen im Homeoffice für physikalische Experimente.

Erörtert wurden ein Gewinn an Lebensqualität durch Zeitersparnis, aber auch ein zu starker Einzug des Universitätslebens ins Private. Ein Teilnehmer bescheinigte der Freien Universität und allen Angehörigen für das digitale Sommersemester eine „steile Lernkurve“, fragte aber auch: „Wie kann dieses Wissen verankert werden?“

Folgeveranstaltung geplant: Kick-off voraussichtlich im November

Alle Beteiligten zeigten sich angetan von der aktiven Teilnahme und der lebhaften Diskussion; gleichwohl – so ist der Evaluation zu entnehmen – wäre mehr Zeit in den jeweiligen Diskussionsrunden schön gewesen, gerne auch in einer Folgeveranstaltung.

Die wird es geben, denn voraussichtlich im November kann das ursprünglich für Ende April geplante und coronabedingt verschobene „Kick-off“ stattfinden, mit dem der universitätsweite Strategieprozess „Studium und Lehre 2030. Zukunft gemeinsam gestalten“ offiziell eröffnet wird.

Viele der ursprünglich für die April-Veranstaltung angemeldeten Universitätsangehörigen waren an dem digitalen Event beteiligt. Und viele werden, so ist zu hoffen, auch am „Kick-off“ über die Zukunft von Studium und Lehre im November teilnehmen. Denn das wurde der anwesenden Universitätsgemeinschaft an diesem Montag klar: in dem Thema ist Musik drin.