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Rhythm Is It!

Literaturwissenschaftler der Freien Universität und Informatiker der Universität Hamburg entwickeln in einem gemeinsamen Projekt einen Gedichtrhythmus-Erkenner

Nr. 438/2016 vom 14.12.2016

Mindestens 80 Prozent der modernen und postmodernen Gedichte haben weder einen Reim noch ein festes Metrum wie etwa den Jambus, Trochäus oder Hexameter. Aber sind sie deshalb frei von rhythmischen Strukturen? US-amerikanische Lyrik-Theoretiker behaupten das Gegenteil: Ihnen zufolge haben moderne Dichter wie Walt Whitman, Imagisten wie Ezra Pound, Beatpoeten wie Alan Ginsberg oder heutige Slam-Poeten eine „postmetrische" Versform entwickelt, die von Prosarhythmen, Alltagssprache oder Musikstilen wie Jazz oder HipHop geprägt ist. Das gemeinsame Projekt „Rhythmicalizer. A digital tool to identify free verse prosody" (Rhythmisierer. Ein digitales Instrument, um freie Versrhythmen zu identifizieren“) von Privatdozent Dr. Burkhard Meyer-Sickendiek, Literaturwissenschaftler der Freien Universität Berlin, und Dr. Timo Baumann, Informatiker der Universität Hamburg, wird von der VolkswagenStiftung von Januar 2017 an über einen Zeitraum von drei Jahren mit 450.000 Euro im Rahmen der Initiative „Mixed Methods“ in den Geisteswissenschaften" gefördert.

Das Team aus Informatikern und Literaturwissenschaftlern der beiden Universitäten will mit Untersuchungsmethoden aus der Informatik eine digitale Analyse rhythmischer Muster in Gedichten erstellen. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer Methode und einer Software zur digitalen Prosodie-Erkennung (Rhythmus-Erkennung) und formalen Korpusanalyse (post-)moderner Hörgedichte. Partner des Projekts sind „lyrikline“ und „Pennsound“, zwei der wichtigsten Websites für deutsche und amerikanische Hörgedichte.

Traditionelle Verslehren verwendeten metrische Muster wie etwa den Pentameter oder den Hexameter zur Identifikation literarischer Genres wie der Elegie oder literaturgeschichtlicher Einflüsse wie etwa dem der griechischen Lyrik auf die deutsche Lyrik des 18. Jahrhunderts. Die Analyse rhythmischer Muster soll es künftig ermöglichen, poetische Formen eigen-rhythmischer Lyrik oder den literarischen Einfluss der US-amerikanischen free verse prosody auf die deutschsprachige Lyrik der (Post-)Moderne präzise zu erfassen. Langfristig soll das interdisziplinär entwickelte Werkzeug auf lyrikline.org für die universitäre Lehre und Forschung nutzbar sein.

Weitere Informationen

Privatdozent Dr. Burkhard Meyer-Sickendiek, Freie Universität Berlin, Institut für deutsche und niederländische Philologie, Telefon: 030 / 838-57841, E-Mail: burkhard.meyer-sickendiek@fu-berlin.de

Im Internet

www.rhythmicalizer.net

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