Vortrag | Vom Euphrat an die Spree: Biografische Fragmente eines beschrifteten Steines aus Kelekli
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung Hinter dem Bauzaun – Schätze des Vorderasiatischen Museums neu entdeckt
- Dr. Sanna Aro, Abteilung Kulturwissenschaften, Universität Helsinki
- Prof. Dr. Jörg Klinger, Institut für Altorientalistik, FB Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin
Achtung: Veranstaltungsort hier Hörsaal 1a!
Der beschriftete Stein aus Kelekli am Euphrat gehört kaum zu den vielbeachteten „Glanzstücken“ im Pergamon-Museen in Berlin, stellt aber für die Erforschung der alt-anatolischen Sprachen und Kulturen sicherlich eines der interessantesten Objekte der Sammlungen dar. Wir möchten den Fokus deshalb gerade auf dieses oft übersehene Ausstellungsobjekt und unsere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihm richten, und versuchen, den Stein zum Sprechen zu bringen, in der Hoffnung, daß unsere Begeisterung ansteckend wirkt. Eine zentrale Rolle spielt die Beschreibung der Bilderschrift des Steines vor dem Hintergrund der Geschichte und Kultur des hethitischen Anatolien und Nordsyrien während der späten Bronzezeit (ca. 1600-1200 v.Chr.) sowie der Nachfolgestaaten des hethitischen Königtums (ca. 1200-600 v.Chr.). Bei der Deutung und Datierung des Denkmales sind die Form des Steines und das nur teilweise erhaltene Relief von großer Bedeutung: war der Stein ursprünglich als eine freistehende Stele gedacht, sind die Inschrift und das Reliefbild überhaupt zeitgleich? Wir zeichnen den fragmentierten objektbiografischen Lebenslauf des Monumentes im Alten Orient nach, zum Beispiel mit einem Vorschlag für seinen ersten Aufstellungsort und -kontext, die Geschichte seiner Auffindung im frühen 20. Jh. und seiner letzten Reise vom Euphrat an die Spree im Jahre 1918.
Das Vorderasiatische Museum ist seit dem 23. Oktober des vergangenen Jahres geschlossen. Ein Wiedersehen mit Ischtar-Tor und Co. wird es voraussichtlich nicht vor 2037 geben. Das heißt zum Beispiel: Die Kinder, die im letzten Herbst eingeschult wurden, werden dann ihre Schulzeit bereits hinter sich haben.
Ein geschlossenes Museum bedeutet aber nicht, dass seine Schätze verschwinden. Die Forschung geht weiter. Ein großes Forschungsnetzwerk in Berlin beschäftigt sich mit den Zeugnissen aus dem antiken Vorderasien. Zu diesem Netzwerk gehören u. a. die Freie Universität Berlin, das Deutsche Archäologische Institut und natürlich das Vorderasiatische Museum selbst. Hinzu kommen zahlreiche nationale und internationale Kooperationen.
Die Ringvorlesung macht ausgewählte, nun hinter den Baugerüsten verschwundene Museumsschätze sichtbar. Dazu gehören berühmte Highlights wie das Ischtar-Tor aus Babylon, aber auch auf den ersten Blick unscheinbare Objekte wie eine zerbrochene Tontafel, Elfenbeinfragmente oder ein Lehmziegel. Jede Woche präsentieren jeweils zwei Vortragende ein Objekt oder eine Objektgruppe aus der Sammlung des Museums aus unterschiedlichen fachlichen Blickwinkeln.
Auf diese Weise zum Sprechen gebracht eröffnen die Sammlungsobjekte Einblicke in die Breite und Buntheit vergangener Lebenswelten: Sie erzählen von den ersten Metropolen, von religiösen Praktiken im Großen wie im Kleinen, vom Alltagsleben und von Herrscherideologien, von uralten Mythen und astronomischen Berechnungen, von Schönheit und Verfall. Zugleich vermittelt die Vorlesung das Spektrum der Erforschung der antiken Hinterlassenschaften. Zum Einsatz kommen Archäologie und naturwissenschaftliche Analytik, restauratorische Arbeit, historische und stilistische Einordung, Forschung zu Sprachen und Schriften, bis hin zu digitalen Methoden und KI-gestützten Verfahren.
Zeit & Ort
18.06.2024 | 18:15 - 19:45
Hörsaal 1a,
Gebäudekomplex Habelschwerdter Allee 45,
14195 Berlin