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Verhandeln wie die Großen

Bei der diesjährigen Konferenzsimulation National Model United Nations in New York City war die Freie Universität Berlin mit einer Delegation von 14 Studierenden vertreten. Im Interview berichten zwei von ihnen von ihren Erfahrungen

16.05.2018

Die Delegierten der Freien Universität vor der Non-Violence Statue in New York City.

Die Delegierten der Freien Universität vor der Non-Violence Statue in New York City.
Bildquelle: Peggy Wittke

Das ganze Wintersemester über haben sie sich intensiv vorbereitet. Vom 18. bis 22. März war es dann schließlich so weit: Eine Delegation von 14 Studierenden der Freien Universität durfte nach New York reisen und an der internationalen Konferenzsimulation National Model United Nations teilnehmen. Zusammen vertraten die Studierenden aus fünf Fachrichtungen das Fürstentum Liechtenstein in verschiedenen Ausschüssen der Vereinten Nationen. Vier Tage lang diskutierten sie mit Studierenden aus aller Welt über die großen Themen der Weltpolitik: Nachhaltigkeit, Terrorismusbekämpfung, Bildung, Vernichtung chemischer Waffen, Frauen in Führungspositionen, Urbanisierung und sexuelle Ausbeutung. Am Ende entstanden so 120 Resolutionen, von denen zahlreiche sogar einstimmig angenommen wurden. Campus.leben hat mit zwei Delegationsmitgliedern der Freien Universität gesprochen: Annika Blümel studiert im achten Semester Jura und hat das erste Mal an einem Model United Nations teilgenommen. Piotr Pawel A. Larysz studiert im vierten Semester Volkswirtschaftslehre und war bereits zum vierten Mal dabei.

Annika und Piotr, erklärt doch bitte kurz in euren Worten: Was ist ein Model United Nations (MUN)?

Piotr: Technisch gesehen ist MUN eine Simulation von Debatten und Verhandlungen innerhalb der Vereinten Nationen anhand realer Richtlinien. Jede Simulation läuft also im Prinzip wie eine echte UN-Verhandlung ab.

Annika: Genau, das Ergebnis der Verhandlungen sind wie bei den Vereinten Nationen Resolutionen – man spielt sozusagen Diplomatie im Kleinen durch.

Welche Rolle habt ihr innerhalb der Delegation der Freien Universität eingenommen?

Annika: Unsere Delegation hat sich in verschiedene Gremien – sogenannte Committees – aufgeteilt. Welchem man angehören wollte, konnte man sich selber aussuchen. Ich war beispielsweise im Committee für Umweltpolitik.

Piotr: Ich war im dritten Committee der Hauptversammlung der UN (General Assembly Third Committee), das sich mit dem Thema Menschenrechte befasst. Zusätzlich wurde ich kurz vor Weihnachten von meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen zu einem von zwei Head Delegates gewählt. Als Head Delegates war es unsere Aufgabe, unsere Delegation in New York nach außen zu repräsentieren und als Verbindungsglied zwischen den einzelnen Committees zu fungieren. Und wir hatten allerlei Organisatorisches zu verantworten – Meetings und Dinners zu organisieren beispielsweise.

Was war für euch das Besondere an der Teilnahme?

Annika: Natürlich war die Reise nach New York ein Highlight. Man arbeitet ein halbes Jahr lang auf diesen Moment hin. In dieser Zeit sind wir als Gruppe unheimlich zusammengewachsen – obwohl wir aus ganz unterschiedlichen Studiengängen kommen. Dieser Austausch mit Studierenden anderer Fachrichtungen war sehr bereichernd.

Piotr: Ich finde auch, dass wir schrittweise aneinander gewachsen sind. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht, denn die Arbeit außerhalb des Vorbereitungsseminars, das zweimal pro Woche stattfand, war eigentlich noch einmal doppelt so umfangreich.

Piotr Pawel A. Larysz und Annika Blümel können die Teilnahme am National Model United Nations unbedingt weiterempfehlen.

Piotr Pawel A. Larysz und Annika Blümel können die Teilnahme am National Model United Nations unbedingt weiterempfehlen.
Bildquelle: Leonie Schlick

Wie habt ihr es empfunden, einen so kleinen Staat wie Liechtenstein zu repräsentieren? Wo lagen die Schwierigkeiten?

Annika: Eine Herausforderung für uns war natürlich die Größe des Landes. Viele Menschen kennen Liechtenstein schlichtweg nicht. Das haben wir allerdings auch für unsere Strategie genutzt: Dass das Land sehr neutral ist und keine festen Partner hat.

Piotr: Genau, wir waren dadurch nicht polarisierend und konnten recht viele unserer Positionen einbringen. Andererseits hatten wir in der Vorbereitungsphase oft Schwierigkeiten, die Position Liechtensteins zu einem bestimmten Thema überhaupt zu ermitteln – eben weil die Regierung nur aus wenigen Personen besteht.

Annika: Eine große Sorge war auch, dass Liechtenstein als Steueroase galt. Wir befürchteten, damit in New York häufiger konfrontiert zu werden. Das war allerdings überhaupt nicht der Fall.

Inwieweit hat euch die Teilnahme am Model United Nations fachlich sowie im Hinblick auf eure Laufbahn nach dem Studium weitergebracht?

Piotr: Für mich war es eine ausschlaggebende Erfahrung zu beobachten, dass die Vereinten Nationen so interdisziplinär sind. Dadurch habe ich gelernt, über den wirtschaftswissenschaftlichen Horizont hinauszublicken und fächerübergreifend zu denken.

Annika: Ich fand es auch sehr ermutigend zu sehen, welche unterschiedlichen Wege es in die Vereinten Nationen gibt und wie viele unterschiedliche Berufe. Als Juristin war es außerdem erfrischend, mal von den Gesetzbüchern wegzukommen und zu erleben, was mir nach dem Jura-Studium für Möglichkeiten offenstehen – fern vom Anwalts- oder Richterdasein.

Das Auswahlverfahren für die Delegation der Freien Universität ist anspruchsvoll. Was würdet ihr zukünftigen Bewerberinnen und Bewerbern raten?

Piotr: Eigentlich muss man überhaupt nicht viel Vorerfahrung mitbringen. Viel wichtiger ist, denke ich, dass man echtes Interesse hat und sich ein wenig mit den Vereinten Nationen auskennt.

Annika: Ich finde auch, man sollte sich von dem aufwendigen Bewerbungsverfahren nicht abschrecken lassen. Das ist alles machbar. Und es lohnt sich auf jeden Fall!

Die Fragen stellte Leonie Schlick

Weitere Informationen

Was ist ein Model United Nations?

Bei einem Model United Nations werden internationale Organisationen oder Gremien, etwa der UN-Sicherheitsrat, der Menschenrechtsrat oder die UN-Abrüstungskonferenz, simuliert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer übernehmen die Rolle eines „Botschafters“ – allerdings nicht ihres eigenen Landes. Auf den Konferenzen werden aktuelle Weltprobleme verhandelt – oft mit erstaunlichen Ergebnissen, die denjenigen der „echten“ Diplomaten nicht nachstehen. Gleichzeitig lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Einzelheiten über die Arbeitsweisen der Vereinten Nationen kennen und üben sich in informellen und formellen Verhandlungsstrategien.

Bewerbung

Das MUN-Programm ist seit 1995 am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin angesiedelt. Studierende aller Fachbereiche können sich für eine Teilnahme bewerben. Die nächste Bewerbungsfrist beginnt im Juli 2018, die nächste Konferenz findet im März 2019 statt. Alle weiteren Informationen bei Peggy Wittke (peg@zedat.fu-berlin.de) oder hier.

Insta Takeover

Ihre Teilnahme an der National Model United Nations-Konferenz in New York haben Annika Blümel, Piotr Pawl A. Larysz und ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen mit einem Insta Takeover begleitet. Die Eindrücke in Bild und Text können Sie sich hier anschauen.