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Das Scheitern der Weimarer Republik

Forscher: Eine Ursache lag in der Wirtschaftspolitik

15.12.2018

Mit der Weltwirtschaftskrise am Ende der „goldenen Zwanzigerjahre“ kam ab 1929 wieder der Hunger: Das Bild zeigt eine Armenspeisung in einer Suppenküche in Berlin-Schönweide (1931).

Mit der Weltwirtschaftskrise am Ende der „goldenen Zwanzigerjahre“ kam ab 1929 wieder der Hunger: Das Bild zeigt eine Armenspeisung in einer Suppenküche in Berlin-Schönweide (1931).
Bildquelle: picture alliance akg

Deutschland Anfang der 1930er Jahre: Es gibt mehr als sechs Millionen Arbeitslose, viele Firmen sind pleite, Familien verarmt. Eine Wirtschaftskrise beispiellosen Ausmaßes. In der Armut gedeiht der Hass.

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, die bei der Reichstagswahl 1928 auf nur 2,6 Prozent der Stimmen kam, reüssiert bei der Wahl am 5. März 1933 mit 43,9 Prozent. Gut einen Monat früher war Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden.

„Wenn man die Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen hätte, wären die Nationalsozialisten chancenlos gewesen“, sagt Carl-Ludwig Holtfrerich. Er ist emeritierter Professor für Wirtschaftsgeschichte am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin und einer der renommiertesten Experten für die Wirtschaftsgeschichte der Weimarer Republik. „Die Gründe für das katastrophale Scheitern der ersten deutschen Demokratie liegen auch in der Wirtschaftspolitik“, sagt Holtfrerich. „Und heute können wir noch immer aus diesem Scheitern lernen.“

Mitte der 1920er Jahre geht es der jungen Weimarer Republik so gut wie nie. Doch am Ende der „goldenen Zwanziger“ steht die Wirtschaftskrise. „In Deutschland kam der Absturz schon ein Jahr vor dem großen Crash an der Wall Street“, sagt Holtfrerich. 1928 ist die Börseneuphorie in den USA noch so groß, dass die in Deutschland dringend benötigten amerikanischen Investitionen ausbleiben. Die Amerikaner stecken ihr Geld lieber in Aktien, als es der deutschen Wirtschaft zu leihen. Am deutschen Arbeitsmarkt macht sich das bemerkbar. 1929 taumelt schließlich die ganze Welt in die große Krise. „Die deutsche Regierung hätte sofort ein expansives Arbeitsbeschaffungsprogramm auf den Weg bringen müssen. Finanziert über inländische Kreditquellen, also vor allem über die Reichsbank.“

Stattdessen passiert nichts. Aus taktischen Gründen. Der damalige Reichskanzler Heinrich Brüning will die Siegermächte des Ersten Weltkriegs dazu bewegen, von ihren im Versailler Vertrag angesetzten Reparationsforderungen abzusehen. Also will er der Welt demonstrativ die deutsche Armut präsentieren. „Brüning hat immer gesagt, man müsse dem Ausland zeigen, dass sich Deutschland die Reparationen nicht leisten kann“, erläutert Holtfrerich. „Da könne man nicht gleichzeitig im Inland investieren.“

Erst im Juli 1932, auf der Konferenz von Lausanne, erreicht die deutsche Regierung ihr Ziel –doch da war Brüning bereits abgesetzt und der Aufstieg der Nationalsozialisten in vollem Gang. „1932war es für eine Wende viel zu spät“, sagt Holtfrerich. „Als es dann wieder aufwärts ging, konnte die NSDAP sämtliche Lorbeeren einstreichen.“ Aus dem Scheitern der Weimarer Demokratie ließen sich zwei wirtschaftspolitische Lehren ziehen. „Zum einen muss man sich national immer Spielräume offenhalten, um massiven Wirtschaftseinbruch zu bekämpfen“, sagt Holtfrerich.

Regierungen sollten aber auch international ein Kooperationsklima pflegen und fähig sein, in Krisen währungs- und wirtschaftspolitisch zusammenzuarbeiten. Gerade dies habe 1929 nicht funktioniert. „Jedes Land hat damals versucht, für sich allein den Kopf aus der Schlinge zu ziehen“, sagt Holtfrerich. Auch die USA und Großbritannien hätten mit ihrer nationalen Wirtschaftspolitik den deutschen Abstieg befördert. „Es war ein großes Glück, dass das in der Finanzkrise von 2007/2008 ganz anders war. Nur so konnte das Schlimmste abgewendet werden.“

Mit Besorgnis schaut Holtfrerich auf US-Präsident Donald Trump, der sein Land in Richtung nationaler Isolation und Protektion steuert: „Ausgerechnet die USA, die das internationale Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg erschaffen haben, rütteln heute daran. Das ist wirklich eine absurde Situation.“