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„Viel Rückenwind und Schwung“

Die Freie Universität ist mit vier Clustern in der Exzellenzstrategie erfolgreich / Sekt und strahlende Gesichter im Präsidium

28.09.2018

Zwei Mathematiker feiern: Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler (l.) und Professor Christof Schütte, einer der Sprecher des bewilligten Exzellenzclusters Math+.

Zwei Mathematiker feiern: Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler (l.) und Professor Christof Schütte, einer der Sprecher des bewilligten Exzellenzclusters Math+.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Vor dem Glücksmoment kam die Geduldsprobe. Erst verzögerte sich der Beginn der Pressekonferenz in Bonn, auf der die erfolgreichen Exzellenzcluster verkündet und per Livestream bundesweit bekannt gemacht werden sollten. Dann gab es endlich die ersten Bilder – aber keinen Ton. „Leider kann ich nicht Lippenlesen“, scherzte ein Wissenschaftler im großen Sitzungssaal des Präsidiumsgebäudes.

Gespanntes Warten vor der Entscheidung im großen Sitzungssaal des Präsidiumsgebäudes.

Gespanntes Warten vor der Entscheidung im großen Sitzungssaal des Präsidiumsgebäudes.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Dort hatten sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Mitglieder der Universitätsverwaltung gegen 16 Uhr versammelt. Doch die Sprachlosigkeit dauerte nur wenige Minuten – Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler übernahm die Moderation und verlas die erfolgreichen Ergebnisse: Insgesamt sieben Cluster haben Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technische Universität Berlin und die Charité – Universitätsmedizin Berlin im Forschungswettbewerb Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder eingeworben. An vier der erfolgreichen Forschungsvorhaben sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität beteiligt, bei zwei der vier Cluster ist die Freie Universität sogar alleinige Antragstellerin.

Freude bei Kanzlerin Dr. Andrea Bör und Professor Klaus Hoffmann-Holland, Erster Vizepräsident der Freien Universität.

Freude bei Kanzlerin Dr. Andrea Bör und Professor Klaus Hoffmann-Holland, Erster Vizepräsident der Freien Universität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Mit diesen Entscheidungen ist auch die Voraussetzung für den geplanten gemeinsamen Verbundantrag der vier Berliner Einrichtungen in der Exzellenzstrategie erfüllt.

Erfolge der Freien Universität

Der literaturwissenschaftliche Cluster „Temporal Communities – Doing Literature in a Global Perspective. Ein neues Verständnis von Literatur über Zeiten, Kulturgrenzen und Medien hinweg“ ist allein von der Freien Universität beantragt worden, Sprecher und Sprecherin sind Anglistikprofessor Andrew James Johnston und Romanistikprofessorin Anita Traninger. „Das ist ein fantastisches Signal für die Geisteswissenschaften der Freien Universität“, sagte Anita Traninger und fügte hinzu: „Dass wir mit einem literaturwissenschaftlichen Cluster erfolgreich sind, freut mich ganz besonders.“

Ebenfalls erfolgreich abgeschnitten hat ein zweiter allein von der Freien Universität beantragter Cluster: „Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS). Weltweite Herausforderungen für liberale Demokratie und Marktwirtschaft als Ordnungsmodell“. Sprecherin und Sprecher des sozialwissenschaftlichen Clusters sind Politikwissenschaftsprofessorin Tanja Börzel vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität und Michael Zürn vom Wissenschaftszentrum Berlin und Professor für Internationale Beziehungen an der Freien Universität. Nach drei Jahren intensiver Arbeit sei der Entscheid für SCRIPTS eine wunderbare Belohnung, sagte der Wissenschaftler. Tanja Börzel habe die gute Nachricht in den USA erhalten: „Wir haben uns eben transatlantisch umarmt.“ Das sei ja, wie Zürn bemerkte, bei der aktuellen politischen Lage „nicht selbstverständlich“.

Gemeinsam mit der Humboldt-Universität hat die Freie Universität den an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der gemeinsamen medizinischen Fakultät, angesiedelten Cluster „NeuroCure – Neue Perspektiven in der Therapie neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen“ sowie gemeinsam mit der Humboldt-Universität und der Technischen Universität Berlin den Cluster „MATH+ Forschungszentrum der Berliner Mathematik“ eingeworben.

„Das ist ein großartiges Ergebnis“, freute sich Professor Günter M. Ziegler. „Dieser Erfolg bringt eine Menge Rückenwind und Schwung. Ich bin darauf stolz, und ein Stück weit muss ich mich auch mit fremden Federn schmücken.“ Denn das hervorragende Ergebnis basiere auf der Leistung von sehr vielen Menschen, nicht zuletzt auch auf der seines Vorgängers, des langjährigen Präsidenten der Freien Universität, Professor Peter-André Alt. Alt, der seit August dieses Jahres als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz vorsitzt, ließ es sich nicht nehmen, „seine“ Universität, an der er weiterhin Literaturwissenschaftsprofessor ist, an diesem entscheidenden Tag zu besuchen, um persönlich zu gratulieren: „Es ist ein tolles Ergebnis für Berlin und bestärkt die Entscheidung, im Verbund anzutreten. Ich freue mich besonders, dass die Freie Universität in den Geistes- und Sozialwissenschaften erfolgreich ist, schließlich waren die Clusteranträge in diesen Fächern bundesweit nicht sehr verbreitet.“

Christof Schütte, Präsident des Zuse-Instituts Berlin (ZIB) und Mathematikprofessor an der Freien Universität und einer von drei Sprechern von MATH+, freute sich über den Erfolg des gemeinsamen Clusters von Freier Universität, Humboldt-Universität und Technischer Universität in Kooperation mit dem ZIB und dem Weierstraß-Institut: „Es ist ein deutliches Signal, dass die Zusammenarbeit der drei Berliner Universitäten im Fach Mathematik auf höchstem Niveau gelingt und dass es lohnt, dafür Zeit und Arbeit zu investieren. Mathematiker sind Abstraktionswissenschaftler, die für Anwendungsgebiete in verschiedenen Fächern Fortschritte erzielen können: bei so wichtigen Zukunftsthemen wie der nachhaltigen Energieversorgung etwa, der individualisierten Medizin oder auch der Analyse sozialer Prozesse.“

Über das gute Abschneiden von MATH+ freute sich auch Universitätspräsident und Mathematikprofessor Günter M. Ziegler. Der Cluster sei auch sein „Baby“: „Da stecken viele Jahre Arbeit drin, die Graduiertenschule und das Matheon. Ich freue mich, dass ich nach meinem Amtsantritt als Präsident alles in gute Hände übergeben konnte.“

Folgeantrag von Topoi nicht bewilligt

Doch es gab nicht nur glückliche Gesichter an diesem Nachmittag: Der Folgeantrag von Topoi, dem gemeinsamen altertumswissenschaftlichen Cluster von Freier Universität und Humboldt-Universität zum Thema Stabilität und Instabilität in Gesellschaften des Altertums, wurde nach zweimaliger Auszeichnung im Jahr 2007 und 2012 nicht bewilligt. „Die Berliner Altertumswissenschaften sind exzellent. Leider haben sie heute nicht das entsprechende Etikett bekommen“, bedauerte Professor Günter M. Ziegler – und blickte gleichzeitig nach vorn: „Jetzt müssen wir schauen, wie wir die guten Forschungsprojekte und -ideen weiterfördern können.“ Auch Prähistoriker Professor Michael Meyer, bisheriger Sprecher von Topoi, ging mit der Entscheidung eher pragmatisch um: „Wir müssen uns jetzt alle erstmal schütteln – dann sehen wir, wie wir weitermachen.“

Insgesamt mehr geförderte Cluster, dafür weniger Geld

Einen Wermutstropfen mussten aber auch die erfolgreichen Antragsteller schlucken: Weil von den insgesamt 88 eingereichten Clusteranträgen 57 Anträge – und damit deutlich mehr als ursprünglich vorgesehen – bewilligt wurden, wird die Fördersumme pro Cluster wohl um rund 26 Prozent gekürzt. Eigentlich sollten die erfolgreichen Cluster mit drei bis zehn Millionen Euro jährlich gefördert werden. Was die Kürzung für die jeweiligen Cluster im Einzelnen bedeutet, wird nach Angaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) noch errechnet. Die Kanzlerin der Freien Universität, Andrea Bör, räumte ein, dass die Kürzung auf jeden Fall „schwierig“ sei: „Die eingereichten Konzepte der Forschungsvorhaben waren wohlüberlegt. Wenn nun ein Viertel weniger Geld zur Verfügung steht, sind das für die wissenschaftlichen Vorhaben ganz neue Konditionen.“

Die Exzellenzstrategie verlangt den Wissenschaftlern also offenbar nicht nur Geduld ab, sondern auch eine Menge finanzielle Flexibilität und damit auch Kreativität.