Springe direkt zu Inhalt

Bewegen und erleben

Die Ausgründung RooWalk gewinnt den Gründungspreis der Berliner Sparkasse – ihre innovative Gehhilfe verändert das Leben körperlich eingeschränkter Menschen

14.07.2023

Glückwunsch zum Gründungspreis: Zusammen mit der Ingenieurin Maria Enge entwickelte der promovierte Ingenieur Benjamin Pardowitz die erste intelligente Gehhilfe für Kinder mit angeborenen oder erworbenen neuromuskulären Erkrankungen.

Glückwunsch zum Gründungspreis: Zusammen mit der Ingenieurin Maria Enge entwickelte der promovierte Ingenieur Benjamin Pardowitz die erste intelligente Gehhilfe für Kinder mit angeborenen oder erworbenen neuromuskulären Erkrankungen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Im Wettbewerb um den 11. Gründungspreis der Berliner Sparkasse hat das Start-up RooWalk die Herzen von Fachleuten und Publikum gleichermaßen erobert. Mit der innovativen Gehhilfe, die auf dem Segway-Prinzip basiert, wollen Gründerin Maria Enge und Gründer Benjamin Pardowitz körperlich eingeschränkten Kindern und Erwachsenen die Freude an der Bewegung zurückgeben und ihnen eine selbstbestimmte Mobilität ermöglichen.

Verliehen wurde die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung auf der gemeinsamen Veranstaltung von NFUSION Entrepreneurs Network Freie Universität Berlin, der Berliner Sparkasse und Profund Innovation, der Service-Einrichtung für die Förderung von Unternehmensgründungen und Innovationen in der Abteilung Forschung der Freien Universität Berlin. Dort präsentierten sich drei Ausgründungen aus dem Umfeld der Freien Universität, die sich in einem Vorentscheid gegen acht weitere starke Teams durchgesetzt hatten. Die Entscheidung für RooWalk fiel durch das Votum des Publikums.

„In unserer Gründungsurkunde steht als Aufgabe die Förderung der Wirtschaft“, erläuterte Olaf Schulz, Generalbevollmächtigter der Berliner Sparkasse, in seiner Begrüßungsrede. „Wo fängt man damit an? Natürlich bei Gründer*innen!“ Bei Start-ups sei immer ein spezieller Vibe zu spüren – und die Unternehmen, die dabei entstehen, schufen viele Arbeitsplätze für Berlin, betonte er.

Das konnte Michael Biel, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe in seiner Rede mit Zahlen belegen. „Diejenigen, die sich auf den Weg machen und ihre Ideen in dieser Stadt umsetzen, haben viel zum Wirtschaftswachstum der letzten Jahre beigetragen.“ Deshalb sei er so häufig in Sachen Start-ups unterwegs und setze sich für Fördermaßnahmen ein, etwa für den Chancenfonds, den die Senatsverwaltung nächstes Jahr aufstocken werde, um weibliche Gründungen in der Stadt noch stärker zu unterstützen.

Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler bedankte sich in seiner Rede für das langjährige Engagement der Berliner Sparkasse für die Gründungskultur an der Freien Universität. „Bei vielen Dingen zählt der lange Atem“, so der Präsident. „An einem Abend wie diesem werden wir mit Erfolgsgeschichten dafür belohnt.“

Eine solche Erfolgsgeschichte ist RooWalk. „Kinder sind viele Stunden am Tag in Bewegung. Sie hüpfen noch auf dem Sofa, wenn sie schon längst im Bett sein sollten. Durch Bewegung lernen sie auch soziale Interaktion“, erläuterte Gründer Benjamin Pardowitz in seiner Präsentation. Kindern, die aufgrund einer Behinderung im Rollstuhl sitzen, fehle dieses Lernen. Dadurch gerieten sie noch mehr ins Hintertreffen.

Zusammen mit der Ingenieurin Maria Enge entwickelte der promovierte Ingenieur die erste intelligente Gehhilfe für Kinder mit angeborenen oder erworbenen neuromuskulären Erkrankungen, bei denen Gleichgewicht, Motorik und Haltung beeinträchtigt sind und deren Muskelkräfte nicht ausreichen, um kontrolliert und selbstständig über einen längeren Zeitraum aufrecht zu stehen oder zu gehen.

Eine selbstlernende Steuerung unterstützt Bewegungsmuster

Inspiriert wurde das Team durch den Segway Personal Transporter, ein elektrisch angetriebenes Ein-Personen-Fahrzeug mit zwei auf derselben Achse liegenden Rädern, das sich durch eine elektronische Antriebsregelung selbst in Balance hält. Auch ihr Modell hat zwei elektrisch angetriebene Räder. Diese sind mit einer Aufhängung verbunden, die dem Kind ermöglicht, freihändig aufzustehen, sich zu bücken, zu krabbeln und zu gehen. Eine selbstlernende Steuerung mit Algorithmen erkennt und unterstützt Bewegungsmuster.

Seit RooWalk im April 2021 mit einem Berliner Startup Stipendium in Kooperation mit Charité BIH Innovation und Profund Innovation gestartet ist, hat das Team zahlreiche Preise gewonnen, ein EXIST-Gründerstipendium eingeworben, eine GmbH gegründet, ein Patent eingereicht und weitere Fördermittel akquiriert. In Zusammenarbeit mit dem Kinderspital Zürich wird die Gehilfe im Rahmen einer klinischen Studie erprobt.

„Wir sind überzeugt, dass unser Produkt die nächste Generation von Mobilitätslösungen ist“, sagt Benjamin Pardowitz. Denn auch Erwachsene mit Verletzungen, Schlaganfällen, Behinderungen oder Mobilitätsproblemen im Alter können davon profitieren. Das Publikum war ebenfalls überzeugt – von der Ingenieurleistung ebenso wie vom soliden Geschäftsaufbau des Teams – und kürte RooWalk zum diesjährigen Preisträger.

Auch die beiden weiteren Finalisten, die Start-ups iur.crowd und sylby, erhielten viel Beifall für ihre Präsentationen und nahmen jeweils einen Scheck über 1.000 Euro Preisgeld mit nach Hause. Gründer Frederik Tholey präsentierte für iur.crowd, eine KI-basierte Plattform zur Analyse von Gerichtsentscheidungen. Nur ein Prozent aller Gerichtsentscheidungen werden in Deutschland veröffentlicht, erläuterte der Jurist. Das liege hauptsächlich an der aufwendigen händischen Anonymisierung der Gerichtsentscheidungen und sei ein massives Problem für die Transparenz des Rechts.

Sein Team entwickelte iur.crowd mithilfe eines Netzwerks innerhalb der Anwaltschaft, um Jurist*innen zu ermöglichen, datengetrieben zu arbeiten und bis zu 75 Prozent Recherchezeit einzusparen. Mithilfe von maschinellem Lernen werden unter anderem Metadaten für die automatisierte empirische Auswertung von Gerichtsentscheidungen extrahiert, etwa die durchschnittliche Höhe von Schadensersatzleistungen, häufig auftretende Argumentationsmuster und Erfolgsquoten von Anwält*innen.

Nachwuchsunternehmer*innen profitieren durchs Netzwerken

Das Start-up Sylby, der zweite Finalist, nutzt künstliche Intelligenz für eine App zum Trainieren der Aussprache beim Erlernen von Fremdsprachen. Demografischer Wandel und Fachkräftemangel würden Firmen dazu bringen, mehr in die Kommunikationsfähigkeit ihrer internationalen Teams zu investieren, erläuterte die Gründerin und Linguistin Vera Scholvin. „Eine gute Aussprache baut Barrieren ab und steigert Produktivität und Zufriedenheit“, betonte sie. Sylby biete passende Übungen: Sprechmuskeltraining, detailliertes Echtzeit-Feedback und tolle Tricks für jedes individuelle Problem.

Neben den Geldpreisen profitieren Nachwuchsunternehmer*innen auf solchen Veranstaltungen aber vor allem durchs Netzwerken – das zeigte sich in vielen Gesprächen nach dem offiziellen Programm, an denen auch Preisträger vergangener Jahre teilnahmen. Beim Buffet unter freiem Himmel am Wannsee wurden Kontaktdaten weitergegeben, Erfahrungen ausgetauscht und Pläne geschmiedet.

Weitere Informationen