Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung Intervenierende Künste – Politische und ästhetische Potentiale
- Dr. Mariama Diagne, FB Philosophie und Geisteswissenschaften, Institut für Theaterwissenschaft, Freie Universität Berlin
- Jun.-Prof. Dr. Kirsten Maar, FB Philosophie und Geisteswissenschaften, Institut für Theaterwissenschaft, Freie Universität Berlin
- Sophie Schultze-Allen, FB Philosophie und Geisteswissenschaften, Institut für Theaterwissenschaft, Freie Universität Berlin
In jüngerer Zeit ist häufig von einer ‚Re-Politisierung‘ der Künste die Rede, die zugleich als Beobachtung wie als Erwartung formuliert wird. Künstler*innen werden von Museen und anderen Institutionen eingeladen, z. B. in koloniale Sammlungen zu intervenieren, sie schließen sich politischen Protesten an, um diese mit ihrer Arbeit zu unterstützen, sie geben in Aufführungen Personengruppen eine Bühne, die gesellschaftliche Diskriminierung erfahren, oder setzen sich in literarischen Texten mit Fakten auseinander, die in der Politik verschwiegen oder in sozialen Medien verfremdet werden.
Doch welches Potential hat Kunst, haben die Künste, in gesellschaftliche Zusammenhänge oder in politische Prozesse tatsächlich einzugreifen, welche Verfahren kommen dabei zum Einsatz und welche Auswirkungen hat das auf ein aktuelles Verständnis von Kunst? Diesen Fragen widmet sich der seit 2022 an der Freien Universität bestehende Sonderforschungsbereich „Intervenierende Künste“, dessen Forschungen in der Ringvorlesung den Studierenden und einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen.
Der Begriff des Intervenierens dient als Ausgangspunkt der Ringvorlesung und soll dabei auch selbst problematisiert werden. Er kann jene Prozesse des Ineinander von künstlerischem und aktivistischem Handeln fassbar machen, die jenseits etablierter Kunstformen und Kunstgattungen heterogene Handlungskomplexe, Ereignisse und Praktiken hervorbringen. Die Relevanz des Interventionsbegriffs ist dabei vor allem mit einem Wirkungsversprechen verbunden: dass das Intervenieren als künstlerische Praxis in lebensweltliche Zusammenhänge bestehender Gesellschaften und Systeme eingreift, nachhaltig wirksam wird und damit auch die ersehnte gesellschaftliche Veränderung umzusetzen verspricht.
Zugleich ist es keineswegs eindeutig, inwiefern und auf welche Weise Künste tatsächlich zu intervenieren vermögen. Vollziehen sich durch Eingriff und Intervention bewirkte Veränderungen nicht häufig jenseits programmatischer Geltungsansprüche und Proklamationen, finden sie gleichsam im Stillen, unter der Oberfläche und in untergründigen Transformationsprozessen statt?
Das Intervenieren als Denkfigur der Geistes- und Sozialwissenschaften kann deutlich über ein aktivistisches Kunstverständnis hinausgehen, wenn das Bild des ‚Dazwischentretens‘ so verstanden wird, dass künstlerische und gesellschaftliche Strukturen grundsätzlich ineinander verwoben sind. Mit dieser Verwobenheit nämlich steht der Kunstbegriff selbst zur Disposition. Damit ist eine Selbstproblematisierung der Künste verbunden, die den Interventionsoptimismus der historischen Avantgarden in ein neues Licht rückt: Inwiefern kann Kunst vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen Verwobenheit überhaupt ein Interventionspotential für sich reklamieren – oder kann sie es gerade aufgrund dessen? Was zeichnet spezifisch künstlerische Ausprägungen des Intervenierens aus?
Die Ringvorlesung möchte unter dem Leitaspekt „Intervenierender Künste“ das begriffliche Feld künstlerischen Intervenierens, die damit verbundenen künstlerischen Praktiken und die diesen Praktiken zugrunde liegenden längerfristigen sozialen Entwicklungsprozesse erkunden.
Zeit & Ort
04.06.2024 | 16:00 - 18:00
Hörsaal 1a,
Gebäudekomplex Habelschwerdter Allee 45,
14195 Berlin