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Krugmans düstere Botschaft

Paul Krugman, Wirtschaftsprofessor und Kolumnist der New York Times, zog an der Freien Universität mehr als 600 Zuhörer in seinen Bann

22.10.2010

Paul Krugman sprach auf Einladung des John-F.-Kennedy-Institutes und eröffnete damit die Ringvorlesung "American Dream? Die demokratische Gesellschaft in der Krise"

Paul Krugman sprach auf Einladung des John-F.-Kennedy-Institutes und eröffnete damit die Ringvorlesung "American Dream? Die demokratische Gesellschaft in der Krise"
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Mehr als 600 Zuhörer kamen zu Krugmans Vortrag zum Thema "The Failure of Crisis Management"

Mehr als 600 Zuhörer kamen zu Krugmans Vortrag zum Thema "The Failure of Crisis Management"
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Sie sind gekommen, um zu hören, was der Star-Ökonom zu erzählen hat: Studierende, Wissenschaftler, Besucher – jung und alt, alle drängeln sich in die letzten freien Ecken des Hörsaals 1 b. Und dann beginnt Krugman, seit 1998 Ehrendoktor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität, mit der Verkündung seiner pessimistischen Vision.

„Es war klar, dass es wirklich schlimm wird“, sagt Krugman über den Verlauf der weltweiten Finanzkrise. Und sie sei noch keineswegs vorüber. Hinter dem großen Rednerpult im Hörsaal an der Habelschwerdter Allee wirkt Krugman fast ein wenig verloren, als er auf die Zuhörer blickt, die vor ihm auf den Bänken, auf den Treppen und hinter ihm auf dem Boden sitzen. Die Aufregung um seine Person scheint ihm nicht ganz zu behagen. Doch seine Position ist klar: Mit Härte beginnt er, das bisherige Krisenmanagement der US-Regierung zu verurteilen.

Keine Hoffnung mehr nach Wahlen im November

Das mit 800 Milliarden US-Dollar ausgestattete Konjunkturpaket der Obama-Regierung war Krugman zufolge genau das Richtige – nur eben zu wenig. „Jetzt denken die Leute aber, das sei der falsche Weg gewesen“, sagt der Keynesianer.

Nachdem Krugman als Kolumnist der New York Times immer wieder die Bush-Regierung kritisiert hatte, ist der 57-Jährige auch mit der neuen Administration nicht ganz zufrieden: „Selbst unter den Demokraten bei Obama gab es keine einheitliche Meinung, wie man handeln sollte“, sagt er. Spätestens mit den Wahlen im November sei nun auch die letzte Hoffnung auf einen Kurswechsel verloren.

Krugmans Einfluss auf die Regierung ist dabei heute größer denn je. Er kennt die Granden der Wirtschaftspolitik, gemeinsam mit dem Präsidenten der US-Notenbank, Ben Bernanke, lehrte Krugman einst an der renommierten Princeton University. Trotzdem glaube er nicht, dass er in der Politik wirklich etwas verändern könne, sagt er auf eine Frage aus dem Publikum.

Die Krise in Deutschland sei nicht überwunden

Auch die deutsche Regierung bekommt ihre Schelte ab. „Völlig übertrieben“ findet Krugman das Gerede, in Deutschland sei die Krise bereits überwunden. Das Wachstum sei gut gewesen im vergangenen Quartal, und auch der Arbeitsmarkt sehe noch solide aus. Das Bruttosozialprodukt dagegen bewege sich immer noch unter dem Vorkrisen-Niveau.

Krugman war es auch, der Deutschland während der Finanzkrise immer wieder vorgeworfen hatte, es konzentriere sich zu sehr auf sich selbst. Stattdessen müsse es auch an einer guten Entwicklung anderer europäischer Länder interessiert sein. Das bedeute etwa, die Binnennachfrage anzukurbeln. Krugman wiederholt sein Credo: „Nur wenn es den anderen Ländern in Europa und der Welt gut geht, kann es auch Deutschland gut gehen.

Anderthalb Stunden lang breitet der Nobelpreisträger seine pessimistische Vision aus – um dann mit einem Grinsen zu ergänzen: „Das Problem ist, dass wir keinen anderen Planeten finden, zu dem wir exportieren können.“

Seine kritischen Urteile ohne Rücksicht auf politische Empfindlichkeiten brachten Krugman großes Ansehen ein. Vor zwei Jahren erhielt er den Wirtschaftsnobelpreis, der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität verlieh ihm 1998 die Ehrendoktorwürde.