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Abruptes Ende

Seit Mitte März ist Ben Heiden wieder in Berlin-Wedding – in seiner letzten Post aus… Birmingham hat er das Ende seines Aufenthalts in Großbritannien Revue passieren lassen

29.05.2020

Zurück am Alexanderplatz: Das Ende seines Auslandsstudiums in Großbritannien hatte sich Ben Heiden anders vorgestellt.

Zurück am Alexanderplatz: Das Ende seines Auslandsstudiums in Großbritannien hatte sich Ben Heiden anders vorgestellt.
Bildquelle: privat

Abrupt und unerwartet ist mein Abenteuer im Land der Queen zu Ende gegangen. Die Uni zu, die Klausuren abgesagt, der Premierminister in Intensivbehandlung: Damit hätte kein Brite vor ein paar Wochen gerechnet.

Wir Studierenden befanden uns in den letzten Vorlesungswochen unseres Unijahres. Wir freuten uns auf die Osterferien und darauf, das Ende des Terms und die Abgabe der letzten Hausarbeit gebührend zu feiern. Mein Plan war, nach einem Oster-Besuch in Berlin für die Klausuren nach Birmingham zurückzukehren, um mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen das Studienjahr abzuschließen. Von unseren Studien-Credits trennte uns nur noch so viel wie Liverpool vom ersten Premier-League-Titel in 30 Jahren. (Für alle, die keine Fußballfans sind: Es hätte schon eine Katastrophe gebraucht, um Liverpool den Vorsprung zu nehmen. Nur die Corona-Pandemie konnte den Lauf der Mannschaft aufhalten.)

Doch dann ging plötzlich alles ganz schnell: Die Lage in Europa spitzte sich zu, die ersten Grenzen wurden geschlossen. Bilder aus Italien zeigten überfüllte Krankenhäuser, und Jens Spahn schien nonstop vor der Kamera zu stehen. Der Ernst der Situation war ziemlich eindeutig.

Nur England blieb entspannt, vor allem, weil die britische Regierung zögerte, und Premierminister Johnson weiter fleißig Hände schüttelte. An dem Wochenende, als Berlin schon Kneipen und Fitnessstudios schloss, gingen die Partys in Birmingham weiter. Es wurde getanzt („Herd immunity, mate!“). Es wurde Corona™-Bier getrunken (“Funny, innit?”). Die Studentenunion warb sogar mit einem Rabatt auf Getränke, um ihre Räumlichkeiten trotz möglicherweise aufkommender Bedenken zu füllen (“If you have any symptoms, please stay home!“).

Drei Tage später gab es den ersten bestätigten Infektionsfall an der Uni. Inzwischen ist der damals erkrankte Professor tot. Zur selben Zeit änderte Großbritannien den Kurs. Plötzlich gab es auch dort Ausgangsbeschränkungen. Der Campus wurde für alle geschlossen. Aldi hatte kein Klopapier mehr. Die Krise war auch in Birmingham angekommen.

„Es fühlt sich surreal an, dass das alles plötzlich vorbei war.“

Nach dreimaligem Umbuchen brachte mich am 17. März ein Flieger von London aus zurück in die deutsche Hauptstadt. Zeit zum Verabschieden blieb nicht wirklich. Seit September war ich in England gewesen. In dieser Zeit habe ich tolle Menschen getroffen, einiges erlebt und die britische Lebensweise lieben gelernt. Es fühlt sich surreal an, dass das alles plötzlich vorbei war.

Inzwischen konnte ich etwas Abstand gewinnen und stecke schon tief im Dahlem‘schen Kreativsemester. Mein erstes Reiseziel in der Post-Pandemie-Welt steht aber schon fest. Auch wenn es sicher nicht die schönste Stadt Englands ist, hat Birmingham einen Platz in meinem Herzen erobert, und meine Erlebnisse in der Second City werde ich so schnell nicht vergessen.

Seit März hat sich auch in England einiges geändert. Der Ernst der Lage wurde erkannt, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des National Health Service (NHS) sind verdientermaßen neue Nationalhelden. Wer Videos wie dieses sieht, versteht warum – und versteht hoffentlich auch Sinn und Berechtigung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie überall auf dieser Welt. Ein von Verschwörungstheoretikern aufgesetzter Aluhut ist kein politisches Statement, sondern lediglich ein Zeichen gegen Solidarität und ein Beweis für den eigenen Egoismus.

Weitere Informationen

Das war die letzte „Post aus…Birmingham“ von Ben Heiden! Er war einer von elf Autorinnen und Autoren, die von ihren Auslandsstudienaufenthalten für campus.leben berichtet haben.

Alle Beiträge von Ben Heiden finden Sie hier auf Deutsch und auf Englisch.