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Die Freiheit der Wissenschaft verteidigen

6. Juni, 18 Uhr: Zweiter Teil der Vorlesungsreihe zum 70. Jubiläum der Freien Universität Berlin zu akademischer Freiheit früher und heute / Lesen Sie hier einen Nachbericht der ersten Veranstaltung

05.06.2018

"Veritas, Iustitia, Libertas - Konturen einer wertorientierten Universität der Zukunft" lautet der Titel der Vorlesungsreihe, die anlässlich des 70. Jubiläums der Freien Universität im Sommer- und Wintersemester stattfindet.

"Veritas, Iustitia, Libertas - Konturen einer wertorientierten Universität der Zukunft" lautet der Titel der Vorlesungsreihe, die anlässlich des 70. Jubiläums der Freien Universität im Sommer- und Wintersemester stattfindet.
Bildquelle: Peter Schraeder

Veritas, Iustitia, Libertas“, zu Deutsch: Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit – das sind die Leitbegriffe der Freien Universität Berlin, seit nunmehr 70 Jahren. Im Jubiläumsjahr findet eine Veranstaltungsreihe statt, die sich mit ebendiesen Werten auseinandersetzt. Mitte Mai fand die Auftaktveranstaltung statt. Die Gäste des Abends, Professorin Anita Traninger und Professor Georg Krücken, widmeten sich in ihren Vorträgen dem Ursprung akademischer Freiheit sowie der Frage, wie sie sich heute verteidigen lässt. Bei den englischsprachigen Folgeveranstaltungen am 6. und 28. Juni werden die Unabhängigkeit der Wissenschaft im internationalen Kontext sowie die Herausforderungen universitärer Partnerschaften angesichts der Bedrohung akademischer Freiheit im Zentrum stehen.

Den Anfang der „kleinen Geschichte akademischer Freiheit“ – so der Titel des Abends – machte Klaus Hoffmann-Holland, Professor für Rechtswissenschaft und designierter Erster Vizepräsident der Freien Universität. In seiner Ansprache zeigte er sich besorgt angesichts der sich mehrenden politischen Angriffe auf die akademische Freiheit. Als Beispiel nannte Klaus Hoffmann-Holland die Central European University (CEU) in Budapest. Die ungarische Regierung hatte im vergangenen Jahr den Versuch unternommen, die Lehrtätigkeit der von George Soros gegründeten Privatuniversität zu unterbinden.

Der Rechtswissenschaftler erinnerte daran, dass auch die Freie Universität aus einem Protest von Lehrenden und Studierenden hervorgegangen war. Damals hätte sich der Widerstand gegen die kommunistische Einflussnahme an der Berliner Universität Unter den Linden, der heutigen Humboldt-Universität, gerichtet, welche sich damals im sowjetischen Sektor befand. Die Aktualität des Themas unterstreiche aber auch der „March for Science“, bei dem 2017 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende weltweit gegen Einschränkungen der Lehr- und Wissenschaftsfreiheit protestiert hatten.

Frühe Neuzeit: Wissenschaftsfreiheit in engen Grenzen

Anita Traninger, Professorin am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität, blickte in ihrem Vortrag weit zurück. Sie fragte, ob die Universitäten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit unfrei gewesen wären, und antwortete mit „nein“. Zwar könne die damalige akademische Freiheit nicht mit der heutigen gleichgesetzt werden, sagte Anita Traninger, aber innerhalb der universitären Mauern konnte sich durchaus ein freier Wissenschaftsdiskurs entwickeln. Die christliche Offenbarungslehre durfte nicht öffentlich angezweifelt werden, daher ging es zunächst darum, einen rechtlichen Sonderstatus für Hochschulen zu schaffen, um frei diskutieren zu können.

„Kultivierung des Zweifels“

Dabei ging es nicht darum, eine Lehrmeinung wiederzugeben, sondern gegensätzliche Standpunkte zu vertreten und eine Kontroverse zu erzeugen, erklärte die Romanistin. Dabei sei es nicht unüblich gewesen, eine Position einzunehmen, die der eigenen Überzeugung widersprach. Sogar Argumente gegen die Kirche durfte man äußern – allerdings nur unter der Bedingung, dass die Kirchendoktrin am Ende akzeptiert doch wurde.

Anita Traninger sprach mit Blick auf die vormodernen Universitäten von einer „Kultivierung des Zweifels“, welcher auch in unserem Verständnis von akademischer Freiheit zentral sei und bewahrt werden müsse. Wenn die Wissenschaft heute verteidigt würde, läge der Fokus häufig zu sehr auf vermeintlichen Fakten, so die Sprachwissenschaftlerin. Ansichten würden als „alternativlos“ bezeichnet, selbst beim „March for Science“. Das dürfe nicht sein, so Traninger: „Es gibt immer eine Alternative und es sollte immer Raum für Menschen geben, die diese Alternative vertreten.“

Einflüsse unterschiedlicher Akteure

Georg Krücken, Professor für Hochschulforschung am International Centre for Higher Education Research (INCHER) der Universität Kassel, beschäftige sich in seinem Vortrag vor allem mit der Frage, wie Universitäten in Deutschland heute die Wissenschaftsfreiheit verteidigen können und welchen Herausforderungen sie sich hierbei stellen müssen. Problematisch seien in diesem Zusammenhang vor allem die Einflüsse unterschiedlicher Akteure aus Politik und Wirtschaft, die die Universitäten zunehmend überfordern würden.

Die wachsenden Zahlen von Studierenden und Promovierenden an den Hochschulen bewirke auch, dass die Schere zwischen Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern immer weiter auseinandergehe. Auch dass sich „die unternehmerische Universität“ zu häufig ohne bestimmte Leitlinien auf Kooperationen mit der Wirtschaft einließen, kritisierte Krücken. Ein extern finanziertes Forschungsprojekt müsse veröffentlicht werden dürfen und eine Mindestlaufzeit haben, sonst würden akademische Standards missachtet.

Publikum kritisiert Bologna-Reform

Bisweilen, so Georg Krücken, wirke die Universitätslandschaft auf ihn „nicht vernetzt, sondern hyperaktiv“. In der anschließenden Diskussion, die Florian Kohstall vom Center for International Cooperation moderierte, sprach das Publikum dem Referenten zu. Zudem bemängelte es eine Verschulung des Studiums durch die Bologna-Reform. Anita Traninger gab dieser Kritik recht, meinte aber, dass die Modularisierung nicht als Ausrede dafür genutzt werden dürfe, keine Freiräume mehr zu schaffen. Letztlich, resümierten beide Gäste, hinge akademische Freiheit stark vom Engagement der Studierenden und der Lehrenden ab, sowie von Zweifel und Zeit.

Weitere Informationen

Kommende Veranstaltungen:

  • „Global Perspectives on Academic Freedom“
    mit Sari Hanafi (AUB, Libanon), Amit Prakash (JNU, Indien) und Joanna Williams (Kent University, Vereinigtes Königreich)
    Moderation: Marianne Braig (Freie Universität Berlin)
    6. Juni 2018, 18 Uhr c.t., Hörsaal 1a
  • „The Limits of Internationalization“
    mit Joybrato Mukherjee (Justus-Liebig-Universität Gießen / DAAD)
    Moderation: Klaus Mühlhahn (Freie Universität Berlin)
    28. Juni 2018, 16 Uhr c.t., Hörsaal 1a

Die Reihe wird im Wintersemester 2018/2019 fortgesetzt.