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„The American Dream” – ausgeträumt?

Hans-Ulrich Klose, Koordinator für transatlantische Beziehungen im Auswärtigen Amt, zu Gast an der Freien Universität

22.11.2010

Hans-Ulrich Klose sprach auf Einladung des John-F.-Kennedy-Instituts an der Freien Universität

Hans-Ulrich Klose sprach auf Einladung des John-F.-Kennedy-Instituts an der Freien Universität
Bildquelle: Jennifer Lohr

In den USA herrscht schlechte Stimmung: Angst vor Armut und dem sozialen Abstieg belasten große Teile der Bevölkerung. Das bekam auch Barack Obama zu spüren, dessen Politik bei den Zwischenwahlen harsch abgestraft worden ist. Der SPD-Politker Hans-Ulrich Klose war der Einladung des John-F.-Kennedy-Instituts gefolgt und gab eine Einschätzung zur politischen und gesellschaftlichen Situation in den USA.

„Das ist ein merkwürdiges Amt, das ich da innehabe“, verriet Hans-Ulrich Klose. Der SPD-Politiker und Amerika-Fachmann im Auswärtigen Amt, sprach im Rahmen der Vorlesungsreihe „American Dream? Die demokratische Gesellschaft in der Krise“ an der Freien Universität. Zunächst habe er selbst nicht genau gewusst, was ihn als „Koordinator der deutsch-amerikanischen Beziehungen“ erwarten würde. Seine seit jeher „enge und liebevolle“ Bindung zu den USA hätten ihn jedoch zur Annahme des Amtes bewegt. Nach den amerikanischen Zwischenwahlen ist die Expertenmeinung des Politikers zur politischen und sozialen Lage Amerikas besonders gefragt.

Angst vor Armut beeinflusste die Wahl

„Während in mittelständischen Vierteln der USA jedes dritte Haus verkauft wird, in reicheren jedes fünfte, steht man in ärmeren Gegenden bereits vor verriegelten und verlassenen Gebäuden“, so beschrieb Klose die Folgen der amerikanischen „Subprime Crisis“. Rasant steigende Arbeitslosenzahlen und massive Existenzprobleme beträfen jeden Tag mehr US-Bürger. „Viele Menschen blicken in eine ungewisse Zukunft“, sagte der Amerika-Experte. Die Angst vor der Verarmung hätte das Ergebnis der Zwischenwahlen entschieden beeinflusst.

Obama – ein „Two-Times-President“?

Ob Obama angesichts der wachsenden Missstände im Jahr 2012 wiedergewählt wird, machte Klose nicht zuletzt von der Kandidatenwahl der Republikaner abhängig. Obama gelte in weiten Kreisen als „arrogant“. Anders als etwa beim „Menschenfänger“ Bill Clinton – Obamas Vor-Vorgänger im Präsidentenamt – wirke seine Nähe zum Volk oft gestellt und zu mediengerecht, was dem Vertrauen abträglich sei. 

Das Aufkommen der oppositionellen „Tea Party“-Bewegung und deren Anti-Obama-Kampagne müsse als treibende Kraft für den Wahlsieg der Republikaner im Kongress und Senat gewertet werden. Eine Wiederwahl bleibe dennoch durchaus möglich. Probleme wie etwa die enorme Staatsverschuldung habe der amtierende Präsident schließlich von seinen Vorgängern geerbt.

„Backshoring" zur Stabilisierung der Wirtschaft

Um das chronische Außenhandelsbilanzdefizit der USA zu verringern und neue Arbeitsplätze zu schaffen, brauche es eine Reindustrialisierung der Vereinigten Staaten, sagte Hans-Ulrich Klose. Der geringe Industrieanteil in den USA ist Klose zufolge „eines der größten Probleme des Landes“, dem zwingend begegnet werden müsse, um die sozialen und wirtschaftlichen Missstände in den Griff zu bekommen.

Europa im globalen Kontext

Auch die Beziehungen zwischen Europa und Amerika ließ Hans-Ulrich Klose nicht unkommentiert. Die USA hätten für Europa weiterhin eine große Bedeutung, die Bedeutung Europas für Amerika aber nehme immer mehr ab. Nun wende sich das Interesse dem Nahen Osten und Asien zu, wobei Klose zufolge auch europainterne Probleme eine Rolle für das steigende Desinteresse Amerikas spielen. „Es steht nicht gut um den Zusammenhalt der europäischen Länder“, sagte er. Nur ein geschlossenes Europa könne ein interessanter Kooperationspartner für die USA sein, die trotz tiefgreifender Probleme „für lange Zeit die dominante Macht bleiben werden“.

Weitere Informationen

Die Vorlesungsreihe „American Dream? Die demokratische Gesellschaft in der Krise“ findet donnerstags von 18.00 bis 20.00 Uhr statt. Interessierte sind zu der kostenlosen Veranstaltung herzlich eingeladen. Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen finden Sie im Programm des Offenen Hörsaals vom WS 2010/11.