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Zwischen freien Plätzen und Überbuchung

Informatiker der Freien Universität tüfteln für die Lufthansa ein neues Prognosesystem für Buchungen aus

Nr. 20/2000 vom 26.01.2000

Der lange vorher gebuchte Flug kann doch nicht angetreten werden – ein Anruf beim Reisebüro genügt, um einen anderen Termin zu wählen. Oder der Passagier hat einfach verschlafen und das Personal am Flughafen verhilft ihm zu einem späteren Flug. Was allerdings auch vorkommt: Trotz Buchung bleibt der Passagier am Boden zurück; er wurde Opfer der Überbuchungspraxis, mit der sich die Fluggesellschaften vor allzu viel Verlust durch umgebuchte Plätze schützen wollen.

Um den Spagat zwischen leeren Sitzen und zurückgewiesenen Fluggästen in Zukunft möglichst für alle zufriedenstellend zu meistern, greift die Lufthansa Systems auch auf das Knowhow von Informatikern an der Freien Universität Berlin zurück. Denn bei den Lufthansa-Flügen Frankfurt-Berlin beispielsweise blieb im Jahresdurchschnitt 1999 von tausend Passagieren, die gebucht hatten, immerhin einer mehr oder weniger verärgert zurück; andererseits werden bei Linienflügen rund zehn Prozent der gebuchten Flüge gar nicht angetreten, wissen die Lufthansa-Planer aus Erfahrung.

Eine Gruppe von FU-Informatikern um Professor Raúl Rojas arbeitet nun daran, die Wahrscheinlichkeit für das Auftauchen eines Passagiers allein aus seinen buchungstechnischen Daten so genau als möglich zu ermitteln. Zu diesen Daten gehören etwa die Buchungsklasse, die Dauer des Fluges und der Buchungstag. "Persönliche Daten werden nicht verwendet", versichert Rojas. Die Daten werden mit sogenannten neuronalen Netzen statistisch analysiert – einem Berechnungssystem also, das "lernfähig" ist, das heißt für neue Daten nicht nur Voraussagen liefert, sondern sie zugleich als weitere Erfahrungsdaten für künftige Schätzungen in den Berechnungsmodus integriert. Außerdem greifen die Informatiker für die Entwicklung eines möglichst optimalen Systems auch auf Entscheidungsbäume – also einfache Ja-Nein-Abfragen – zurück.

Tests haben schon gezeigt, daß das neu entwickelte System bessere Vorhersagen liefert als die bisher gebräuchliche Abschätzungsmethode. "Eine wichtige Erkenntnis aus dem Projekt ist, daß keine Prognosemethode isoliert als beste zu betrachten ist", erklärt Professor Rojas. Das beste Resultat werde von einer Kombination verschiedener Vorhersagemethoden erzielt.

In etwa zwei Jahren sollen die Lufthansa-Computer mit dem neuen Prognose- und Ertragsoptimierungssystem ausgerüstet sein.

Weitere Informationen

Prof. Raúl Rojas, Institut für Informatik der FU Berlin, Tel.: 030/838-75100