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Reiseziel Wissen

Das Portal forschungsboerse.de hat den Kontakt zwischen einer 12. Klasse einer hessischen Beruflichen Schule und Physikprofessor Joachim Heberle vermittelt

12.11.2018

Bei einem Rundgang durch die Labore berichtete Joachim Herberle (links) den Schülerinnen und Schülern über Forschungsprojekte seiner Arbeitsgruppe und beantwortete viele Fragen.

Bei einem Rundgang durch die Labore berichtete Joachim Herberle (links) den Schülerinnen und Schülern über Forschungsprojekte seiner Arbeitsgruppe und beantwortete viele Fragen.
Bildquelle: Marion Kuka

Pauline, Riaan und ihre achtzehn Mitschülerinnen und Mitschüler aus dem hessischen Witzenhausen sitzen zum ersten Mal in einem Hörsaal. Auf seiner „Klassenreise“ macht der Leistungskurs Biologietechnik der Jahrgangsstufe 12 im Beruflichen Gymnasium der Beruflichen Schulen des Werra-Meißner-Kreises Station in der Arnimallee 14, am Fachbereich Physik der Freien Universität. Gastgeber ist Joachim Heberle, Professor für Experimentelle Molekulare Biophysik.

forschungsboerse.de wurde im Jahr 2010 vom BMBF eingerichtet

Wie es zu diesem Besuch kam, ist schnell erzählt: Nicolette Weiß-Binker, Lehrerin für Biologie, Biologietechnik, Ernährung und Gesundheitslehre, hatte Joachim Heberle vor zwei Jahren über das Portal forschungsboerse.de kontaktiert. Mehr als 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind auf diesem bundesweiten Portal mit Angaben zu ihrem Standort, ihrem Arbeitsgebiet und ihren Themenangeboten für den Unterricht registriert. Ob Biologie, Mathematik und Physik, Philosophie, Deutsch oder Politik: Lehrinnen und Lehrer können dort die passenden Expertinnen und Experten für ihr Unterrichtsthema suchen und zu einem Besuch an ihre Schule einladen. Ins Leben gerufen wurde die Forschungsbörse 2010 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als Teil der Wissenschaftsjahre.

Joachim Heberles Anliegen: Schülerinnen und Schüler für ein Physikstudium anzuwerben

Joachim Heberle ist auf der Forschungsbörse als Experte für Energieversorgung und Biokraftstoffe sowie für Membranproteine angemeldet. „Mit diesen Themen möchte ich junge Menschen für ein Physikstudium an der Freien Universität begeistern“, sagt der Wissenschaftler. Die Arbeit mit einer Schulklasse oder einem Oberstufenkurs biete einfach die beste Möglichkeit dafür. Weil Nicolette Weiß-Binker einen Experten für ein Biotechnologie-Projekt an ihrer Schule suchte, fuhr Joachim Heberle nach Witzenhausen und war begeistert von dem hohen wissenschaftlichen Niveau des Schülerprojekts. Der Kontakt blieb erhalten, und als die Anfrage für einen Gegenbesuch in Berlin kam, sagte der Wissenschaftler sofort zu.

„1920 war Dahlem das deutsche Oxford“, auch davon berichtete Joachim Herberle den Gästen aus Witzenhausen.

„1920 war Dahlem das deutsche Oxford“, auch davon berichtete Joachim Herberle den Gästen aus Witzenhausen.
Bildquelle: Marion Kuka

Die „Vorlesung“ beginnt Joachim Heberle mit einem virtuellen Rundgang durch Raum und Zeit über den Forschungscampus Dahlem. Eine seiner Lieblingsstationen: Der Berliner Südwesten vor rund 100 Jahren. Heberle zeigt ein Foto, das im Physikgebäude sogar eine ganze Wand ausfüllt: Auf dem Bild sind unter anderem die Physikerinnen Lise Meitner und Hertha Sponer, die Chemie-Nobelpreisträger Otto Hahn und Fritz Haber sowie Albert Einstein und James Franck, beide Nobelpreisträger für Physik, zu sehen. „1920 war Dahlem das deutsche Oxford“, erzählt der Professor. „Hier kamen die führenden Köpfe der Zeit zusammen.“

Mit Biophysik das Gehirn verstehen

Heberles Fachgebiet ist die Biophysik, einer von vier Forschungsschwerpunkten des Fachbereichs. „Wir beschäftigen uns zum Beispiel mit physikalischen Vorgängen im Gehirn“, erklärt er den Gästen. Da werde es gerade richtig spannend, weil ganz neue Forschungsmethoden zur Verfügung stünden: „Hier könnten Sie Pionierarbeit leisten!“

Als Beispiel zeigt der Wissenschaftler ein Video von einer Maus, an deren Kopf eine kleine Lampe befestigt ist. Wenn das blaue Licht eingeschaltet ist, läuft die Maus unaufhörlich im Kreis. Ist das Licht ausgeschaltet, bewegt sie sich normal. „Der Maus wurde ein Gen für Kanalrhodopsin in einige Nervenzellen eingeschleust“, erklärt der Physiker. „Diese Zellen entwickeln dann Ionenkanäle, die sonst nur in der Zellmembran bestimmter einzelliger Algen vorkommen. Über diese Kanäle können Nervenzellen durch Lichtpulse aktiviert werden.“ Das junge Forschungsgebiet werde Optogenetik genannt.

Neue Forschung, kritisch hinterfragt

„Sollten wir so etwas aus ethischen Gründen nicht besser lassen?“, fragt eine Schülerin. Joachim Heberle freut sich über diese Frage, das merkt man ihm an. Doch bevor er antworten kann, folgt schon die nächste Wortmeldung: „Aber vielleicht kann man diese Methode zur Heilung von Alzheimer verwenden?“, wirft ein Schüler ein. Der Physikprofessor ist sichtlich begeistert: „Das ist eine hervorragende Idee! Ich werde Sie in meiner Dankesrede erwähnen, wenn ich den Nobelpreis dafür entgegennehme“, nimmt er die Idee mit einem Augenzwinkern auf und erläutert: Tatsächlich werde ein ähnliches Verfahren schon bei Patienten mit der Nervenerkrankung Parkinson eingesetzt. Ein weiteres Video zeigt, wie mit einem „Hirnschrittmacher“ durch elektrische Impulse das typische heftige Zittern eines Parkinson-Patienten in Schach gehalten wird, sodass dieser sich wieder normal bewegen und sprechen kann. Das Problem der Methode: Mit Zeit gewöhne sich das Gehirn an den Impuls, nach einigen Jahren funktioniere der „Trick“ nicht mehr. „Wir sollten also weiter forschen, um den Patienten zu helfen, aber wir sollten dabei auch ethische Grenzen beachten“, erklärt der Professor.

Wer bezahlt die Forschung?

Nach der Diskussion führen Joachim Heberle und sein Mitarbeiter Sven Stripp die Gäste in zwei Gruppen durch verschiedene Labore, bleiben an einigen Stationen stehen und bitten Kolleginnen und Kollegen zu erläutern, woran sie gerade arbeiten. Ganz nebenbei kommen weitere Aspekte von Forschung zur Sprache: „Wer bezahlt denn das alles hier? Es wird ja eigentlich nichts produziert“, fragt ein Schüler. „Doch, Wissen!“, widerspricht eine Mitschülerin. Joachim Heberle erläutert im Schnelldurchlauf verschiedene Finanzierungswege für Forschung und informiert über Karrieremöglichkeiten.

Nach rund drei Stunden endet der Besuch in der Cafeteria des Fachbereichs Physik. Nicolette Weiß-Binker bedankt sich im Namen der Klasse herzlich für die Tour. Über die Frage, was ihnen – „ganz ehrlich!“ – der Nachmittag gebracht habe, müssen die Jugendlichen kurz nachdenken. Dann gehen einige Arme in die Höhe: „Ich war erstaunt, dass hier ein ganzes Universum hinter den Kulissen steckt“, lautete die Bilanz eines Schülers. Lobende Worte gab es auch für die vielfältigen Forschungsthemen der Physik. Doch dann wollen die Schülerinnen und Schüler endlich los und Berlin auf eigene Faust erkunden. Vielleicht finden sie dabei noch mehr Gründe, bald für ein Physikstudium wiederzukommen.

Weitere Informationen

Die Forschungsbörse ist eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Über das Portal können Lehrinnen und Lehrer Forschende als Gastreferenten in ihren Unterricht einladen. So bekommen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, aktuelle Forschungsfragen unterschiedlichster Disziplinen kennenzulernen. Mehr als 1.000 Forschende sind bereits registriert. Sie stellen sich auf dem Portal mit einem Portraitfoto und einem persönlichen Eintrag vor. Sobald eine Anfrage von einer Schule eingeht, werden sie informiert. Über einen persönlichen Zugang können sie Terminvorschläge bestätigen, alternative Termine vorschlagen oder Termine ablehnen. Nach Angaben der Initiatoren nehmen die Forschenden jeweils durchschnittlich zwei Termine pro Jahr – vorwiegend an weiterführenden Schulen – wahr. Auch Fotos und Erfahrungsberichte von Besuchen können auf dem Portal veröffentlicht werden.