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Gastprofessorin Leila Papoli Yazdi erforscht, wie Frauen im Iran leben und sich jenseits der gesellschaftlichen Normen entfalten

Entfaltung im Privaten: Die Archäologin Leila Papoli Yazdi erforscht das Leben iranischer Frauen jenseits der Norm. Ihre Ergebnisse präsentierte sie bei einer Lecture Performance

Entfaltung im Privaten: Die Archäologin Leila Papoli Yazdi erforscht das Leben iranischer Frauen jenseits der Norm. Ihre Ergebnisse präsentierte sie bei einer Lecture Performance
Bildquelle: privat

Obwohl die Iranerin Leila Papoli Yazdi als historische Archäologin ausgebildet wurde, hat sie nach ihrer Doktorarbeit die Entscheidung getroffen, sich auf zeitgenössische Themen zu konzentrieren. „Ich möchte etwas für mein Land tun“, sagt die 36-Jährige, die für dieses Wintersemester auf die internationale Gastprofessur für Geschlechterforschung an der Freien Universität Berlin berufenworden ist. Am 21. Oktober 2014 wird sie ihre Antrittsvorlesung zum Thema „My Body, A Female One, and Not Dressed in Black: An Iranian Archaeologist Abroad“ halten. Außerdem wird sie ein Seminar über Genderpolitik in der Archäologie im Mittleren Orient unterrichten.

Leila Papoli Yazdi zeigt in ihrer Forschung, wie sich Frauen im zeitgenössischen Iran entfalten; wie sie leben, wie sie fühlen, welche Wünsche und Begehren sie haben. „Es gibt eine große Diskrepanz zwischen öffentlichem und privatem Leben“, sagt Yazdi. Das hat sie auch während ihrer Grabungen im südiranischen Ort Bam festgestellt, der 2003 von einem Erdbeben komplett zerstört worden war. Mehr als 30 000Menschen waren ums Leben gekommen. „Ich habe mit meinem Team die zerstörten Häuser aufgesucht und das Leben einiger verstorbener Menschen rekonstruiert“, sagt die Archäologin. „Oftmals herrscht im Westen die Meinung, dass Frauen im Iran keine selbstbestimmten Menschen seien.

Aber durch Funde bei unseren Grabungen haben wir Zeichen dafür gefunden, dass iranische Frauen durchaus eine Stimme haben und sehr viel zu sagen.“ So war die Wissenschaftlerin beispielsweise auf das Tagebuch einer Frau gestoßen, die darin einen imaginären Dialog mit ihrem Mann führt. In den Texten spricht sie über ihre Sorgen und beklagt sich, dass der Ehemann oft abwesend sei und kein Geld nach Hause bringe.

„Außerdem haben wir das Tagebuch eines Transsexuellen gefunden, der über seinen Alltag berichtet. Diese Aufzeichnungen zeigen uns, wie Iraner leben, wenn die Haustüren geschlossen sind und sie die religiösen und gesellschaftlichen Fassaden ablegen können“, sagt Leila Papoli Yazdi. Sie kennt die Zwänge des täglichen Lebens im Iran nur zu gut, das durch innere politische Kämpfe geprägt ist.

Bis 2010 war Leila Papoli Yazdi Juniorprofessorin an der renommierten Buali-Sina-Universität im iranischen Hamadan. Doch nach den Wahlen im Iran von 2009 sei es schwierig geworden. Damals wurden gegen den Wahlgewinner Mahmud Ahmadinedschad Manipulationsvorwürfe laut, und es kam zu Unruhen. „Mein Mann Omran Garazhian, der ebenfalls Archäologe ist, und ich mussten uns entscheiden: Sind wir für oder gegen die Regierung? Wir waren dagegen. Es war hart, weil wir wussten, dass wir unsere Anstellung verlieren würden.“ Das Wissenschaftsministerium habe das Forscherpaar schließlich gezwungen, an die kleinere Neishabur-Universität im Nordosten des Landes zu wechseln, und es sei ihnen untersagt worden, frei zu publizieren.

Im Jahr 2012 erhielt die Archäologin ein Forschungsstipendium der Alexander- von-Humboldt-Stiftung und wechselte an die Freie Universität Berlin. Betreut wurde sie von Professor Susan Pollock am Institut für Vorderasiatische Archäologie. Auf diese Weise konnte die Iranerin ihre kritischen Studien fortsetzen. „Inzwischen hat sich der Wind im Iran wieder gedreht, und nach den letztjährigen Wahlen hat sich das Wissenschaftsministerium bei uns gemeldet. Sie wollen uns zurück im Land haben.“ Die politische Situation im Iran allerdings sei kompliziert und schwer durchschaubar, sagt Yazdi. Die politischen Kräfte seien gespalten, es gebe viele verfeindete Fraktionen und verborgene Kräfte.

Momentan sprächen die meisten Menschen dort vor allem über die schlechte ökonomische Situation des Landes. „Das liegt an den internationalen Sanktionen“, sagt die Wissenschaftlern. „Sie treffen vor allem die Bevölkerung.“ In ihrer Antrittsvorlesung an der Freien Universität will Leila Papoli Yazdi in erster Linie über die Situation der Frauen im Iran sprechen. „Das Thema meiner aktuellen Forschung ist der iranische Frauenkörper als Objekt von Propaganda.“

Sowohl im Westen, sagt Yazdi, als auch im Iran gebe es falsche Bilder von iranischen Frauen. „Obwohl die Frauen im Iran unter anderen Bedingungen leben als hier in Europa, heißt das nicht, dass sie keine Möglichkeiten hätten, sich mitzuteilen. Sie sind durchaus individuell, sie haben einen eigenen Willen und eine Identität, selbst wenn sie sich aus religiösen Gründen verhüllen.“ Die Archäologin will auf die Vielfalt von Weiblichkeitskonzepten aufmerksam machen und ein heterogenes Bild der iranischen Gesellschaft präsentieren.

Während der Vorlesung möchte sie vorführen, wie sie mit dem Denkverbot umgegangen ist, das ihr nach 2011 auferlegt worden war. „Ich möchte den Studierenden eine Performance zeigen, die ich 2009 im Iran mit anderen Frauen aufgeführt habe. Ich hatte keine Möglichkeit, frei zu sprechen, also nutzte ich meinen Körper als Medium“, sagt Yazdi. „Die Regierung konnte nichts dagegen tun, denn es gab keine Dialoge, die man hätte zensieren können. Es gibt also immer einen Weg, um sein Meinung auszudrücken.“


Gender Studies

Die Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung der Geschlechterforschung ist seit mehr als drei Jahrzehnten
im Selbstverständnis der Freien Universität verankert und deshalb auch zentraler Bestandteil ihres Zukunftskonzepts, mit dem die Universität in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder 2012 erneut erfolgreich gewesen ist. Die Gastprofessur „Dahlem International Network Professorship for Gender Studies“ wird im Rahmen des Zukunftskonzepts
seit 2013 jährlich ausgeschrieben.