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Vielleicht das nächste Einhorn?

Drei Teams der Freien Universität wurden im Wettbewerb Research to Market Challenge für ihre forschungsbasierten Geschäftsideen ausgezeichnet. campus.leben stellt sie vor. Teil 1: DiDi.vet

22.09.2023

Haben mit ihrem Konzept für die App „DiDi.vet“ den Sonderpreis Künstliche Intelligenz gewonnen: Linus Helfmann, Christopher Kilian, Nicolas J. Lehmann, Torben Scherenberg- (v.l.n.r.).

Haben mit ihrem Konzept für die App „DiDi.vet“ den Sonderpreis Künstliche Intelligenz gewonnen: Linus Helfmann, Christopher Kilian, Nicolas J. Lehmann, Torben Scherenberg- (v.l.n.r.).
Bildquelle: Berliner Sparkasse

Einhörner glitzern, können fliegen – und in der Start-up-Welt sind sie vor einem Verkauf oder Börsengang mindestens Milliarde US-Dollar wert. Auch in Deutschland gibt es inzwischen einige Unternehmensgründungen, die sich als Einhörner entpuppt haben, etwa der Web-Übersetzer DeepL oder der Lieferdienst Flink. Aber wie sehen die fabelhaften Wundertiere aus, wenn sie noch ganz klein sind? Vielleicht wie die Geschäftsideen der drei Teams aus der Freien Universität, die im Wettbewerb Research to Market Challenge prämiiert wurden?

„Den Traum von einer Milliardenbewertung träumen unsere Teilnehmer*innen wahrscheinlich nicht“, sagt Anna Figoluschka, Gründungsberaterin bei Profund Innovation, der Service-Einrichtung für die Förderung von Unternehmensgründungen und Innovationen in der Abteilung Forschung der Freien Universität, die den Wettbewerb organsiert hat. „Ihre Motivation ist eher der Wunsch, eine gute Idee aus der Forschung zu den Menschen zu bringen, die sie gebrauchen können.“ Viele wollten auch ausprobieren, ob die Arbeit an einem Gründungsprojekt eine berufliche Option für sie sei.

Ausgeschrieben wird der Wettbewerb jedes Jahr von Science & Startups, dem Verbund der Start-up-Services von Freier Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technischer Universität Berlin und in Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

In drei Kategorien gibt es Preisgelder von insgesamt 11.000 Euro zu gewinnen – gestiftet von der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universitäts-Gesellschaft, der Gesellschaft von Freunden der Technischen Universität Berlin, der Stiftung Charité und der Berliner Sparkasse. Auch die Driven Investment GmbH war in diesem Jahr Sponsor.

Teilnehmen können Studierende, Absolvent*innen, Promovierende und wissenschaftliche Mitarbeitende. Eine Jury bewertete die Einreichungen im Hinblick auf Innovationsgehalt, Forschungsbezug, Realisierbarkeit und Kundennutzen.

DiDi_vet soll als digitaler Assistent Tierärzt*innen bei der täglichen Arbeit unterstützen.

DiDi_vet soll als digitaler Assistent Tierärzt*innen bei der täglichen Arbeit unterstützen.
Bildquelle: Privat

DiDi.vet: Sonderpreis Künstliche Intelligenz

Bereits zum zweiten Mal wurde im Rahmen des Ideenwettbewerbs Research to Market Challenge auch ein Sonderpreis für Geschäftsideen vergeben, die auf dem Einsatz künstlicher Intelligenz beruhen. K.I.E.Z., das Künstliche Intelligenz Entrepreneurship-Zentrum von Science & Startups, hat den Preis gestiftet, gewonnen haben ihn Torben Scherenberg, Christopher Kilian, Linus Helfmann und Nicolas J. Lehmann mit ihrem Konzept für DiDi.vet.

Die App soll Veterinärmediziner*innen bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen. „Wenn Tierärzt*innen ihre Patienten zum ersten Mal sehen, müssen sie eine möglichst treffende Diagnose stellen, um die optimale Therapie auszuwählen“, erklärt Torben Scherenberg. Der Tierarzt promoviert an der Klein- und Heimtierklinik der Freien Universität und wird durch das Promotionsstipendium der Akademie für Tiergesundheit e.V. unterstützt. Oft kommen für ein Symptom aber mehrere Ursachen in Frage. Außerdem können Tiere selbst nichts zur Anamnese beitragen, weil sie ihre Beschwerden nicht beschreiben können.

Tiermedizin kooperiert mit Informatik

„Deshalb ist es gar nicht so einfach, eine Differentialdiagnosen-Liste zu erstellen, also eine Liste von Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik, und daraus die richtige Diagnose zu ermitteln“, sagt Torben Scherenberg. „DiDi.vet assistiert dabei und bietet gleichzeitig ein handliches Nachschlagewerk für Symptome, Befunde und Krankheiten.“ Anders als in der Humanmedizin sei solch ein automatisiertes und mobil verfügbares Assistenzsystem für Differenzialdiagnosen in der Tiermedizin noch nicht auf dem Markt.

Die Klein- und Heimtierklinik der Freien Universität kooperiert schon länger mit der Arbeitsgruppe Datenbanken und Informationssysteme am Institut für Informatik. Dort sind der Doktorand Nicolas Lehmann und die beiden Masterstudierenden Linus Helfmann und Christopher Kilian am Projekt beteiligt. Unterstützung erhält das Team von der Informatikprofessorin Agnès Voisard und der Privatdozentin Kerstin Müller, am Fachbereich Veterinärmedizin Leiterin der Arbeitsgruppe Kleinsäuger, Reptilien, Zier‐ und Wildvögel.

„Unser digitaler Assistent hat zwei separate KI-Komponenten“, erklärt Nicolas Lehmann: „ein regelbasiertes und ein statistisches System, die sich ergänzen.“ Das regelbasierte System beruht auf wissenschaftlich belegten Regeln, aus denen eine Diagnose-Empfehlung abgeleitet wird. Das statistische System identifiziert Zusammenhänge in gespeicherten Falldaten, meldet besondere Vorkommnisse, etwa das gehäufte Auftreten von ähnlichen Fällen, und entwickelt Hypothesen, die durch die Anwender*innen bestätigt oder verworfen werden können.

„Auf diese Weise kann das DiDi.vet-System auch neue Impulse für die Forschung geben und im Mensch-Computer-Dialog bestätigte Hypothesen ins Regelwerk übernehmen“, sagt der KI-Fachmann. Torben Scherenberg erläutert dies an einem Beispiel: „Ein Hund trinkt enorm viel Wasser, muss häufig pinkeln, hat Heißhunger, verliert aber an Gewicht. Bei der Laboruntersuchung stellt sich heraus, dass sein Blutzuckerspiegel erhöht ist und Zucker im Urin ausgeschieden wird.“

Feedback fließt in die Fallsammlung ein

Das regelbasierte System setzt bei diesen Symptomen und Befunden die Diagnose Diabetes mellitus an die erste Stelle. Stellt sich diese Diagnose als falsch heraus oder ergeben sich im Lauf der Behandlung neue Erkenntnisse, kann dies über DiDi.vet gemeldet werden und fließt in die Fallsammlung ein. Die behandelnde Person kann in der App auch manuell nach ähnlichen Fällen suchen und diese mit ihrem Patienten vergleichen. Die eingegebenen Informationen können vom Smartphone oder Tablet automatisch an die Praxis übertragen werden, sodass für die viel beschäftigten Tierärzt*innen keine doppelte Arbeit entsteht.

„Unser Prototyp muss nun validiert werden“, berichtet Nicolas Lehmann. Im direkten Vergleich mit der gängigen Diagnose-Praxis soll der digitale Assistent beweisen, dass er korrekte Ergebnisse liefert. „Weil diese Phase sehr aufwendig ist, versuchen wir, mit Unterstützung von Profund Innovation Fördermittel einzuwerben.“

Der Wettbewerb bringt Aufmerksamkeit und Preisgeld

Später will das Team neben der Version für die Profis auch eine Variante für Tierhalter*innen anbieten. Über die App erhalten sie Therapieanweisungen in verständlicher Form und können Feedback zum Heilungsverlauf an die Klinik oder Praxis senden. „Die Teilnahme am Wettbewerb hat uns neben Preisgeld und Aufmerksamkeit vor allem Zugriff auf ein Netzwerk von Spezialisten gebracht“, sagt Torben Scherenberg. „Wir freuen uns sehr über die große Hilfsbereitschaft.“

Ob und wie DiDi.vet vielleicht helfen kann, auch Einhörner aufzupäppeln, darüber wollten die angehenden Gründer noch nichts verraten.

Weitere Informationen

Kontakt:

torben.scherenberg@fu-berlin.de, nicolas.lehmann@fu-berlin.de