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„Unterricht funktioniert nicht nach Rezeptbuch“

Eva Terzer von der Dahlem School of Education erklärt, was die Freie Universität angehenden Lehrkräften bietet, und warum diese mehr als Wissen vermitteln müssen

16.04.2024

Es läuft nicht immer so vorbildlich: Für den Berufsalltag benötigen Lehrkräfte eine gute Qualifikation.

Es läuft nicht immer so vorbildlich: Für den Berufsalltag benötigen Lehrkräfte eine gute Qualifikation.
Bildquelle:  picture alliance- SvenSimon-Frank Hoermann

Frau Terzer, welche Aufgaben hat die Dahlem School of Education (DSE)?

Die Kommunikation rund um die Lehrkräftebildung spielt für uns eine wichtige Rolle. Wir sind Ansprechpartner für am Lehramtsstudium Interessierte sowie für Studierende, Dozierende und Schulen. Ebenso stehen wir im engen Austausch mit Pendant-Einrichtungen für Wissenschaft. Wir initiieren Forschungsprojekte zu Bildung und Unterricht und entwickeln die Qualität unserer Studiengänge weiter. Insgesamt bemühen wir uns, Stolperfallen im Studium zu erkennen, an denen Studierende aufgehalten werden, und Lösungen zu entwickeln.

Welche Stolperfallen beschäftigen Sie derzeit?

Der Lehrkräftemangel an den Schulen ist eine große Herausforderung, sowohl für die Gewinnung von Studierenden als auch im Studium selbst. Viele Studierende arbeiten während ihres Studiums bereits als Lehrkräfte an Schulen, um dort Lücken zu füllen. Oft überschneiden sich aber Lehrveranstaltungen bei uns und Unterricht in der Schule, wodurch sich ihr Studium in die Länge zieht.

Die Studierenden sind auch noch gar nicht hinreichend darauf vorbereitet zu unterrichten, ihnen fehlen noch die Grundlagen dafür. Manche Studierende gewöhnen sich dadurch ungünstige Handlungsroutinen an, die nur scheinbar funktionieren. Dadurch machen einige an den Schulen dermaßen negative Erfahrungen, dass sie ihr Studium daraufhin sogar abbrechen wollen. Das alles würden wir ihnen gern ersparen.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Wir erarbeiten derzeit einen sogenannten Flex-Master, der Studierende in ihrer beruflichen Tätigkeit an Schulen besser begleiten und ihnen an der Universität Möglichkeiten für die Besprechung schwieriger Situationen bieten soll. Studierende sollen dann wählen können, ob sie während ihres Masterstudiums wie bisher ein halbjähriges Schulpraktikum machen, oder ob sie studienbegleitend über mehrere Semester an der Schule arbeiten und dabei von uns und in der Schule systematisch begleitet werden.

Durch die Begleitung haben sie die Gelegenheit, eigene – positive wie negative – Unterrichtserfahrungen zu reflektieren. Wir hoffen, die Studierenden dadurch zu entlasten und Strukturen zu schaffen, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Studium ermöglichen. Das alles ist noch in der Ausarbeitung und wird frühestens im Wintersemester 2025/26 starten.

Eva Terzer ist Geschäftsführerin der Dahlem School of Education der Freien Universität.

Eva Terzer ist Geschäftsführerin der Dahlem School of Education der Freien Universität.
Bildquelle: Michael-Fahrig

Weil Lehrkräfte händeringend gesucht werden, wirbt die Senatsverwaltung für den Quereinstieg. Was bedeutet das für die Lehramtsstudiengänge?

Wir können nicht so viele Studierende immatrikulieren, wie Berlin an den Schulen bräuchte, weil wir insgesamt nicht genug Bewerbungen auf Studienplätze bekommen. Aber wir können den Studierenden, die wir haben, das beste Rüstzeug für ihren späteren Beruf mitgeben, damit sie sicher und gut vorbereitet in den Unterricht starten.

Wie das gelingt, erarbeiten wir an der Dahlem School of Education. Auch für Quereinstiege wollen wir pädagogisch und fachdidaktisch ideale Bedingungen schaffen, die Interessierte mit Vorerfahrungen gezielt für den Lehrberuf qualifizieren. An der Freien Universität bieten wir dafür einen eigenen Studiengang an, den Quereinstiegsmaster. 

Wie unterscheidet sich der Quereinstiegsmaster vom klassischen Lehramtsstudium?

Wer den Quereinstiegsmaster mit dem Master of Education abschließt, ist genauso gut qualifiziert wie andere Lehramtsstudierende. Die Inhalte sind gleich, nur anders über die Studienbiografie verteilt. Ein wesentliches Element all unserer Lehramtsstudiengänge ist: Es gibt zahlreiche Bezüge zu Schul- und Unterrichtspraxis, die nach und nach Handlungssicherheit geben.

Unterricht funktioniert nicht nach einem Rezeptbuch. Die Studierenden probieren bei uns im Studium aus, wie sie ihre Unterrichtsplanung immer wieder an ganz konkrete Situationen anpassen und nutzen ihre Erfahrungen, um ihren Unterricht weiter zu verbessern.

Wie vermitteln Sie diese Fertigkeiten?

Im Laufe ihres Lehramtsstudiums bieten wir den Studierenden verschiedene Formate an, über die sie sich konkret mit Schule und Unterricht ausein­andersetzen: Sie lernen ganz grundlegend verschiedene Methoden und Sozialformen in Seminaren kennen, sodass sie ihre allgemeindidaktischen Kompetenzen erweitern.

Ein weiteres Format ist die Arbeit mit Unterrichtsvideos im FOCUS-Videoportal, bei der Studierende lernen, Unterricht professionell wahrzunehmen und professionelle Entscheidungen zu treffen. Bei der Arbeit mit Diagnose-Fallbeispielen zu fachspezifischen Leistungen von Kindern legen sie eine wichtige Grundlage für ihre Unterrichtsplanung.

In einigen Seminaren, unsere sogenannten Lehr-Lern-Labor-Seminare, werden Schulklassen eingeladen, und die Studierenden probieren ihre Unterrichtsplanung mit Kleingruppen aus. Mit unserem freiwilligen Workshop-Angebot „Lehramt Plus“ bieten wir Studierenden außerdem die Möglichkeit, Themen zu vertiefen oder nah an der Schulpraxis zu ergänzen.

Welche Bereiche deckt „Lehramt Plus“ in den Workshops ab?

Wir bieten Workshops rund um das Thema „Demokratie fördern, Haltung entwickeln“ an, darin geht es etwa darum, wie Lehrkräfte Antisemitismus an Schulen thematisieren können. „Schulpraxis“ umfasst Workshops zu Schulrecht, Stimmtraining oder sozio-emotionalen Kompetenzen. „Digitalisierung 2.0“ behandelt etwa digitale Transformationsprozesse wie den Umgang mit Künstlicher Intelligenz.

Die Kurse werden sowohl intern als auch extern geleitet, wodurch Studierende relevante Ansprechpersonen innerhalb der Universität kennenlernen, aber auch Institutionen, die sie bei Problemen kontaktieren oder in ihre Schulen einladen können. Wir hoffen, unsere Studierenden mit dieser Bandbreite an Angeboten bestmöglich auf all das vorzubereiten, was der Lehrberuf mit sich bringt.

Die Fragen stellte Anne Kostrzewa