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„Surfenden“ Viren auf der Spur

Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligt am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin neue Nachwuchsgruppe im Emmy-Noether-Programm

Nr. 329/2017 vom 22.11.2017

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat eine neue Nachwuchsforschergruppe im Emmy-Noether-Programm am Institut für Chemie und Biochemie bewilligt. Der Biophysiker Dr. Stephan Block erhält dafür in den kommenden Jahren insgesamt bis zu 1,3 Millionen Euro. Die Gruppe wird neue Konzepte erarbeiten und anwenden, um den Wirkmechanismus und die Effizienz neuer Virushemmer zu ermitteln.

Im Zentrum des Forschungsprojektes „Quantifizierung multivalenter Wechselwirkungen am Beispiel von Virus-Rezeptor-Wechselwirkungen“ stehen Viren, die meist mehrere Zielstrukturen – sogenannte Rezeptoren – auf der Oberfläche von Zielzellen parallel binden müssen, um in die Zelle eindringen und eine Infektion auslösen zu können. Bislang existiert kein Messverfahren, das es unter physiologischen Bedingungen erlaubt, die Anzahl der gebundenen Rezeptoren auf der Ebene einzelner Viren zu ermitteln. Diese fehlende Möglichkeit einer Analyse begrenzt das Verständnis von Anbindungs- und Ablöseprozessen von Viren und deren Störung durch Virusinhibitoren enorm. Stephan Block konnte, mit Unterstützung durch die Focus Area NanoScale der Freien Universität Berlin und den DFG-Sonderforschungsbereich „Multivalenz als chemisches Organisations- und Wirkprinzip: Neue Architekturen, Funktionen und Anwendungen“ (SFB 765), einen Lösungsansatz entwickeln, der derart innovativ und vielversprechend ist, dass die weitere Forschung durch die DFG im Rahmen des Emmy Noether-Programms gefördert wird. „Ohne die exzellenten Strukturen zur Nachwuchsförderung, die unter anderem innerhalb der Focus Areas oder den Sonderforschungsbereichen an der Freien Universität Berlin aufgebaut wurden, wäre ein derart schneller Erfolg schwer möglich gewesen“, betont der Berliner Physiker.

In dem Forschungsvorhaben wird die Anbindung von zuvor farblich markierten Viren an künstlichen Zellmembranen – sogenannten Lipiddoppelschichten – mithilfe neuester Mikrokopieverfahren studiert. Die Lipiddoppelschicht, die unter anderem Rezeptoren enthält, an denen sich Viren je nach Art binden, wird auf einer Glasoberfläche erzeugt. Die Schicht wird mittels interner Totalreflexionsfluoreszenzmikroskopie (engl. total internal reflection fluorescence microscopy, TIRFM) untersucht, die lediglich die Viren abbildet, die weniger als 200 Nanometer (Milliardstel Meter) von der Lipiddoppelschicht entfernt sind. Wenn sich die Rezeptoren innerhalb der Lipiddoppelschicht bewegen können – dazu sind lipidgebundene Rezeptoren meist in der Lage – so zeigt sich, dass sich auch die Viren, trotz ihrer Anbindung an die künstliche Zellmembran, seitwärts bewegen können. Sie können also quasi auf der Lipiddoppelschicht „surfen“. Das TIRFM-Verfahren erlaubt es, diese Bewegung mit Auflösungen im Nanometerbereich zu vermessen. Stephan Block konnte zeigen, dass die Fähigkeit eines Virus‘ zur Seitenbewegung mit steigender Anzahl an gebundenen Rezeptoren abnimmt, sodass die Anzahl der Virus-Rezeptor-Bindungen an der Oberfläche von Zielzellen im Prinzip indirekt über eine Messung der Mobilität dieses Virus‘ ermittelt werden kann. Dieses Verfahren wird in Stephan Blocks Nachwuchsgruppe derzeit erweitert und eingesetzt, um die Bindungsbewegung von Viren in Abhängigkeit der Anzahl ihrer Virus-Rezeptor-Bindungen zu quantifizieren.

Stephan Block studierte Physik und promovierte in Angewandter Physik an der Universität Greifswald. Nach einem Postdoktorat an der Universitätsklinik in Greifswald wechselte er 2013 in die Sektion Biophysik der Technische Hochschule Chalmers (Göteborg, Schweden), wo er mit Fredrik Höök Methoden zur Quantifizierung multivalenter Wechselwirkungen entwickelte. Seit 2016 leitet er eine Nachwuchsgruppe am Institut für Chemie und Biochemie, die diese Methoden weiterentwickelt und an Viren anwendet.

Weitere Informationen

Informationen zum Emmy-Noether-Programm

Das Emmy-Noether-Programm der DFG erlaubt herausragenden promovierten Forscherinnen und Forschern durch eine meist fünfjährige Förderung eine eigene Nachwuchsgruppe aufzubauen und zu leiten, um so die Befähigung zum Hochschullehrer beziehungsweise zur Hochschullehrerin zu erwerben. Ziel ist es, einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbstständigkeit zu eröffnen.

www.dfg.de/emmy_noether

Kontakt

Dr. Stephan Block, Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Chemie und Biochemie, Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 838 60071, E-Mail: stephan.block@fu-berlin.de