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„Eine fast unerschöpfliche Quelle der Inspiration“

Am 25. November 2015 hält Kip Thorne die 15. Einstein Lecture zum 100. Jubiläum von Albert Einsteins Veröffentlichung der allgemeinen Relativitätstheorie

20.11.2015

Vor 100 Jahren, am 25. November 1915, stellte Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften vor. An der Freien Universität finden jährlich die Einstein Lectures Dahlem statt.

Vor 100 Jahren, am 25. November 1915, stellte Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften vor. An der Freien Universität finden jährlich die Einstein Lectures Dahlem statt.
Bildquelle: Oren Jack Turner, Princeton, wikicommons.org

Professor Hanoch Gutfreund

Professor Hanoch Gutfreund
Bildquelle: privat

„100 Jahre Einsteins allgemeine Relativitätstheorie: Vom Urknall über Schwarze Löcher bis zu Interstellar“ – so lautet der Titel der 15. Einstein Lecture, die der kalifornische Physikprofessor Kip Thorne am 25. November an der Freien Universität halten wird. Vor genau einem Jahrhundert, am 25. November 1915, hatte Albert Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt. Kip Thorne gelinge mit dem Thema seines Vortrags eine bemerkenswerte Kombination aus Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte, sagt Hanoch Gutfreund. Im Gespräch mit campus.leben erzählt der emeritierte Professor für Theoretische Physik der Hebrew University in Jerusalem außerdem, warum sich ein Blick in das Einstein-Archiv lohnt – und warum ihm der Film Interstellar gefallen hat.

Herr Professor Gutfreund, was fasziniert Sie am Leben Albert Einsteins?

Ich war Professor für Theoretische Physik. Mit Ausnahme der allgemeinen Relativitätstheorie habe ich alles, was Einstein erforscht hat, unterrichtet. Aber erst nach meiner Emeritierung habe ich die Originaltexte und Einsteins Korrespondenz gelesen. Das hat mir die Augen geöffnet. Denn die Art, wie Dinge in Lehrbüchern präsentiert werden, unterscheidet sich deutlich davon, wie sie ursprünglich entstanden sind. Heute glaube ich: Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute über Einstein weiß, hätten die Studierenden in meinen Vorlesungen davon profitiert.

Mit wem hat sich Einstein ausgetauscht?

Einsteins Korrespondenz kann man in zwei Gruppen aufteilen: Einerseits Physiker und andere Wissenschaftler, die sich für die Folgen der Relativitätstheorie interessierten. Andererseits Wissenschaftshistoriker, die mehr über den Forschungsprozess an sich wissen wollten: Was hat Einstein motiviert? Welche Fehler hat er gemacht? Was hat seine Arbeit beeinflusst? Um diese Aspekte der Wissenschaft zu verstehen, genügt es nicht, Einsteins wissenschaftliche Arbeiten zu lesen. Es gibt Tausende Briefwechsel mit Zeitgenossen, die heute über die Entwicklung seiner Ideen Aufschluss geben. Dafür ist das Einstein-Archiv ein Wissensschatz, dessen Bedeutung nicht überschätzt werden kann.

Brachte Einstein sich auch in öffentliche Debatten ein?

Einstein war ein selbstbewusster Kommentator. Zu jedem Thema, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wichtig war, äußerte er seine Meinung. Vor dem Ersten Weltkrieg unterzeichnete er mit nur drei Kollegen den „Aufruf an die Europäer“, in dem er dem „Manifest der 93“ widersprach, das den deutschen Militarismus unterstützte. Damit machte er sich zum Ziel scharfer Kritik. Nach der Ermordung des damaligen Reichsaußenministers Walther Rathenau im Jahr 1922 verließ Einstein Deutschland für einige Zeit, da auch er von den Attentätern bedroht wurde. Auch in den USA widersetzte er sich während der McCarthy-Ära der öffentlichen Meinung. Er bewies in allen seinen Standpunkten also großen Mut.

Einstein ist zu einer beinahe mythischen Figur geworden. Gibt es Aspekte in seiner Biografie, die noch unerforscht sind?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt so viele Monografien über Einstein, darunter exzellente Biografien, aber auch Bücher, die sich auf einen bestimmten Aspekt aus seinem Leben konzentrieren, zum Beispiel „Einstein und Religion“, „Einstein und die Menschenrechte“, „Einsteins jüdische Identität“, „Einsteins Liebesbriefe“ und so weiter. Alles, was Sie sich in Zusammenhang mit Einstein vorstellen können, wurde bereits thematisiert. Und das Interesse nimmt nicht ab – im Gegenteil: Sehen Sie sich bloß die Anzahl der Monografien an, die allein in diesem Jahr veröffentlicht werden. Ob es noch unerforschte Kapitel gibt, weiß ich nicht. Die Menschen werden auch in Zukunft über Einstein schreiben, vielleicht indem sie unterschiedliche Aspekte betonen und andere Blickwinkel einnehmen. Albert Einstein ist eine fast unerschöpfliche Quelle der Inspiration.

Vor zwei Jahren haben Sie die Einstein Lecture gehalten. Dieses Jahr wurde der Physikprofessor Kip Thorne aus Kalifornien eingeladen.

Ich habe sein Buch gelesen, Gekrümmter Raum und verbogene Zeit. Es ist das maßgebende Werk zu dem Thema, eine bemerkenswerte Kombination aus Wissenschaft und Wissenschaftsgeschichte. Aber Kip Thorne hat noch ein anderes Meisterwerk geschaffen, indem er an dem Science-Fiction-Film Interstellar mitgewirkt hat. Science-Fiction erschafft Szenarien, die offensichtlich jenseits unserer heutigen Möglichkeiten liegen. Kip Thorne hat es geschafft, fantastische Science-Fiction auf wunderbare Weise mit echter Wissenschaft zu verbinden, indem er darauf geachtet hat, dass der Film keine grundlegenden physikalischen Prinzipien verletzt.

Hat Ihnen der Film gefallen?

Oh ja, ich war begeistert!

Die Fragen stellte Jonas Huggins

Weitere Informationen

15. Einstein Lecture Dahlem: „100 Jahre Einsteins allgemeine Relativitätstheorie: Vom Urknall über Schwarze Löcher bis zu Interstellar

Ort und Zeit

  • Mittwoch, 25. November 2015, 18.00 Uhr s.t.
  • Henry-Ford-Bau der Freien Universität, Garystr. 35, 14195 Berlin
  • Karte zur Orientierung
  • Es wird um Anmeldung gebeten

Seit dem Einstein-Jahr 2005 finden an der Freien Universität jedes Jahr die Einstein Lectures Dahlem statt. Die Themen umfassen alle Wissenschaftsgebiete, die Albert Einstein durch seine Arbeit und sein Denken beeinflusst hat.