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Die nächste Generation der Genom-Analyse

Das Start-up Omiqa – eine Ausgründung der Freien Universität – entwickelt eine Plattform für die Analyse von Genom-Daten

22.07.2020

„Jetzt oder nie!“ Mit einem EXIST-Gründerstipendium wollen drei Biochemiker ihr eigenes Unternehmen aufbauen.

„Jetzt oder nie!“ Mit einem EXIST-Gründerstipendium wollen drei Biochemiker ihr eigenes Unternehmen aufbauen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Tom Haltenhof, Alexander Neumann und Didrik Olofsson haben mehrere Jahre gemeinsam am Institut für Biochemie der Freien Universität geforscht. Sie haben erkannt, dass die nächste Generation der DNA-Sequenzierungstechnologie boomt. Mit ihrer Online-Plattform Omiqa wollen sie es Forscherinnen und Forschern ohne bioinformatische Kenntnisse ermöglichen, komplexe Analysen von Genom-Daten im Hochdurchsatzverfahren selbst durchzuführen. Seit April 2020 erhält das Team ein EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und wird von der Gründungsförderung der Freien Universität Berlin betreut. Mentor der drei Biochemiker ist Florian Heyd, Professor für RNA-Biochemie an der Freien Universität Berlin. Campusleben sprach mit den Gründern.

Herr Neumann, Herr Haltenhof, Herr Olofsson, wer soll Ihre Plattform nutzen und wofür?

Alexander Neumann: Ein Beispiel aus der Zukunft: Im Krankenhauslabor werden Krebszellen und gesunde Zellen eines erkrankten Patienten sequenziert. Über unsere Analyseplattform werden die genetischen Unterschiede ermittelt. Das Ergebnis hilft bei der Auswahl passgenauer Medikamente.

Diese Art der personalisierten Medizin wird zwar in Einzelfällen schon angewendet, ist aber noch nicht Standard. Für eine medizinische Anwendung müssen verständlicherweise viele Regeln beachtet und Qualitätsnachweise erbracht werden, sodass wir diesen Markt erst mittelfristig angehen wollen. Zunächst wenden wir uns an akademische Forschungsgruppen und forschende Unternehmen.

Der promovierte Biochemiker Tom Haltenhof ist bei Omiqa unter anderem für Investorensuche, Marketing und Kommunikation zuständig.

Der promovierte Biochemiker Tom Haltenhof ist bei Omiqa unter anderem für Investorensuche, Marketing und Kommunikation zuständig.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Tom Haltenhof: In den Lebenswissenschaften laufen viele Experimente nach dem gleichen Muster ab: Zellen in Zellkulturen oder Organismen werden mit einem Stimulus behandelt – in unserer ehemaligen Arbeitsgruppe für RNA-Biochemie war es zum Beispiel häufig eine bestimmte Temperatur. Darauf reagieren die Zellen, indem sie sich verändern. Die Art der Veränderung können wir mit unseren Analysen darstellen. Die Ergebnisse geben Aufschluss über biochemische Prozesse in der Zelle.

Didrik Olofsson: Man kann auch eine Boden- oder Wasserprobe sequenzieren und auf diese Weise herausfinden, welche Bakterien sie enthält und ob man das Wasser noch trinken sollte. Oder die genetischen „Stammbäume“ von Coronaviren nachverfolgen. Oder an Tatorten von Verbrechen gesammelte biologische Spuren auswerten. Es gibt unzählige Anwendungen. Die Sequenzierung wird immer günstiger, also nimmt die erzeugte Datenmenge exponentiell zu. Die Zahl der Bioinformatikerinnen und -informatiker wächst allerdings nicht so schnell. Deshalb sehen wir großes Potenzial für unsere Geschäftsidee.

Wie kann man sich den Ablauf vorstellen?

Tom Haltenhof: Für die Entnahme von biologischen Proben gibt es Standards. In Laboren wird die Probe aufbereitet und sequenziert – das heißt, die Erbinformationen der Zellen werden „abgelesen“ oder „entschlüsselt“. Das Ergebnis sind mehrere Gigabyte große Textdateien, die aus den vier Gen-Buchstaben bestehen: A für Adenin, T für Thymin, C für Cytosin und G für Guanin. Aus diesen Textdaten extrahieren wir – anhand von passenden Referenzdaten – einen biologischen Sinn. Mit den dafür geeigneten bioinformatischen Werkzeugen haben wir schon häufig gearbeitet. Und als Biochemiker verstehen wir, worum es in den Projekten unserer künftigen Kunden geht und können ihre Daten so auswerten, dass sie relevante Informationen preisgeben.

Welches Kundenproblem lösen Sie mit Ihrer Geschäftsidee?

Der promovierte Biochemiker Alexander Neumann führt die Gespräche mit potenziellen Kunden und schafft die Grundlagen für das Start-up: Vom Bankkonto über das Logo bis zum Berichtswesen.

Der promovierte Biochemiker Alexander Neumann führt die Gespräche mit potenziellen Kunden und schafft die Grundlagen für das Start-up: Vom Bankkonto über das Logo bis zum Berichtswesen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Alexander Neumann: Akademische Gruppen haben zurzeit nur drei Möglichkeiten, Genomanalysen durchzuführen: Sie können selbst eine Expertin oder einen Experten dafür einstellen. Das lohnt sich jedoch nicht, wenn nur alle paar Wochen eine Analyse benötigt wird. Deshalb sind Kooperationen mit anderen, auf Analyse spezialisierten Arbeitsgruppen häufig das Mittel der Wahl. Weil die Bioinformatikerinnen und -informatiker jedoch stark ausgelastet sind, dauert es lange und die Ergebnisse kommen meist in einer großen Excel-Liste mit nur wenigen Erläuterungen – ohne Aufbereitung und Interpretation. Die dritte Variante, die Zusammenarbeit mit kommerziellen Anbietern, ist relativ teuer und meist auch nicht schneller. Außerdem arbeiten viele Anbieter mit veralteter Software, das haben wir bei Testaufträgen erlebt. Da ist also noch viel Luft nach oben. Wir wollen schneller sein, valide und relevante Ergebnisse zu transparenten Kosten liefern und die Ergebnisse verständlich präsentieren. Später sollen unsere Kunden über eine intuitiv bedienbare Schnittstelle ihre Daten auch selbst bearbeiten können.

Didrik Olofsson: Unser mittel- bis langfristiges Ziel ist, alle Prozesse soweit wie möglich zu automatisieren. Zunächst werden wir – quasi als Beratungsfirma – intensiv mit Testkunden zusammenarbeiten, um deren Bedürfnisse kennenzulernen. Kontakte bestehen bereits zu Arbeitsgruppen an der Freien Universität, aber auch an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, am Max-Delbrück-Centrum und zu Biotech-Unternehmen. Mit diesen Erfahrungen bauen wir parallel die Plattform auf.

Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, die Wissenschaft zu verlassen und ein Unternehmen zu gründen?

Alexander Neumann: Ich habe lange überlegt, ob ich in der Wissenschaft bleibe – und mich dagegen entschieden. Christine Reuter, die Innovationsmanagerin von Profund Innovation, der Service-Einrichtung für die Förderung von Unternehmensgründungen und Innovationen in der Abteilung Forschung, war im richtigen Moment in unserer Arbeitsgruppe zu Gast und hat uns vom EXIST-Gründerstipendium erzählt. Da haben wir uns gesagt: Jetzt oder nie!

Der Biochemiker Didrik Olofsson arbeitet derzeit an der Website von Omiqa und entwickelt bioinformatische Analysemethoden.

Der Biochemiker Didrik Olofsson arbeitet derzeit an der Website von Omiqa und entwickelt bioinformatische Analysemethoden.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Didrik Olofsson: Ich fand es spannend, die Idee mit der Sequenzierungsplattform zu verfolgen, um zu sehen, ob wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern damit helfen können.

Tom Haltenhof: Als Gründer kann ich selbst entscheiden, in welche Richtung ich gehen will. Das ist zwar auch ein bisschen riskant, macht es für mich aber umso interessanter.

Wie unterstützt die Freie Universität Sie bei der Gründung?

Alexander Neumann: Mit unserem Büro in der Gründervilla in der Altensteinstraße 40 sind wir in ein großes Netzwerk eingebettet. Die Kolleginnen und Kollegen des Gründungsteams Quantum on Demand verfolgt zum Beispiel seit knapp einem Jahr eine ähnliche Idee wie wir, nur in einem anderen Bereich. Sich mit diesem Team auszutauschen, ist für uns sehr wertvoll. Außerdem bietet Profund Innovation viele Workshops an, die uns helfen, neue Fähigkeiten zu entwickeln und unser Start-up in bestimmten Aspekten voranzubringen.

Was steht gerade ganz oben auf Ihren To-Do-Listen?

Alexander Neumann: Ich führe Gespräche mit potenziellen Kunden und schaffe die Grundlagen für unser Unternehmen: Vom Bankkonto über das Logo bis zum Berichtswesen.

Didrik Olofsson: Ich arbeite an der Homepage und spreche deshalb mit Designern und Web-Entwicklern. Außerdem bin ich dabei, unsere bioinformatischen „Pipelines“ – also unsere Analysemethoden – weiterzuentwickeln.

Tom Haltenhof: Bei mir steht neben der Kundenakquise auch das Marketing auf dem Zettel. Ich beobachte mögliche Wettbewerber, um eine Strategie für uns abzuleiten. Aber auch potenzielle Investoren nehme ich schon mal in den Blick, um mit der richtigen Kommunikation von Anfang an Vertrauen in unser Unternehmen aufzubauen.

Die Fragen stellte Marion Kuka.

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