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Mit den eigenen Waffen besiegt – neue Verfahren gegen Krankheitserreger entwickelt

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, der Universität zu Lübeck und des Institute for Research in Biomedicine in Barcelona bauen Wirkstoffe gegen ein Virus mithilfe von dessen Eiweiß zusammen

Nr. 318/2016 vom 28.09.2016

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, der Universität zu Lübeck und des Institute for Research in Biomedicine (IRB) in Barcelona haben ein neues Verfahren für die Suche nach potenziellen antiviralen Wirkstoffen in der Arzneimittelforschung entwickelt. Den Forscherinnen und Forschern um Prof. Dr. Jörg Rademann vom Institut für Pharmazie der Freien Universität gelang es, die natürlichen Strukturelemente eines Virus für den Aufbau von Wirkstoffmolekülen gegen dieses Virus zu nutzen. Das Verfahren wurde erstmals am Beispiel von Eiweißmolekülen von Enteroviren erfolgreich angewandt. Die Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des Fachjournals Nature Communications publiziert.

„Wir nutzen die Eiweißmoleküle des Krankheitserregers quasi als eine Gussform, um damit Hemmstoffe herzustellen“, erläutert Prof. Dr. Jörg Rademann. Das Virus selbst wähle aus einer Sammlung von Bausteinen die am besten passenden aus und füge sie zu einem Wirkstoff zusammen. „Das Verfahren basiert darauf, dass wir Bausteine von potenziellen Wirkstoffen so aktiviert haben, dass sie sich mit den passenden Bruchstücken zu einem wirksamen Hemmstoff der Eiweiße zusammenfügen. Die Bausteine lernen dabei gewissermaßen von der Form des Eiweißmoleküls, um die am besten passende Kombination zu finden.“

Die für die Studie genutzten Enteroviren treten in vielen Variationen auf. Sie verursachen in den meisten Fällen nur einen Durchfall oder eine Erkältung; bei einem Teil der Patienten – insbesondere bei kleinen Kindern – kommt es jedoch zu einem schweren Verlauf, der zum Tod führen kann. Zugelassene Wirkstoffe gegen die Erreger gibt es bislang nicht, und die Wirkstoffsuche ist durch das häufige Auftreten von neuen Virusvarianten erschwert. „Arzneistoffsuche gleicht eigentlich der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Aus Abertausenden chemischen Substanzen werden die aktiven Wirkstoffe durch ein automatisiertes Testverfahren herausgesucht. Mit unserem alternativen Verfahren können wir diesen Prozess erheblich vereinfachen“, betont Jörg Rademann. Es sei von besonderem Interesse, dass die von den Virusproteinen erzeugten Hemmstoffe, die im Rahmen eines europäischen Konsortiums gefunden wurden, eine breite Wirkung gegen zahlreiche verwandte Virusproteine aufwiesen. „Unsere Arbeitsgruppe hat zwar erst einen Startpunkt für neue Arzneimittel gefunden, aber wir sind optimistisch, dass unser Verfahren auch bei Eiweißmolekülen anderer Krankheitserreger anwendbar ist“, unterstreicht der Chemiker. Von besonderem Interesse seien dabei multiresistente Krankheitserreger, die nun im Fokus der neuen Methode stehen.

Literatur (open access):

Becker, D. et al. "Irreversible inhibitors of the 3C protease of Coxsackie virus through templated assembly of protein-binding fragments", in: Nature Communications, Doi:10.1038/NCOMMS12761 (2016).

Weitere Informationen

Prof. Dr. Jörg Rademann, Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin,
Telefon: 030 / 838-53272, E-Mail: joerg.rademann@fu-berlin.de