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„Gut gemeint, aber schlecht gelaufen“

Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel diskutierten mit Studierenden der Freien Universität über Bildungsfragen

10.12.2009

Steinmeier und Gabriel mussten sich erst ihren Weg durch den voll besetzten Hörsaal A im Henry-Ford-Bau bahnen

Steinmeier und Gabriel mussten sich erst ihren Weg durch den voll besetzten Hörsaal A im Henry-Ford-Bau bahnen
Bildquelle: Tomasz Kurianowicz

„Die SPD ist am besten, wenn Leute da sind, die ihr Feuer unterm Hintern machen“, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel

„Die SPD ist am besten, wenn Leute da sind, die ihr Feuer unterm Hintern machen“, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel
Bildquelle: Tomasz Kurianowicz

Der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier: „Dieser Universität verdanken wir einen großen Bildungsaufbruch in Deutschland.“

Der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier: „Dieser Universität verdanken wir einen großen Bildungsaufbruch in Deutschland.“
Bildquelle: Tomasz Kurianowicz

Die aktuelle Debatte um die Zukunft der Bologna-Reform hat die obersten Etagen der Politik erreicht: Am Dienstag waren Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, und Sigmar Gabriel, Vorsitzender der SPD, an die Freie Universität Berlin gekommen, um über politische Auswege aus der Bildungskrise zu diskutieren.

Der Hörsaal A des Henry-Ford-Baus der Freien Universität war bis zum letzten Sitzplatz belegt. Studentinnen und Studenten mussten auf Fensterbänken und Treppenstufen Platz suchen, um Zugang zur Veranstaltung mit den prominenten Bundespolitikern zu bekommen.

Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel blickten auf Studierende, die gespannt auf Antworten warteten; die sich engagiert zu Wort meldeten und wissen wollten, wie die Politik die Zukunft des Bachelors und Masters und den Verlauf der Bologna-Reform bewertet. Als sich beide Politiker erfolgreich durch die Menschenmassen gekämpft und das Rednerpult erreicht hatten, erläuterten sie ihre Standpunkte mit klaren Worten.

Vernünftige Doppelstrategie

„Die Ökonomisierung der Bildung ist falsch. Aber Bildung muss auch dazu dienen, die Leistungsfähigkeit unseres Landes zu gewährleisten. Auch die Sozialdemokraten haben dieses Problem nicht hinreichend bewältigt“, rief Gabriel in die Menge. Der Parteivorsitzende der SPD sprach sich gegen Stipendienprogramme aus und befürwortete eine breitere BAföG-Förderung. Gabriel erinnerte mit Nachdruck daran, welche enorm wichtige Rolle gut ausgebildete Fachkräfte in Deutschland spielten: „Wenn ein Land kein Gold im Boden hat, dann muss es auf das Gold in den Köpfen setzen.“

Der SPD-Parteivorsitzende zeigte Verständnis für den Unmut der Studenten, betonte jedoch, dass die Förderung von Spitzenforschung in Deutschland nicht gegen andere Themen ausgespielt werden dürfe. Deshalb rechtfertigte er auch die Einrichtung der Exzellenzinitiative durch die ehemalige SPD-Bildungsministerin Edelgard Buhlman. Er plädierte für eine vernünftige Doppelstrategie, um Spitzenforschung und Breitenförderung gleichermaßen zu garantieren.

„Ohne den Bildungsaufbruch in den späten 1960er Jahren wäre ich jetzt nicht hier“

Nach Sigmar Gabriels Auftritt kam Frank-Walter Steinmeier ans Rednerpult. Der ehemalige Kanzler-Kandidat ermutigte die Studierenden, vehement für ihre Rechte einzutreten. Steinmeier verwies auf die gesellschaftlichen Errungenschaften, die durch Proteste speziell an der Freien Universität erreicht worden seien. „Dieser Universität verdanken wir einen großen Bildungsaufbruch in Deutschland“, sagte Steinmeier und blickte dabei auf seine eigene Jugend zurück: „Ich wuchs in einem Elternhaus ohne Klavier und Bücherschrank im Wohnzimmer auf. Hätte es diesen Bildungsaufbruch nicht geben, dann wären ich und Sigmar Gabriel heute sicherlich nicht hier.“

Steinmeier gab sich nachdenklich und gestand Fehler ein, die während der Rot-Grünen Koalition im Zuge der Bologna-Reform gemacht worden seien. „Vieles war gut gemeint, vieles ist schlecht gelaufen.“ Steinmeier und Gabriel zeigten sich interessiert an Verbesserungsvorschlägen und wollten von den Studierenden wissen, mit welchen Schwierigkeiten sie sich im Studium konfrontiert sähen. Die Studierenden erläuterten ihre Sicht und wiesen auf zu volle Lehrpläne, Stress im Studium, Lehrkräftemangel und einen Rückgang der Auslandsaufenthalte hin. Zum Schluss verwies Gabriel auf die Notwendigkeit, sich in die Politik einzumischen, um politische Veränderungen herbeizuführen. Die Studierenden lud Gabriel zur nächsten Sitzung des SPD-Parteivorstands ein: „Ich bin gespannt auf konkrete Verbesserungsvorschläge von Euch jungen Leuten.“