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Reise durch die Nacht: von der Steinzeit bis in die Zukunft und zurück

Zum zwölften Mal erkundeten bei der Langen Nacht der Wissenschaften Tausende Besucher den Campus der Freien Universität Berlin

04.06.2012

Steinzeitbrot, Astrofuturismus und ein Krankenhaus für Kuscheltiere: Anlässlich der zwölften Langen Nacht der Wissenschaften strömten am vergangenen Sonnabend Tausende Besucherinnen und Besucher auf den Campus der Freien Universität. Besonders großen Zulauf gab es auch in diesem Jahr wieder bei den Physikern, Informatikern, Mathematikern und Chemikern.

„Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.“ Mit diesem Zitat aus Goethes Faust eröffnete Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität und Professor für Neuere Deutsche Literatur, die Veranstaltung Das Präsidium liest. Gemeinsam mit Vizepräsident Michael Bongardt las Alt heitere und ernste, unterhaltsame und lehrreiche Passagen aus dem Werk von Walter Benjamin, Martin Luther, Sören Kierkegaard und anderen Autoren. Dass die Lesung im Haus der Dahlem Research School stattfand, war kein Zufall: So sollte die Tradition der jüdischen Familie Einzig fortgesetzt werden, die bis zu ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten regelmäßig zu Veranstaltungen in ihr Haus in der Dahlemer Hittorfstraße 16 eingeladen hatte.

Lang war auch die Anmeldeliste für interessierte Teilnehmer eines Tanz-Workshops, der von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Exzellenzclusters „Languages of Emotion“ veranstaltet wurde. Unter dem Motto Tanzen – Einfühlen ließ sich erkunden, wie sich Bewegung auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirkt. Angeleitet wurden die Teilnehmer von Choreografin und Tänzerin Sybille Müller, die erklärte, dass es vor allem darum gehe, alltägliche Bewegungen bewusst wahrzunehmen. Durch Kreistänze in den verschiedenen Kulturen etwa würde auch das Gemeinschaftsgefühl gestärkt. Ein Teilnehmer zeigte sich von dem Programm positiv überrascht: „Ich dachte anfangs, es ginge um Paartanz. Der Tanz hat mir sehr gut gefallen.“

Zehn Minuten Zukunft

Auf die Kürze kam es dagegen beim FUture Slam des Instituts Futur an: Jeder Vortragende hatte zehn Minuten Zeit, um sein Forschungsthema auf der Bühne zu erläutern und das Publikum zu überzeugen. Das entschied am Ende durch die Stärke des Beifalls – gemessen von einem Applausometer. Den ersten FUture Slam-Durchgang gewann Psychologie-Doktorand Christoph Korn mit seinem Vortrag Optimismus in den Neurowissenschaften. Der Preis selbst stand ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit – und des Genusses: ein großes Einmachglas gefüllt mit selbstgebackenem Kuchen. Die Veranstalter des Wettbewerbs waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden und blickten – dem vorwärtsgewandten Motto ihres Fachs entsprechend – in die Zukunft: „Wir freuen uns schon auf den Wettbewerb im nächsten Jahr!“

Ötzis letzte Mahlzeit

Wie haben unsere Vorfahren in der Steinzeit Mahlzeiten zubereitet? Wie wurde vor 7.000 Jahren Werkzeug hergestellt? Und wie schmeckt Brot, das nach einem jahrtausendealten Rezept gebacken wurde? Am Institut für Prähistorische Archäologie ackerten Wissenschaftler und Studierende, um diese Fragen überzeugend zu beantworten: Riesige Blasebälge wurden pausenlos und per Hand bedient, um einen Rennfeuerofen zur Eisengewinnung zu befeuern. In einem Steinofen aus Lehm wurde aus einfachen Zutaten Brot gebacken: „Ein wenig Salz fehlt“, befand eine Besucherin, die das Steinzeitbrot kostete, war aber sonst mit dem Geschmack zufrieden. Dem Geschmack von Gletschermumie Ötzis letzter Mahlzeit wollte man mit gegartem Hirschfleisch auf die Spur kommen: Zu dessen Zubereitung wurden in einer Gargrube Steine erhitzt.

Das Lieblingsessen der Alten Römer

Auch am Institut für Klassische Archäologie wurde gekocht: Speisen aus der römischen Kaiserzeit. Zwar gab es damals bereits umfangreiche Rezeptsammlungen, doch finden sich darin keine Mengenangaben oder detaillierten Beschreibungen. Davon ließen sich die kulinarisch umtriebigen Archäologen jedoch nicht abschrecken und verwöhnten die Besucher mit Frikadellen und Fischgerichten nach Rezepten aus dem Alten Rom.

Das Institut für Vorderasiatische Archäologie führte in die altorientalistische Baukunst ein: Ein detailliert ausgearbeitetes Hausmodell zeigte, über welches Wissen die Architekten und Baumeister der Antike bereits verfügten.

Kuscheltier-Sprechstunde

In das Steglitzer Klinikum Benjamin Franklin, das Teil der Charité ist – der gemeinsamen Universitätsmedizin von Humboldt-Universität und Freier Universität – zog es vor allem sehr junge Besucher: Mikos Teddy Simon musste dringend von einem Arzt untersucht werden: „Simon hat seit acht Tagen nichts gegessen“, erklärte der Grundschüler dem Medizinstudenten Eike Kühn. Mit ihrer Teddybär-Sprechstunde wollten Kühn und seine rund 200 Mitstreiter Kindern die Angst vor dem Arztbesuch nehmen. Indem die Kleinen bei der Untersuchung ihres Teddybären dabei waren, sollten sie mit den jeweiligen Behandlungsschritten in einer Arztpraxis vertraut gemacht werden. Hierfür hatten die Studenten eigens ein Krankenhaus mit Behandlungsräumen und sogar einem Röntgengerät nachgebaut.

Die Lange Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität war auch diesmal wieder eine Reise durch Zeit und Raum, ein Spektakel für die Sinne und ein Fest des Erlebens und Entdeckens – besonders für so manchen jungen Nachwuchswissenschaftler, der beim Buddeln einen Knochen oder Keramikscherben fand.