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Das fantastische Klassenzimmer

Fantasiewelten und Zukunftsreisen – mit Ausgründungen wie „Die Zukunftsbauer“ oder „Mastory“ haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität innovative Konzepte für Schulen entwickelt

19.10.2020

Wenn das Klassenzimmer zum Raumschiff wird: Um die kryptischen Nachrichten des Alien entziffern zu können, müssen die Kinder addieren und substrahieren. Das lernen sie hier ganz spielerisch.

Wenn das Klassenzimmer zum Raumschiff wird: Um die kryptischen Nachrichten des Alien entziffern zu können, müssen die Kinder addieren und substrahieren. Das lernen sie hier ganz spielerisch.
Bildquelle: Alida Szabó

Die Reise in die Mathematik beginnt mit einer Frau. Die Mathematikerin Wilma Szamado übermittelt den Schülerinnen und Schülern eine Nachricht: Sie sollen ihren Freund, das Alien Moix, im Weltraum besuchen.

In den nächsten Stunden lernen die Kinder ganz spielerisch mathematisches Denken und Problemlösen. Das Klassenzimmer wird zum Raumschiff, sie programmieren einen Roboter, messen auf der Navigations-Karte Winkel, beim Tanz mit dem Alien geht es um Spiegelungen an der Achse.

Innovatives Bildungskonzept Arbeitsbereichs Grunschulpädagogik

„Mathalaxie“ ist ein innovatives Bildungskonzept, das an der Freien Universität Berlin entwickelt wurde und im Rahmen von Projektwochen und Ferienkursen von Studierenden der Grundschulpädagogik an Berliner Schulen umgesetzt wird. Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer schlüpfen selbst in die Rollen von Astronauten-Ausbildern und außerirdischen Kreaturen. Die Kinder erschließen sich im Dialog mit ihnen die Lösung mathematischer Aufgaben.

„Das Konzept lässt den Kindern Raum dafür, Ideen ganz frei zu äußern, auch mal Irrwege zu gehen und sich selbst korrigieren zu können“, sagt Hauke Straehler-Pohl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Grundschulpädagogik der Freien Universität Berlin. Er hat ‚Mathalaxie‘ mitentwickelt, dessen Ziel es ist, angehenden Lehrkräften einen alternativen Mathematikunterricht nahezubringen, der Kinder ganz natürlich mitreiße.

„Das Konzept schafft eine neue Form von Kollektivität und Interaktion zwischen den Kindern, die auch für die Forschung hochspannend ist“, sagt Professor Uwe Gellert, Professor für Grundschulpädagogik an der Freien Universität und Mentor bei Mathalaxie.

Mathe begreifen: In Projektwochen und Ferienkursen werden Grundschulkinder durch das Konzept Mathalaxie auf besondere Weise an Mathematik herangeführt.

Mathe begreifen: In Projektwochen und Ferienkursen werden Grundschulkinder durch das Konzept Mathalaxie auf besondere Weise an Mathematik herangeführt.
Bildquelle: Alida Szabó

Die ursprüngliche Idee zu Mathalaxie hatten die Mathematiker Marta Vitalis und Felix Schwarz, die mittlerweile auf Grundlage des didaktischen Konzepts das Start-up „Mastory“ gegründet haben. „Wir möchten Lehrerinnen und Lehrern jetzt ein System an die Hand geben, mit dem sie eigenständig spannende Mathestunden gestalten können“, sagt Marta Vitalis.

Ein Spiel mit der Fantasie

Dafür hat das vierköpfige Team zum einen ein sogenanntes Dashboard entwickelt, ein kleines Tablet, das die Lehrkräfte durch die Geschichte leitet. Es ist über ein Netzwerk mit den Geräten für die Schülerinnen und Schüler verbunden. Mit einem handgroßen magischen Stein können diese zum Beispiel ihre Arbeitsergebnisse scannen und damit den Verlauf der Geschichte beeinflussen.

Eine kleine Box dient als Teleporter, über den die Kinder mit Außerirdischen Objekte austauschen können. So erhalten sie zum Beispiel kryptische Nachrichten aus dem All, bei deren Entschlüsselung sie spielerisch Addition oder Subtraktion trainieren.

Da sie unbedingt wissen wollten, was hinter der Nachricht des Aliens steckt, seien sie hochmotiviert, sagt Marta Vitalis. Sie erinnert sich an ihre eigene Schulzeit: „Für mich war Mathematik schon immer vor allem ein Spiel mit der Fantasie.“ Im Frühjahr 2021 sollen die Mastory-Produkte auf den Markt kommen.

„Die Zukunftsbauer“

Eine weitere Ausgründung, die Innovation in die Schule bringen will, ist die Bildungsinitiative „Die Zukunftsbauer“. Sie unterstützt Schülerinnen und Schüler dabei, in Zeiten des globalen Wandels positive Visionen und Utopien zu entwickeln.

Aileen Moeck, die „Die Zukunftsbauer“ gemeinsam mit Jens Konrad ins Leben gerufen hat, stellte während ihres Masterstudiums Zukunftsforschung an der Freien Universität fest, dass die Fragen, mit denen sie sich dort beschäftigte, in Schulen viel zu wenig gestellt werden. Was passiert gerade auf der Welt? Und wo führt uns das hin? Wie gehe ich mit Unsicherheit und Komplexität um? Welche Auswirkungen hat mein jetziges Handeln auf die Zukunft?

Wie drängend diese Themen sind, merke sie heute, wenn sie mit Schülerinnen und Schülern spreche. Die Kinder und Jugendlichen machten sich Sorgen über Klimawandel, Umweltzerstörung, Rassismus, das soziale Miteinander. „Der Weltschmerz und die Frustration sind groß“, sagt Aileen Moeck. „Viele fühlen sich ohnmächtig.“ Das liege auch daran, dass es zu wenige Möglichkeiten für sie gebe, mitzuwirken.

Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgezeichnet

Um junge Menschen wieder dafür zu begeistern, neugierig und kreativ zu sein, haben die Gründer „Die Zukunftsreise“ für die Klassen 8 bis 10 konzipiert. Mithilfe dieser Materialien überlegen die Jugendlichen zunächst, wie eine Zukunft aussehen sollte, in der sie gerne leben würden. Anschließend reflektieren sie darüber, was getan werden müsste, damit diese real wird.

Sie entwerfen neue Rollen und Berufsbilder, die zu dieser Mission beitragen könnten: der Baum-Dolmetscher, der im Parlament die Rechte des Waldes vertritt, die Hologramm-Architektin, der Hausmeister für gutes Miteinander oder die Organ-Laborantin, die mit einem 3-D-Drucker künstliche Nieren oder Lungen herstellt.

Bereits 2018 wurden „Die Zukunftsbauer“ beim Hochschulwettbewerb zum Wissenschaftsjahr zum Thema „Arbeitswelten der Zukunft“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für ihre Idee mit 10.000 Euro ausgezeichnet.

Außerdem wurde den Gründerinnen und Gründern von „Mastory“ und „Die Zukunftsbauer“ ein Berliner Startup-Stipendium verliehen, mit dem die Freie Universität, die Technische Universität, die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die Humboldt-Universität Ausgründungen fördern.

Leiden unter der Pandemie-Situation

In Zeiten von Corona haben es auch „Die Zukunftsbauer“ schwer. Die Schulen haben alle Veranstaltungen wegen der Pandemie abgesagt. Vorträge entfallen, Lehrerfortbildungen finden nicht statt. „Für gemeinnützige Organisationen gibt es kein Hilfspaket“, sagt Aileen Moeck. Sie hofft, dass „Die Zukunftsbauer“ die Pandemie überstehen.