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„Der Multilateralismus hat obsiegt“

Beim Berliner Europa-Dialog an der Freien Universität wurde über die Klimapolitik nach dem Pariser Abkommen diskutiert

04.02.2016

Ein Blick auf den Hurrikan Katrina aus dem Weltraum

Ein Blick auf den Hurrikan Katrina aus dem Weltraum
Bildquelle: NASA Goddard Space Flight Center / flickr / CC BY 2.0

Auf dem Podium (von links nach rechts): Antje von Broock, Dr. Joachim Hein, Moderatorin Prof. Dr. Tanja Börzel, Dr. Karsten Sach und Prof. Dr. Miranda Schreurs

Auf dem Podium (von links nach rechts): Antje von Broock, Dr. Joachim Hein, Moderatorin Prof. Dr. Tanja Börzel, Dr. Karsten Sach und Prof. Dr. Miranda Schreurs
Bildquelle: Jonas Huggins

Das Publikum stellte kritische Nachfragen

Das Publikum stellte kritische Nachfragen
Bildquelle: Jonas Huggins

Das Abkommen sei „eine hohe Stunde der Umweltdiplomatie“ gewesen, hieß es unisono auf dem Podium des 3. Berliner Klimadialogs. Dort hatte es unter der Überschrift „Prima Klima? Die Klimapolitik nach dem UN-Abkommen von Paris" dennoch genügend Gesprächsbedarf gegeben: Tanja Börzel, Politikwissenschaftsprofessorin an der Arbeitsstelle Europäische Integration der Freien Universität, stellte als Moderatorin polarisierende Fragen an vier Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und einem Umweltverband. Sie diskutierten, wie die Klimapolitik nach dem Pariser Abkommen aussehen sollte – und wer die Gewinner und die Verlierer sein werden.

In den Medien wird das Pariser Klimaabkommen als großer Erfolg gewertet: 195 UN-Staaten und die EU haben sich verbindlich darauf geeinigt, die Klimaerwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Auch die Teilnehmer des Berliner Europa-Dialogs widersprachen dem nicht. Karsten Sach, als Chefunterhändler der deutschen Delegation in Paris bei den Verhandlungen dabei gewesen, lobte das Abkommen als große diplomatische Leistung entgegen allen Trends, den Multilateralismus totzureden. „Es ist gelungen, die alte Dichotomie zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufzulösen“, sagte er.

Den Grund für den Erfolg sah Miranda Schreurs in der Rolle Chinas und der USA. Die Politikprofessorin und Leiterin des Forschungszentrums für Umweltpolitik der Freien Universität argumentierte, dass Chinas Engagement die Tür für Indien geöffnet habe. „Indien macht immer, was China macht, nur mit 15 Jahren Verspätung“, sagte sie.

Auf der anderen Seite des Podiums war man sich uneinig, ob das Abkommen weitreichend genug sei. Antje von Broock, die den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vertrat, sagte, das Abkommen erfülle gerade die Mindestanforderungen. Dagegen erwiderte Joachim Hein, Referent beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): „Im Moment ist kein Nachschärfen der Ziele erforderlich.“

„Ist das wirklich das Ende der fossilen Energie?“

Das Abkommen ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag – wenn auch die einzelnen Zielvorgaben, die Emissionen zu verringern, freiwillige Selbstverpflichtungen bleiben. Miranda Schreurs betonte, dass ein Scheitern des Abkommens unwahrscheinlich sei. „Es gibt zwar keine Sanktionsmechanismen“, sagte sie, „aber die großen Player sind voneinander abhängig.“ Erfüllten die USA nicht ihre Verpflichtungen, werde das China auch nicht tun. Die Akteure hätten zu viel politisches Kapital in das Abkommen investiert, um es leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Dass der Vertragstext vage ist, blieb jedoch auch unwidersprochen. Bis 2050 soll die gesamte Weltwirtschaft klimaneutral sein – das Wort „fossilfrei“ war im Abkommen vermieden worden. Bedeutet das den Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas? Und wieviel der sich in der Erde befindlichen fossilen Energieträger dürfen noch gefördert werden?

„Das fragen wir uns jeden Tag“, sagte Joachim Hein vom BDI. „Wir müssen natürlich aus den Fossilen aussteigen, aber wie?“ Sein Verweis auf die Möglichkeit, Kohlenstoffdioxid von den Abgasen der Kraftwerke abzuspalten, wurde von der BUND-Vertreterin von Broock zurückgewiesen. „Das ist eine Risikotechnologie wie die Atomkraft, mit der wir nicht experimentieren sollten“, sagte sie. Stattdessen forderte sie einen Förderstopp auf alle verbliebenen fossilen Brennstoffe.

Karsten Sach vom Bundesumweltministerium hatte darauf eine besonders scharfe Antwort. „Es ist hirnverbrannt, von Saudi-Arabien zu fordern, alles Öl im Boden zu lassen“, sagte er. „Diese Forderung ist nur da, um den Verhandlungsprozess zu verzögern.“ Deshalb sei es richtig gewesen, das Wort „klimaneutral“ zu wählen. Die Technologie, Kohlenstoffdioxid abzuspalten und einzulagern, müsse man grundsätzlich nicht ausschließen, aber es störe ihn nicht, das zu tun. „Das ist sowieso zu teuer“, sagte er.

Gewinner und Verlierer

Durch die Fragen aus dem Publikum kehrte die Diskussion zuletzt auf ein entscheidendes Thema zurück: den Ausstieg aus der Kohle in Deutschland. Das brachte den BDI-Referenten Hein in die Defensive. „Natürlich wird der Braunkohleausstieg teuer, und das wird auf Widerstand stoßen. Nicht bei Ihnen“, sagte er, an das Berliner Publikum gewandt, „aber in Nordrhein-Westfalen und in der Lausitz.“

Die Verteilung der Kosten der Klimaschutzmaßnahmen werde eine Debatte über Gewinner und Verlierer lostreten, warnte Hein. „Im BDI gibt es 38 Mitgliedsverbände von Auto bis Zucker“, sagte er. Im Verband dürfe es schon rechtlich keine Verlierer geben. Das sei ähnlich auf der EU-Ebene: Um eine Einigung zu erzielen, dürfe bei der Reform des europäischen Emissionshandels Polen nicht als Verlierer herauskommen.

Weitere Informationen

Die Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Berliner Europa-Dialog“ wurde kooperativ organisiert vom Europäischen Informationszentrum Berlin (Träger: Deutsche Gesellschaft e.V.), dem Dokumentationszentrum Vereinte Nationen – Europäische Union der Freien Universität Berlin sowie der Europa-Union Berlin e.V.