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„In Südkorea boomt Deutschland“

Universitätspräsident Professor Peter-André Alt besuchte mit einer Delegation der Freien Universität Berlin Partneruniversitäten in Südkorea und traf dort ehemalige Studierende.

03.04.2017

Besondere Einladung: Der Präsident der Freien Universität Professor Peter-André Alt hielt bei der Immatrikulationsfeier der Seoul Nationaluniversität eine Festrede.

Besondere Einladung: Der Präsident der Freien Universität Professor Peter-André Alt hielt bei der Immatrikulationsfeier der Seoul Nationaluniversität eine Festrede.
Bildquelle: Hannes B. Mosler

Mehr als 8.000 Kilometer liegen zwischen Seoul und Berlin. Aber ist in der südkoreanischen Hauptstadt deshalb gleich alles anders als in der deutschen? Von Gemeinsamkeiten und Unterschieden berichten Korea-Professorin Eun-Jeung Lee und Herbert Grieshop, Leiter der Abteilung Internationales der Freien Universität, im Interview. Sie begleiteten mit dem Juniorprofessor für Koreastudien Hannes B. Mosler Universitätspräsident Professor Peter-André Alt bei seiner Reise Anfang März nach Südkorea. Während es für Herbert Grieshop die erste Begegnung mit dem ostasiatischen Land war, kennt sich Eun-Jeung Lee bestens mit den kulturellen und politischen Besonderheiten ihrer Heimat aus.

Frau Professorin Lee, Anlass der Reise nach Südkorea war eine Immatrikulationsfeier an der Seoul Nationaluniversität (SNU). Wie unterscheidet sich die Begrüßung an einer koreanischen Universität von einer akademischen Feier in Deutschland?

Eun-Jeung Lee: Immatrikulationsfeiern an koreanischen Universitäten folgen einem festen Ritual und ähneln Feiern an amerikanischen Universitäten. So auch an der SNU. Sie beginnen mit dem Einmarsch der Professorinnen und Professoren im Talar. Dabei erheben sich die mehr als 3000 neuen Studierenden, deren Eltern und andere Zuschauer. Die Zeremonie ist also sehr feierlich, die Stimmung aber ausgesprochen fröhlich. Die Studienanfänger haben schließlich allen Grund zur Freude: Sie haben es an die beste Universität des Landes geschafft.

Wie kam es dazu, dass Professor Alt bei der Immatrikulationsfeier die Festrede hielt?

Eun-Jeung Lee: Das beruht auf einem Besuch von Professor Sung Nag, Präsident der SNU, im vergangenen Mai an der Freien Universität. Professor Sung Nag hatte Professor Alt eingeladen, als Festredner an der Immatrikulationsfeier 2017 teilzunehmen.

Herbert Grieshop: Das haben wir dann zum Anlass genommen, um auch südkoreanische Alumni der Freien Universität zu treffen. Herr Alt war außerdem eingeladen, einen Fachvortrag zu Kafka vor koreanischen Germanisten zu halten.

Sie haben in Korea also auch Absolventen der Freien Universität getroffen?

Eun-Jeung Lee: Ja, es gab ein Treffen mit 45 Ehemaligen. Viele der koreanischen Alumni der Freien Universität sind heute Hochschullehrer, ein Alumnus ist sogar Universitätspräsident. Die jüngsten Teilnehmer waren die vier Austauschstudenten, die aktuell an der Freien Universität studieren. Die Älteste war eine Absolventin der Soziologie, die 1980 an der Freien Universität promoviert worden ist. Sie ist seit mehr als zehn Jahren emeritiert, lebt im Süden des Landes und ist für unser Treffen extra nach Seoul gekommen.

Welche Beziehungen unterhält die Freie Universität zu Südkorea?

Eun-Jeung Lee: Die Freie Universität pflegt schon seit den 1990er Jahren einen Studierendenaustausch mit koreanischen Universitäten, also lange bevor hier 2005 der Studiengang Koreastudien eingerichtet wurde. 2011 hat sich die Freie Universität dann mit fünf südkoreanischen Universitäten zu dem Universitätsnetzwerk FU-KoreaNet zusammengeschlossen. Partner sind die Seoul National University, die Korea University, die Yonsei University, die EWHA Womans University und die Sogang University. Diese Universitäten gehören zu den angesehensten Hochschulen in Südkorea und sie sind auch international sehr renommiert.

In den Koreastudien an der Freien Universität untersuchen Studierende und Wissenschaftler die Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur Nord- und Südkoreas. Mit welchen drängenden Problemen ist das Land derzeit beschäftigt?

Eun-Jeung Lee: Die nukleare Bedrohung aus Nordkorea ist ein Dauerthema, auch in den internationalen Medien. In den vergangenen Tagen wurde viel über die Amtsenthebung der südkoreanischen Präsidentin Park Geun Hye berichtet. Die Proteste der Bürgerinnen und Bürger gegen die Präsidentin, der Korruption vorgeworfen wird, dauerten mehr als vier Monate.

Herbert Grieshop: Ich fand es besonders interessant, das Land während einer großen politischen Krise zu besuchen. Wir haben mit der Delegation an einem Abend die Proteste gegen und für Präsidentin Park erlebt, die jetzt ihres Amtes enthoben wurde. Für mich war das ein Zeichen dafür, wie lebendig die Demokratie in Korea inzwischen ist.

45 ehemalige Studentinnen und Studenten kamen beim Alumni-Treffen in Seoul zusammen.

45 ehemalige Studentinnen und Studenten kamen beim Alumni-Treffen in Seoul zusammen.
Bildquelle: Hannes B. Mosler

Die Korea University und die Freie Universität stehen für die gleichen Werte: Veritas, Iustitia, Libertas

Die Korea University und die Freie Universität stehen für die gleichen Werte: Veritas, Iustitia, Libertas
Bildquelle: Herbert Grieshop

Gemeinsam durch Südkorea: Hannes B. Mosler, Peter-André Alt, Eun-Jeung Lee, Herbert Grieshop und Werner Kamppeter (v.l.n.r.)

Gemeinsam durch Südkorea: Hannes B. Mosler, Peter-André Alt, Eun-Jeung Lee, Herbert Grieshop und Werner Kamppeter (v.l.n.r.)
Bildquelle: Herbert Grieshop

Wo sehen Sie die größten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Deutschland und Südkorea?

Eun-Jeung Lee: Die größte Gemeinsamkeit ist wohl die Geschichte der jeweiligen Teilung beider Länder – und der größte Unterschied die Wiedervereinigung, die es nur in Deutschland gab. Allein durch das gemeinsame Schicksal der Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg betrachtet man einander als eng verbunden.

Herbert Grieshop: Eine weitere Gemeinsamkeit, die mir als Laien aufgefallen ist, ist die Orientierung in Richtung USA. Genau wie die alte Bundesrepublik, die sich nach 1945 sehr stark auf die USA als wichtigsten Partner konzentriert hatte, hat sich Südkorea die Vereinigten Staaten zum Vorbild genommen. Seoul wirkt auf den ersten Blick sehr amerikanisch. So viele Kaffeeläden der Marke Starbucks habe ich sonst nur in New York gesehen.

Besteht in Südkorea ein besonderes Interesse an deutscher Politik?

Eun-Jeung Lee: In Südkorea boomt das Interesse an Deutschland seit einigen Jahren. Sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft gilt Deutschland als Vorbild. Zahlreiche südkoreanische Politiker kommen nach Berlin, um mehr über die deutsche Politik zu erfahren.

Herbert Grieshop: Ich war vollkommen überrascht darüber, wie gut auch die koreanischen Alumni der Freien Universität über die Vorgänge in Deutschland informiert waren. Ich musste zum Beispiel viele Fragen zu SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz beantworten und erklären, woher seine plötzliche Popularität rührt. Man bekam den Eindruck, dass unsere Absolventen fast täglich Webseiten deutscher Medien besuchen oder Deutschlandfunk übers Netz hören.

In welcher Form sollen die Beziehungen der Freien Universität zu Südkorea weiter vertieft werden?

Eun-Jeung Lee: Wir konzentrieren uns derzeit stark auf Geistes- und Sozialwissenschaften, deshalb wurde auf der Reise über eine intensivere Zusammenarbeit in diesen Fächern diskutiert. Nachgedacht wurde auch über ein Austauschprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler der Freien Universität und südkoreanischer Hochschulen.

Herbert Grieshop: Korea – besonders das koreanische Wissenschaftssystem – ist sehr dynamisch, die koreanischen Universitäten sind herausragend. Da bieten sich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität – auch aus den Natur- und Lebenswissenschaften – viele Kooperationsmöglichkeiten.

Die Fragen stellte Annika Middeldorf