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Zukunft in den Sternen

Wie Science und Fiction gemeinsam die Vision von der Reise in den Weltraum vorantrieben

17.04.2012

Zukunft in den Sternen: Wie Science und Fiction gemeinsam die Vision von der Reise in den Weltraum vorantreiben.

Zukunft in den Sternen: Wie Science und Fiction gemeinsam die Vision von der Reise in den Weltraum vorantreiben.
Bildquelle: NASA/Ames Research Center

Mehr als hundert Jahre bevor Apollo 11 die Grenze zwischen Erde und Weltraum überquerte und Neil Armstrong 1969 den ersten Fuß auf die Mondoberfläche setzte, hatte Jules Verne in seinem 1865 veröffentlichten Roman „Von der Erde zum Mond“ die Reise dorthin erzählerisch vorweggenommen.

Der Weltraum – kulturhistorisch

„Das Geschoss hat sein Ziel nicht erreicht. Es flog am Mond vorbei, aber so nahe, dass es von seiner Anziehungskraft festgehalten wird. Seine bis dahin gradlinige Bewegung hat sich in eine gekrümmte gewandelt.“ Am Ende des ersten Teils von Jules Vernes fiktionaler Reise gerät die mit zwei Amerikanern, einem Franzosen und zwei Hunden besetzten Raketengeschoss in eine scheinbar ausweglose Lage. „Konnte die Menschheit ihnen zu Hilfe kommen? Nein, das sicher nicht, denn sie hatten sich außerhalb der Menschheit gestellt und die Grenzen überschritten, die Gott den Geschöpfen der Erde setze.“

Der französische Schriftsteller war einer der Ersten, der die Utopie von der Mondfahrt fiktional in die Tat umsetzte – lange bevor echte Raketen mit Hunden oder Menschen an Bord in den Weltraum abhoben.

„Die Welt war damals weniger zukunftsbesessen, aber deutlich utopiefreundlicher als heute“, sagt Alexander C.T. Geppert, der an der Freien Universität Berlin untersucht, wie sich europäische Vorstellungen von Kosmos und außerirdischem Leben im 20. Jahrhundert zusammen mit der voranschreitenden Erschließung des Weltraums verändert haben und dieser dabei imaginär kolonialisiert wurde.

Seit Kopernikus 1543 die astronomische Neuzeit einläutete und die Erde als das Zentrum des Sonnensystems demontierte, ist mit unseren Kenntnissen vom Weltraum auch der Drang gewachsen, die Grenzen unseres Planeten zu überwinden.

Der Erste, der den Mond mit einem Fernrohr beobachtete, war 1609 der Italiener Galileo Galilei. Fortan blieb der natürliche Satellit der Erde, der täglich mal mehr, mal weniger sichtbar am Himmel leuchtet, das außerirdische Erkundungs- und Reiseziel Nummer eins: sowohl in der Fantasie von Schriftstellern und Filmemachern als auch in der Welt der Wissenschaftler. Seite an Seite mit Weltraum-Enthusiasten und Ingenieuren forschten und tüftelten sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer detaillierter daran, wie man mit Raketen die irdische Schwerkraft überwinden und zum Mond fliegen könnte.

Grenzen zwischen Science und Fiction verschwimmen

Der Physiker Herrmann Oberth entwarf 1917 eine mit Ethanol und Sauerstoff betriebene Rakete. Sechs Jahre später fasste er die Grundlagen zum Bau von Weltraumraketen in seinem Buch Die Rakete zu den Planetenträumen zusammen – und zeigte sich überzeugt, dass man mit den existierenden Technologien bereits Maschinen bauen könnte, die höher steigen als die Erdatmosphäre reicht.

„Die Zusammenarbeit von Schriftstellern und Filmemachern mit Experten der frühen Weltraumbewegung ließ die Grenzen zwischen Science und Fiction von Anfang an verschwimmen“, sagt Geppert, der seit 2010 eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität leitet, benannt nach der deutschen Mathematikerin Emmy Noether und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Ohne Weltkrieg keine Mondlandung

Angefacht durch technisch geprüfte Fantastereien erschien die Vorstellung von einem Weltraumflug bereits in den 1920er Jahren einer breiten Öffentlichkeit recht wahrscheinlich. Für Fritz Langs letzten Stummfilm Frau im Mond, der 1929 im Berliner UFA-Palast Premiere feierte, berief die UFA extra einen wissenschaftlichen Beirat, an dessen Spitze jener Herrmann Oberth stand – der Begründer der Raketentechnik. Den Start seines Raketenschiffs Friede inszenierte Fritz Lang, ohne dass er auf reale Vorbilder zurückgreifen konnte. Er ließ die letzten zehn Sekunden bis zum Start spannungsvoll herun- terzählen. Was später als „Countdown“ zum festen Bestandteil eines jeden realen Raketenstarts wurde, war für Fritz Lang noch ein fiktionaler Kniff, um das Stummfilm- Publikum aufs Abheben der Rakete vorzubereiten.

Während des Zweiten Weltkriegs und auch anschließend in der Zeit des Kalten Krieges wurden enorme Summen für die Rüstung ausgegeben. Raketeningenieuren war es nun möglich, ihre Visionen tatsächlich in die Tat umzusetzen. „Ohne die Angst, dass die Sowjets die Amerikaner überholen würden und umgekehrt, wären längst nicht solche ungeheuren Ressourcen in die Raketenentwicklung und Weltraumforschung investiert worden“, sagt Geppert. Nicht die Wissenschaft, sondern das nationale Prestige stand im Vordergrund. In den 1980er Jahren, als Oberth schon mehrere Ehrendoktorwürden und das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte, wurde ihm noch eine andere Ehre aus der Film- und Fernsehwelt zuteil. In der Science-Fiction- Serie Star Trek benannte man eine ganze Raumschiffklasse der Föderation nach ihm.

Fiktional richtete sich der Blick nicht nur zum Mond und ins entfernte All; auch die Begegnung mit außerirdischen Wesen wurde literarisch und filmisch immer wieder thematisiert und neu durchgespielt. Doch nicht nur das: Nur wenige Jahre, nachdem auch in Europa die ersten UFOs gesichtet worden waren, traten die sogenannten Kontaktler auf den Plan: Menschen, die behaupteten, direkten Kontakt zu Außerirdischen gehabt zu haben. Von der Öffentlichkeit weitgehend als Spinner verlacht, schlossen sie sich zusammen und organisierten große internationale Kongresse mit Hunderten von Teilnehmern, so etwa 1960 in Wiesbaden. „Hier zeigt sich die transzendente Aufladung der europäischen Astrokultur“, sagt Geppert.

Die Hoffnung auf eine Begegnung mit außerirdischen Zivilisationen – dem radikal Anderen des 20. Jahrhunderts – suchte sich immer neue Formen. „Das Gefühl des möglichen Alleinseins im Universum scheint nur schwer erträglich gewesen zu sein“, so Geppert.

1965 entkräftete die NASA-Sonde "Mariner 4" mit den ersten 22 Fotos vom Mars die Vermutung, man könne dort außerirdisches Leben finden.

1965 entkräftete die NASA-Sonde "Mariner 4" mit den ersten 22 Fotos vom Mars die Vermutung, man könne dort außerirdisches Leben finden.
Bildquelle: NASA/Ames Research Center

Schwer erträglich: allein im Universum

Schon früh übte insbesondere unser Nachbarplanet Mars eine besondere Faszination aus. Der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli nährte 1877 mit der vermeintlichen Entdeckung von mit Wasser gefüllten Kanälen auf dem zweitkleinsten Planten des Sonnensystems die Hoffnung, dass außerirdisches Leben auf dem roten Planeten existiert. H.G. Wells schildert die Marsianer in seinem 1898 erschienenen Science-Fiction- Klassiker Krieg der Welten als Wesen, deren „grauenvolle Hässlichkeit“ man nicht vergisst. Bewohner, „uns so überlegen wie wir den Tieren, ungeheure, kalte und unheimliche Geister“, die mit „neidischen Augen“ auf unsere Erde blicken und dabei heimtückische Angriffspläne gegen die Menschheit schmieden.

Während Astronomen mit immer besserer Ausrüstung den Mond kartographierten und Atlanten anlegten, blieb der Mars bis in die 1960er Jahre dagegen ein halbwegs unerforschter Planet. In dem von H.G. Wells beschriebenen apokalyptischen Duell Mars gegen Erde griffen die Marsianer in dreibeinigen Kampfmaschinen England an.

Den Beweis, dass Schiaparellis These von den Marskanälen nicht stimmte, lieferte erst 1965 die NASA-Sonde Mariner 4, die die ersten 22 Fotos vom Nachbarplaneten im Vorbeiflug aufnahm und zur Erde funkte. Bestätigt wurde dies von den beiden Viking-Sonden, die im Sommer 1975 auf der Oberfläche des Planeten aufsetzten: weit und breit nichts als rote Staubwüste. Damit sank die Chance, auf Marsbewohner zu treffen – ob gut- oder böswillige – auf nahezu Null.

Jules Verne fragte im zweiten Teil seines Romans „Reise um den Mond“, nachdem sich die Crew aus der elliptischen Bahn des Mondes befreien konnte und Richtung Erde stürzt: „Würde man eines Tages nicht nur zum Mond, sondern auch zu den Planeten, und von da aus zu den Fixsternen reisen können?“

Die Träume von dauerhaften Mondkolonien verblassten nach den insgesamt elf Apollo-Missionen. „Im Anschluss an Neil Armstrongs Mondlandung setzte ein Desillusionierungsprozess ein, da man einsehen musste, dass dies nicht der Startschuss für einen regelmäßigen Erde-Mond-Verkehr, sondern ein exzeptioneller Moment gewesen ist“, sagt William R. Macauley, Mitarbeiter in Gepperts Forschergruppe.

Mond- und Marsutopien hatten es seit den 1970er Jahren schwerer, da nun echte Bilder der kargen und leblosen Landschaften von Mond und Mars existierten – und der zuvor überbordenden Fantasie Grenzen setzten. Die Zukunft fand nicht mehr zuallererst im Weltraum statt. „Man besann sich wieder auf den eigenen Planeten und fragte nach dem Sinn solcher Weltraum-Expeditionen“, sagt Macauley. Weltraumgeschichten wurden dann in noch weiter entfernte Galaxien verlagert, in denen weder Mensch oder Sonden zuvor gewesen waren.

Mit Country gegen Marsianer – im Kino

Traten Marsmenschen im späten 20. Jahrhundert fiktional in Erscheinung, dann zumeist mit ironischem Unterton. Wie in Mars Attacks von 1996, in dem Tim Burton den Angriff der Marsianer persiflierte und damit auf den Klassiker von H.G. Wells Bezug nahm. Burtons Marsianer, mit überdimensionierten, nach außen schimmernden Gehirnen ausgestattet, entpuppen sich wie in H.G. Wells‘ Roman als heimtückische Aggressoren, die die Erde zerstören wollen. Schlussendlich werden auch in Mars Attacks die Marsianer zur Strecke gebracht, bevor sie ihre Mission vollenden können.

Nicht mittels Bakterien – wie in Krieg der Welten – sondern mit einer per Zufall entdeckten, eher banalen Methode: dem Abspielen lauter Country-Musik, was ihre großen Gehirne zum Platzen bringt.

„Wir sehen heute ein, dass wir unseren Stern durchaus nicht als einen gewissermaßen eingezäunten und sicheren Wohnort für die Menschheit betrachten können; wir können das unerhörte Heil oder Unheil, das unvermutet aus dem Weltenraum auf uns hereinbrechen kann, nie vorhersehen“, schreibt H.G. Wells in seinem Roman. Vielleicht sind es keine kriegslüsternen, Country-Musik-sensiblen Marsianer, die uns in Zukunft besuchen. Dass der Weltraum auch hinter dem Mars Überraschungen parat halten kann, damit mag H.G. Wells mehr als 100 Jahre nach Erscheinen seines Werkes Recht behalten.

Stephan Töpper

No more Utopia?

Utopien waren ein Markenzeichen der frühen Raumfahrt-Geschichte: Menschen träumten davon, im Weltall zu leben und auf dem Mond Urlaub zu machen. Was von diesen Utopien übrig ist, welche es heute gibt, und warum die Mondkolonie als Utopie nicht kleinzukriegen ist, darüber haben wir mit den Historikern Alexander C.T. Geppert, William R. Macauley und Daniel Brandau gesprochen.

fundiert: Ist unsere Utopie-Freundlichkeit verloren gegangen, seit die Menschen zum ersten Mal im Weltall waren und gemerkt haben, wie lebensfeindlich es dort ist?

Geppert: Man muss zwischen den Begriffen ‚utopisch‘ und ‚futuristisch‘ unterscheiden. Futuristisch bedeutet rein an die Zukunft gewandt, auf neue Technik setzend – bei Utopien geht es um vieles mehr, nämlich um weitreichende Vorstellungen, welche sich abseits der vorherrschenden kulturellen Rahmenbedingungen bewegen, und um neue Gesellschaftsentwürfe.

Brandau: Durch die bemannte Raumfahrt hat in der Tat eine gewisse Desillusionierung stattgefunden, deswegen untersuchen wir auch, welche Utopien verschwunden sind, welche weiterhin existieren, und welche ‚nur‘ abgewandelt wurden.

Geppert: Als Historiker sehen wir uns dabei auch immer nur zeitlich begrenzte Ausschnitte an und können beim Zukunfts- und Weltraumdenken beispielsweise Überlappungen feststellen, etwa wenn es um Atomenergie geht. Das Zeitalter der bemannten Raumfahrt, das sogenannte Space Age galt, historisch gesehen, als kleine Schwester des Atomic Age. Atomenergie passte zu einer Vision der Zukunft in den Sternen: Größere Distanzen müssen überwunden werden, dazu reicht die aktuelle Technik nicht aus, also werden die Raketen der Zukunft – natürlich – mit Atomkraft betrieben. Es wäre vermessen zu behaupten, dass alle Utopien desillusionierend aufgelöst werden, zudem betrifft der Verlust von Utopien nicht nur die Raumfahrt. Vielleicht gehen unsere Utopien in Zukunft einfach nicht mehr in die Ferne oder ins Weltall, sondern in die umgekehrte Richtung: Sie werden immer kleiner, wie bei der Nanotechnologie. Und natürlich sind auch längst nicht alle historischen Zukunftsprojekte gescheitert, denken Sie an satellitengestützte Kommunikation, Navigationssysteme und Mobiltelefonie. So gesehen leben wir sehr wohl im Space Age.

Brandau: Der Gedanke der Ernüchterung ist in Utopien oft schon angelegt. Es wurde bei Vorstellungen davon, wie eine Zukunft im Weltraum aussehen könnte, neben der Utopie deshalb auch potenzielle Ernüchte- rung mitgedacht. Fraglich ist aber, ob die 1970er Jahre eine grundsätzliche historische Utopie-Zäsur darstellen – und genau dieser Frage werden wir in Kürze ein großes internationales Symposium widmen.

Geppert: Der amerikanische Historiker Martin Collins hat die 1970er-Jahre als eine In-Between-Decade beschrieben. Man würde diese Dekade aus heutiger Sicht nicht zwingend mit der Raumfahrt assoziieren, sondern dabei eher an die 1950er- oder 1960er-Jahre denken. Die 1970er-Jahre gelten als die „Post Apollo- und Prä- Shuttle-Phase“. Heute sind wir, zumindest aus amerikanischer Sicht, in der „Post-Shuttle-Phase“ angekommen, und keiner weiß mehr – buchstäblich und im übertragenen Sinne – wohin die Reise gehen soll.

fundiert: Sind die damaligen Phantasien einer Art von Nüchternheit gewichen, die in Kategorien denkt wie: Nach dem iPad 3 kommt eben irgendwann das iPad 4?

Geppert: Vielleicht glauben wir einfach nur nicht mehr an all die Zukunfts-Phantasien, von denen so viele bereits durchgespielt wurden, als sie noch lange nicht verwirklicht waren. Trotzdem scheinen utopische Vorstellungen heute weitgehend ausgespielt zu haben, technisch-futuristische Kategorien wie „noch kleiner“, „noch schneller“ oder „noch leistungsfähiger“ stehen dafür im Vordergrund.

fundiert: Wenn wir heute mit dem Handy im Netz surfen können, dann scheint vieles andere technisch möglich. Haben wir bald großartige Technik, aber keine passenden Utopie dazu?

Geppert: Vielleicht nicht mehr in dem Maße wie früher: Es gibt Umfragen mit Dortmunder Arbeitern aus den 1950er-Jahren, die für die Zukunft erwarteten, dass wir alle zur Fortbewegung Helme mit Rotoren tragen und regelmäßig auf dem Mond Urlaub machen. Heute lachen wir darüber. Es ist ja nicht alles so gekommen, wie man das dachte, aber manch futuristisches Projekt ist, wie eben ortsungebundene Kommunikation, mittlerweile nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken.

Macauley: Einer der Gründe, warum Utopien so mächtig sind, ist, dass die Menschen ja nicht wirklich daran glauben, in Utopien zu leben. Das sagt schon der Begriff: Diese Utopien sind immer irgendwo anders und sie beschreiben oft – wie etwa die Raumfahrt-Utopien – die Diskrepanz zwischen dem, was tatsächlich um uns herum ist und dem, was sein könnte. Deshalb ist die Diskussion über das Ende von Utopien auch ein rheto- rischer Kunstgriff der beteiligten Akteure, um sich Ressourcen zu sichern und die öffentliche Debatte über die „Eroberung“ des Weltraums am Leben zu erhalten.

fundiert: Gibt es eine Rückbesinnung auf unseren Planeten, weil klar ist, dass der Mensch nicht auf andere ausweichen kann?

Geppert: Oder das Gegenteil: Im amerikanischen Wahlkampf kam der republikanische Präsidentschaftskandidat Newt Gingrich vor einigen Wochen auf die Idee, alte Kolonialisierungsphantasien wiederzubeleben und die Errichtung einer permanent bewohnten Mondstation als nächsten Schritt auszurufen. Zumindest in diesem Kontext hoffte er offensichtlich auf Wählerstimmen, obwohl auch ihm klar gewesen sein muss, dass ein solcher, uralter Plan kaum mehrheitsfähig sein würde. Sie sehen also: Man darf die alten Utopien nie vollständig für tot erklären, sie tauchen alle irgendwann wieder auf.

fundiert: Ist die Faszination für Weltraum-Utopien auch der Grund für den Erfolg von Serien wie Star Trek?

Geppert: Ja, aber er erschöpft sich nicht darin. Es geht bei diesen Serien auch um Transzendenz, dort werden die Grenzen des Menschseins verhandelt, sowohl in räumlicher als auch in technischer Hinsicht. In der Science Fiction werden viele sehr große Fragen auf einmal gestellt: Wer sind wir, wo kommen wir her, wo wollen wir hin, sind wir alleine im Universum, können wir durch die Zeit reisen, was würde passieren, wenn wir dabei unseren Nachbarn begegneten? Zusammen macht das für viele Menschen eine ungeheure Faszination aus.

fundiert: Es gibt auch Verbindungen von Fiktion und Realität: Eine Raumschiff-Klasse aus Star Trek trägt den Namen von Hermann Oberth, dem „Vater der Raumfahrt“ und Pionier der Raketentechnik.

Brandau: Die Raumschiffe werden in einem unglaublichen Detailreichtum als plausible Maschinen entworfen, obwohl sie nur Fiktion sind. Die Unterscheidung zwischen Fakt und Fiktion wird in der allgemeinen Diskussion künstlich aufgebaut und dann wieder miteinander in Verbindung gesetzt, man spielt mit diesen beiden Positionen und verbindet sie auf interessante Weise.

Geppert: Ein klassisches Beispiel für die umgekehrte Richtung wäre zudem die Benennung des ersten Space Shuttle, der Enterprise: Sie heißt Enterprise aufgrund von Star Trek, nicht umgekehrt. Die Namensnennung kam 1976 auf Druck der Science Fiction-Fans zustande, die mit dem zuvor vorgesehenen Namen Constitution nicht zufrieden waren und die NASA durch öffentlichen Druck zwangen, Fiktion zum Faktum zu machen.

fundiert: Eine letzte Frage an Sie alle: Welche Utopie haben Sie für die nächsten 50 Jahre?

Geppert: Mit gutem Grund verweigern sich professionelle Historiker normalerweise solchen Ansinnen, aber wir können ja einmal einen Versuch wagen: Auch in 50 Jahren wird es keine dauerhaft bewohnte Marskolonie geben, wohl aber werden digitalisierte Kopien unserer Selbst auf dem Weg durch die Weiten des Weltraums sein, so dass sich die Frage nach bemannter versus unbemannter Raumfahrt gänzlich neu gestellt haben wird.

Macauley: In 50 Jahren werden die Regionen des Sonnensystems jenseits des Mondes bis in den interstellaren Raum hinein mit Sonden erforscht sein, die auf Nanotechnologie und rechnerbasierten Schnittstellen beruhen. Für die Weltraumforschung entwickelte Technologien werden sich auf neurowissenschaftliche Modelle von Wahrnehmen, Handeln und Erinnern stützen, gleichzeitig werden die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Weltraums für ein Laienpublikum ein bislang unerreichtes Ausmaß an Realitätsnähe erreichen, da diese neuen halbbewussten Raumsonden in umfassende irdische Kommunikations-Netzwerke eingebunden sein werden.

Brandau: Ich bin optimistisch, dass die Erforschung des Weltraums durch Raumfahrt weitergehen wird, auch wenn uns daraus so bald wohl noch keine utopische Zukunft erwachsen wird. Sollte es allerdings gelingen, Anzeichen für außerirdisches Leben zu finden, und sei dies auch nur indirekt, so hätte dies langfristig erhebliche Auswirkungen darauf, wie wir über das Universum nachdenken und uns als Menschen begreifen.

fundiert: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Stephan Töpper und Bernd Wannenmacher.