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„Universitäten haben eine Schlüsselrolle bei der Beantwortung globaler Fragen“

Die Freie Universität Berlin ist der internationalen Universitätsallianz U7+ beigetreten – ein Interview mit Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler

15.07.2019

47 Universitäten aus 18 Ländern – darunter die Freie Universität Berlin – haben sich am 10. Juli 2019 zu der Allianz U7+ zusammengeschlossen.

47 Universitäten aus 18 Ländern – darunter die Freie Universität Berlin – haben sich am 10. Juli 2019 zu der Allianz U7+ zusammengeschlossen.
Bildquelle: Thomas Arrive / Sciences Po

Die Freie Universität Berlin ist eine von insgesamt 47 Universitäten weltweit, die sich zu der Allianz U7+ zusammengeschlossen haben. Mit der Unterzeichnung des Vertrags im Beisein des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron am vergangenen Mittwoch im Pariser Elysée-Palast haben sich die Universitäten zu stärkerem gesellschaftlichem Engagement auf verschiedenen Feldern verpflichtet: für den Einsatz in den Bereichen Klimawandel und saubere Energien, gegen Ungleichheit und Polarisierungen in den Gesellschaften ihrer Herkunftsländer, für die Gestaltung der Auswirkungen des digitalen Wandels auf das tägliche Leben der Menschen und für die Ausbildung von Studierenden für ein aktives Engagement in der Zivilgesellschaft. Campus.leben sprach mit Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler über die Ziele von U7+ und das Engagement der Freien Universität.

Herr Professor Ziegler, warum ist die Freie Universität Gründungsmitglied der neuen Allianz? Wer hat U7+ initiiert?

Der Impuls ging von unserer französischen Partner-Hochschule Sciences Po Paris aus, mit der die Freie Universität Berlin seit den 1980er Jahren eng kooperiert, etwa in Form eines Doppel-Bachelors und zweier Doppel-Masterstudiengänge in der Politikwissenschaft. Sciences Po hat gemeinsam mit zwölf weiteren französischen Universitäten die Initiative zu U7+ im Vorfeld der Präsidentschaft Frankreichs beim G7-Gipfel, der vom 19. bis 26. August in Biarritz stattfindet, ins Leben gerufen.

Zwei Fragen stehen im Vordergrund, bevor man einer Vereinigung beitritt: Was ist ihr Zweck, und wer gehört ihr an?

Was den Zweck angeht, haben wir uns schnell überzeugen lassen: Die neue Allianz, die erst einmal aus 47 Mitgliedern besteht, will die besondere Schlüsselrolle und das Potenzial von universitärer Wissenschaft bei der gemeinsamen Bearbeitung globaler Fragen deutlich machen. Anlässlich der Unterzeichnung des U7+-Vertrags hatten wir in Paris bereits die Gelegenheit, über die Ergebnisse unserer Beratungen persönlich mit Präsident Macron zu sprechen.

Ein wichtiges Ziel der Allianz ist es, theoretische Einsichten für die Gesellschaft nutzbar zu machen: Wir wollen also nicht nur zu Zivilgesellschaft, Partizipation und Klimaschutz – um nur drei der vertraglich vereinbarten Schwerpunkte herauszugreifen – forschen, sondern die Ergebnisse unserer Arbeit auch in die Praxis umsetzen. Und was die Frage nach den teilnehmenden Universitäten angeht, war die Entscheidung auch einfach: Einer Vereinigung, bei der so viele renommierte und für die Wissenschaft und Forschung wichtige Partnerinnen dabei sind, wie etwa die University of British Columbia, die University of Edinburgh, die Columbia University und unsere Gastgeberin, die Sciences Po, tritt man gern bei.

Kann jede Universität Mitglied werden? Wie ist es zu den 47 gekommen?

Die französische Gründungsgruppe hat jeweils vier oder fünf Universitäten aus den G7-Ländern eingeladen – neben Frankreich und Deutschland sind das auch Hochschulen aus Italien, Großbritannien, Kanada, Japan und den USA. Um eine globale Perspektive zu erreichen, wurden darüber hinaus auch Vertreterinnen und Vertreter einzelner Institutionen aus Lateinamerika, Afrika, Australien und Asien eingeladen. So erklärt sich auch der Name U7+. Prinzipiell kann jede Universität Mitglied werden, die die Werte der Allianz mitträgt.

Welche Ziele verfolgt U7+?

Neben den oben bereits beschriebenen Zielen steht hinter der Allianz die grundsätzliche Überzeugung, voneinander lernen zu wollen, etwa durch den Austausch von Best-Practice-Beispielen. In vielen Bereichen stehen Universitäten weltweit vor ähnlichen Herausforderungen. Deshalb möchten wir uns institutionell enger vernetzen und gemeinsam Lösungsstrategien entwickeln.

Was bringt die Freie Universität Berlin in die Allianz ein?

Bei der Diskussion der Selbst-Verpflichtungen, die sich die Gruppe auferlegt hat, wurde schnell klar, dass die Freie Universität bereits viel erreicht hat. Zum Beispiel bei ihrem Anspruch, Interdisziplinarität zu fördern, um globale Themen multiperspektivisch zu bearbeiten. Oder beim Thema Nachhaltigkeit. So hat die Universität ihre Kohlendioxid-Emissionen seit 2001 – unter anderem durch die Nutzung von Solarenergie und durch Energieeinsparungen – um mehr als zwei Drittel reduziert, es gibt jedes Jahr Nachhaltigkeitswochen mit Dutzenden von Workshops und Mitmachveranstaltungen, und im Rahmen des Studienbereichs Allgemeine Berufsvorbereitung können sich Studierende in dem Seminar „Nachhaltige Entwicklung“ qualifizieren.

Auch die Berlin University Alliance (BUA), der Verbund, in dem sich die Freie Universität Berlin gemeinsam mit der Humboldt-Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin in der Exzellenzstrategie bewirbt, will sich globalen Herausforderungen widmen. Wo sehen Sie Synergien?

Es ist vielleicht noch etwas zu früh, um das zu beurteilen – die Mitglieder der neuen Allianz U7+ lernen sich zum Teil gerade erst kennen, wir stehen hier ganz am Anfang. Dagegen haben wir im Rahmen des zweijährigen Vorbereitungsprozesses der Berlin University Alliance bereits systematisch Kooperationsmöglichkeiten untereinander erkundet und ausgebaut. Das sind natürlich ganz andere Voraussetzungen. Für die vielen Vorhaben der BUA kann es nicht schaden, sich weltweit mit weiteren starken Partnern auszutauschen und zu vernetzen.

Es gibt bereits verschiedene Zusammenschlüsse internationaler Universitäten, denen auch die Freie Universität angehört: UNA Europa, Europaeum, EUA, Observatory Magna Charta Universitatum – besteht die Gefahr, dass sich die Allianzen gegenseitig Konkurrenz machen?

Das stimmt nur begrenzt. Einem weltweiten Verband wie der U7+ hat die Freie Universität Berlin bislang nicht angehört. Und wenn man etwa das Netzwerk UNA Europa zum Vergleich heranzieht, das die Freie Universität erst kürzlich mitgegründet hat, wird deutlich, dass jede Allianz andere Schwerpunkte setzt: Bei UNA Europa geht es vor allem um die thematische Zusammenarbeit in den Bereichen Lehre und Forschung sowie um innovative Formate in der Mobilität von Studierenden und Personal in Europa. Ganz konkret stehen dort die Vergabe gemeinsamer Studienabschlüsse, Sommerschulen für Promovierende, gemeinsame Anträge bei europäischen Ausschreibungen und interdisziplinäre grenzüberschreitende Forschungsprojekte im Vordergrund.

Das ist bei U7+ anders, mit einer weltweiten Gruppe von fast 50 Unis kann man keine gemeinsamen Studienprogramme entwerfen. Hier geht es um die Vertretung gemeinsamer Werte.

Wie sehen die nächsten Schritte für U7+ aus? Gibt es schon konkrete Termine?

Im Idealfall würde im nächsten Jahr eine US-amerikanische Universität einen Universitätspräsidenten-Gipfel ausrichten, denn die USA sind 2020 Gastgeber des G7-Gipfels. Aber die U7+ hat sich ja gerade erst gegründet, die konkreten nächsten Schritte werden wir in unseren Folgetreffen festlegen.

Die Fragen stellten Christa Beckmann und Christine Boldt