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Jede Gründung braucht eine gute Geschichte

Übungsmodelle für die Tiermedizin, ein Chatbot für Bewerbungen, eine Kreativplattform für Drehbücher und ein Pop-up-Buch mit begleitender Smartphone-App – diese Geschäftsideen wurden im Ideenwettbewerb „Research to Market Challenge“ ausgezeichnet

01.08.2018

Dr. Laura-Kim Schüller (rechts) wurde mit einem ersten Platz für ihr Projekt „VetEducators“ prämiert.  Dr. Julia Rosendahl (links), Gründerin von PerformaNat, übergab die Auszeichnung.

Dr. Laura-Kim Schüller (rechts) wurde mit einem ersten Platz für ihr Projekt „VetEducators“ prämiert. Dr. Julia Rosendahl (links), Gründerin von PerformaNat, übergab die Auszeichnung.
Bildquelle: Marion Kuka

Wer forscht, hat häufig auch Ideen zur Anwendung der Theorie im Hinterkopf — oder in der Schublade. Aus Mangel an Zeit und Gelegenheit werden solche Ideen jedoch viel zu selten umgesetzt. Deshalb veranstaltet Profund Innovation, die Service-Einrichtung für Wissens- und Technologietransfer in der Abteilung Forschung der Freien Universität, seit 2014 gemeinsam mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin den Ideenwettbewerb „Research to Market Challenge“.

Mitmachen können Studierende, Promovierende, Absolventinnen und Absolventen sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Fachbereiche. In den Wettbewerbskategorien „Digital“, „Life Sciences & Technologies“ und „Cultural & Social“ werden jeweils drei Gewinner gekürt, die ihre Ideen auf einer Abschlussveranstaltung vor Publikum präsentieren. Für den ersten, zweiten und dritten Platz werden jeweils 1.500, 1.000 und 500 Euro Preisgeld vergeben.

48 Anwendungsideen wurden eingereicht

Beim diesjährigen Durchgang des Wettbewerbs waren zum ersten Mal auch die Humboldt-Universität zu Berlin und die Technische Universität Berlin dabei. Aus allen Universitäten waren insgesamt 48 Ideen eingereicht worden. Neun Teams wurden schließlich eingeladen, ihre Einfälle auf der Abschlussveranstaltung in einem Saal des Max Liebermann Hauses am Brandenburger Tor vor Zuschauerinnen und Zuschauern zu präsentieren. Gastgeberin des Abends war die Berliner Sparkasse, die sich seit 2013 als Partnerin in der Gründungsförderung an der Freien Universität engagiert.

Vom Philosoph zum Gründer: Manoucher Shamsrizi berichtete über Erfahrungen mit seinem Start-up Retro Brain R&D GmbH.

Vom Philosoph zum Gründer: Manoucher Shamsrizi berichtete über Erfahrungen mit seinem Start-up Retro Brain R&D GmbH.
Bildquelle: Marion Kuka

Um ein Gründungsprojekt überzeugend zu präsentieren, müsse man vor allem eine gute Geschichte erzählen – das ist die Erfahrung von Manouchehr Shamsrizi, die er in seinem Festvortrag den Teilnehmerinnen, Teilnehmern und Gästen mit auf den Weg gab. Der Philosoph und Politikwissenschaftler hatte 2014 an der Humboldt-Universität das Start-up Retrobrain R&D gegründet, das Spielkonsolen für Senioren entwickelt. Seine Geschichte handelte davon, wie gemeinschaftliches Zocken im Altersheim Demenz und anderen Krankheiten vorbeugen kann. Und sie kam bei Investoren, Medien und Heimbetreibern hervorragend an.

Sein Rat an Gründerinnen und Gründer lautet: „Seien Sie flexibel!“ Man könne durchaus mehrere Narrative gleichzeitig in Umlauf bringen, sagt Manouchehr Shamsrizi. „Es geht vor allem darum, eine Illusion von Sicherheit zu erzeugen, die es jedoch bei einer innovativen Geschäftsidee per Definition gar nicht geben kann.“ Die Vorhersage künftiger Umsätze in einem Businessplan sei also im Grunde nur ein Ritual, das jedoch von allen Beteiligten gefordert werde.

Lina Rusch präsentierte die Idee für die Drehbuchplattform „Screenplay Global“ und wurde mit dem dritten Platz in der Kategorie Social & Cultural belohnt.

Lina Rusch präsentierte die Idee für die Drehbuchplattform „Screenplay Global“ und wurde mit dem dritten Platz in der Kategorie Social & Cultural belohnt.
Bildquelle: Marion Kuka

Aus Fehlern lernen, ohne zu schaden

Aus Sicht des Publikums kam die überzeugendste Geschichte des Abends von Laura Schüller. Die promovierte Tierärztin lehrt seit fast zehn Jahren am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität. Vor zwei Jahren hat sie begonnen, Simulatoren zu entwerfen und zu bauen, an denen angehende Tierärzte Eingriffe praktisch üben können. Die Studierenden können dabei Fehler machen, ohne dass lebende Tiere zu schaden kommen, und aus diesen Fehlern lernen. An Hundebeinen, Kaninchenohren oder Pferdehälsen aus Silikon wird zum Beispiel die Blutentnahme geübt, mit hautähnlichen Naht-Pads lässt sich das Verschließen von Operationsschnitten und Wunden trainieren. Für den wachsenden Bedarf will Laura Schüller künftig selbst entworfene Modelle in Serie produzieren lassen. Ihr Konzept VetEducators erhielt sowohl die meisten Stimmen aus dem Publikum und damit den mit 250 Euro dotierten Publikumspreis als auch den ersten, mit 1.500 Euro dotierten Platz in der Kategorie „Cultural & Social“.

Auch die Plätze zwei und drei dieser Kategorie wurden an Teams der Freien Universität Berlin vergeben: Das zweitplatzierte Projekt Humanity’s Lost Heritage kombiniert ein Pop-up-Buch mit einer Augmented-Reality-App für mobile Endgeräte. Mit dieser Darstellungsform wollen die Macher Weltkulturerbe-Stätten des Nahen und Mittleren Ostens in Szene setzen, die in den vergangenen Jahrzehnten durch Krieg und religiöse Fundamentalisten zerstört worden sind. Das Projekt Screenplay Global (Platz drei) ist eine Plattform für Menschen, die Drehbücher schreiben und veröffentlichen wollen. Zertifizierte Rezensenten und andere Leserinnen und Leser können die Werke auf der Plattform bewerten. Als Website und App soll sich die Plattform über Werbung und Pay-per-Klick finanzieren.

Daniel Neumann (links) und Tim Wienrich (rechts) kamen mit ihrer Idee „Recruity“ in der Kategorie „Digital“ auf den dritten Platz. Die Auszeichnung übergab Dr. Christian Segal (Mitte) von der Berliner Sparkasse.

Daniel Neumann (links) und Tim Wienrich (rechts) kamen mit ihrer Idee „Recruity“ in der Kategorie „Digital“ auf den dritten Platz. Die Auszeichnung übergab Dr. Christian Segal (Mitte) von der Berliner Sparkasse.
Bildquelle: Marion Kuka

Per Chat zum neuen Job

Ein weiteres Team der Freien Universität kam in der Kategorie „Digital“ auf den dritten Platz: Der Kommunikationsassistent Recurity soll mithilfe von künstlicher Intelligenz Prozesse in der Personalentwicklung automatisieren. Die Chatbots – also automatisierte Antworten in Chatprogrammen – werden eingesetzt, um die Kommunikation mit den Bewerberinnen und Bewerbern zu verbessern. „Gerade im Handwerk, wo dringend Nachwuchs gesucht wird, betrachten 55 Prozent der potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das formelle Anschreiben als Hürde“, sagt Daniel Neumann vom Team Recruity. Auch die Vorgesetzten haben wenig Zeit, sich um neues Personal zu kümmern. Der Chatbot von Recruity übernimmt deshalb den ersten Kontakt mit Interessenten, ist 24 Stunden am Tag erreichbar und verleiht dem Betrieb ein modernes Image.

„Wie es für die Teilenehmerinnen und Teilnehmer nach dem Wettbewerb weitergeht, hängt von vielen Faktoren ab“, sagt Steffen Terberl, Leiter von Profund Innovation. Eine Option wäre die Förderung durch das Berliner Startup Stipenidum, das ebenfalls im Verbund der Berliner Universitäten vergeben wird. Bei den Transferstellen ihrer Universität können die Teams sich ausführlich beraten lassen, etwa zur Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells, zum Schutz des geistigen Eigentums sowie über Fördermittel und andere Finanzierungsmöglichkeiten. Aus einigen Ideen der vergangenen Wettbewerbsdurchgänge sind bereits Unternehmen und Produkte entstanden.

Weitere Informationen

Alle Gewinnerinnen und Gewinner auf einen Blick:

  • Kategorie „Digital“
    1. Platz: Navalanche (Technische Universität Berlin)
    2. Platz: ARCAI (Charité – Universitätsmedizin Berlin)
    3. Platz: Recruity (Freie Universität Berlin)
  •  Kategorie „Life Sciences & Technologies“
    1. Platz: SmartCor (Charité – Universitätsmedizin Berlin)
    2. Platz: DiAvEn (Technische Universität Berlin)
    3. Platz: AlphaLink (Technische Universität Berlin)
  •  Kategorie „Cultural & Social“
    1. Platz: VetEducators (Freie Universität Berlin)
    2. Platz: Humanity’s Lost Heritage (Freie Universität Berlin)
    3. Platz: Screenplay Global (Freie Universität Berlin)

Pressemitteilung über alle Preisträger der Research to Market Challenge 2018

Der nächste Durchgang der Research to Market Challenge startet voraussichtlich im Frühjahr 2019. Termine werden rechtzeitig auf der Website www.marketchallenge.de veröffentlicht.

Beispiele für Start-ups früherer Teilnehmerinnen und Teilnehmer: