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„Wir sind sehr stolz!“

Die Berlin University Alliance wurde im Exzellenzwettbewerb ausgezeichnet – ein Interview mit dem Sprecher der Alliance, Professor Günter M. Ziegler

20.07.2019

Jubel nach der Exzellenz-Entscheidung: Sabine Kunst, Präsidentin Humboldt-Universität, Günter M. Ziegler, Präsident Freie Universität (l.), Karl Max Einhäupl, Vorstandsvors. Charité (M.) und Christian Thomsen, Präsident Technische Universität.

Jubel nach der Exzellenz-Entscheidung: Sabine Kunst, Präsidentin Humboldt-Universität, Günter M. Ziegler, Präsident Freie Universität (l.), Karl Max Einhäupl, Vorstandsvors. Charité (M.) und Christian Thomsen, Präsident Technische Universität.
Bildquelle: Günter M. Ziegler

Exakt um 16.10 Uhr hatte das Warten ein Ende: Bundesforschungsministerin Anja Karliczek gab die Namen der elf Universitäten und Universitätsverbünde bekannt, die sich künftig mit dem Exzellenztitel schmücken dürfen – darunter auch der Berliner Verbund aus Freier Universität, Humboldt-Universität und Technischer Universität sowie Charité – Universitätsmedizin Berlin. Mehrere hundert Mitglieder aller vier Einrichtungen und geladene Gäste hatten am Freitag, den 19. Juli, die Liveübertragung der Pressekonferenz aus Bonn im Berliner Veranstaltungszentrum Urania verfolgt und freuten sich gemeinsam über den Erfolg.

Mit ihrem Verbundantrag – dem einzigen, der im Rahmen des Wettbewerbs prämiiert wurde – verfolgen die Partnerinnen ein ambitioniertes Projekt: Sie wollen ihrer schon auf vielen Gebieten bestehenden Zusammenarbeit einen starken institutionellen Rahmen geben und Motor für die Berliner Wissenschaftslandschaft sein. Fast 30 Millionen Euro stehen ihnen hierfür nun von November an jedes Jahr zur Verfügung: 24 Millionen vom Bund und 6 Millionen vom Land Berlin. Ein Interview mit Professor Günter M. Ziegler, dem Präsidenten der Freien Universität Berlin und Sprecher der Berlin University Alliance.

Herr Professor Ziegler, die Berlin University Alliance hat den Exzellenztitel geholt. Was bedeutet das für das Projekt?

Das ist eine großartige Anerkennung, nicht nur für alles, was die vier Partnerinnen bislang geleistet haben, sondern auch für das Potenzial des Verbundes. Wir sind sehr stolz! Der Titel ist ein großer Ansporn, jetzt gemeinsam loszulegen. An diesem Erfolg waren viele Menschen beteiligt: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende und Promovierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Verwaltungen sowie die Leitungen der Universitäten und der Charité. Ihnen allen möchte ich noch einmal unseren großen Dank aussprechen. Ohne ihr großartiges Engagement und die vielen guten Ideen wäre die Berlin University Alliance nicht möglich.

Professor Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und Sprecher der Berlin University Alliance.

Professor Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und Sprecher der Berlin University Alliance.
Bildquelle: Patricia Kalisch

Was bedeutet der Erfolg der Alliance für den Wissenschaftsstandort Berlin?

In Berlin wurde in den letzten Jahren erkannt, welches große Potenzial in der Wissenschaft steckt und dass die Wissenschaft für Berlin nicht nur etwas ist, worauf man stolz sein kann, sondern dass sie auch ein handfester Motor für Wirtschaft, Industrie und die Entwicklung der Stadt ist. Unsere Agenda als Berlin University Alliance ist es, Berlin als eng vernetzten Wissenschaftsraum weiter zu entwickeln und international noch sichtbarer zu machen. Das ist wichtig für die Wissenschaft, aber auch für Berlin als Stadt.

Der Titel des Antrags lautet „Crossing Boundaries for an Integrated Research Environment“ („Grenzen überwinden für einen gemeinsamen Forschungsraum“). Welche Grenzen wollen die vier Partnerinnen gemeinsam überwinden?

Es geht um ganz unterschiedliche Grenzen: Zum einen – das ist naheliegend – die Grenzen zwischen Institutionen, zwischen den drei Universitäten und der Charité, die etwa die Einrichtung gemeinsamer Studiengänge oder die Durchführung gemeinsamer Forschungsprojekte erschweren. Zum anderen wollen wir die Grenzen zwischen Disziplinen und zwischen theoretischer und angewandter Forschung überwinden. Und außerdem möchten wir auch über unsere Einrichtungen hinausblicken und die Grenze zwischen den Universitäten und den außeruniversitären Forschungsinstituten überschreiten, ebenso wie die Grenze zwischen der Wissenschaft und der Stadtgesellschaft.

Welche Projekte haben Sie sich als erstes vorgenommen?

Wir wollen uns im Verbund mit Zukunftsfragen von globaler Bedeutung beschäftigen. Als erste große Herausforderung haben wir uns das Thema „sozialer Zusammenhalt“ vorgenommen. Hierzu werden nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interdisziplinär und institutionenübergreifend forschen, wir wollen auch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren in der Stadt in Austausch treten, um nicht nur unser Wissen zu kommunizieren, sondern auch Gedanken und Anregungen aus der Gesellschaft heraus in unsere weitere Forschung einzubeziehen.

Neben solchen übergreifenden Schwerpunktthemen – was wird den gemeinsamen Forschungsraum, den Sie schaffen wollen, noch auszeichnen?

Wir wollen die großartige Berliner Forschungsinfrastruktur noch besser nutzen und für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch aus den jeweils anderen Einrichtungen zugänglich machen. Zu dieser Infrastruktur gehören etwa Großgeräte und Computerressourcen, aber auch wissenschaftliche Sammlungen und Bibliotheken. Hier liegt Berlins großer Schatz. Außerdem wollen wir uns einem schwierigen Thema stellen: der Qualität von Forschung. Was treibt Forscherinnen und Forscher an? Was führt möglicherweise zu Fehlentwicklungen wie etwa redundanten Publikationen? Wir wollen überlegen, wie man Anreizmechanismen schaffen kann, die dafür sorgen, dass auf noch transparentere Weise geforscht wird und noch wertvollere, noch besser nachprüfbare Ergebnisse entstehen. Hierbei können wir auf herausragende Berliner Initiativen aufbauen wie das QUEST Center an der Charité, das sich die Qualitätsförderung in der biomedizinischen Forschung zur Aufgabe gemacht hat, und so gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen: Wir wollen Verantwortung übernehmen, nicht nur für die Forschung, die in Berlin entsteht. Die Berlin University Alliance sieht sich als einen wichtigen Teil der globalen Wissenschaft des 21. Jahrhunderts.

Die Auszeichnung ist mit 24 Millionen Euro Förderung jährlich verbunden. Zusätzlich erhält die Berlin University Alliance Unterstützung vom Berliner Senat in Höhe von sechs Millionen Euro pro Jahr. Wird die Summe gleichmäßig auf die Häuser verteilt?

Mit der Förderung werden wir eine ganze Menge bewegen können. Der Verbund ist keine Beutegemeinschaft, das Geld soll dort eingesetzt werden, wo es am sinnvollsten ist. Wenn wir uns etwa mit dem Thema „sozialer Zusammenhalt“ beschäftigen, dann wird es dazu eine häuserübergreifende Ausschreibung geben, und die Forschungsmittel werden in einem Wettbewerb vergeben. Am Ende werden die besten und für die Gesellschaft wichtigsten Projekte gefördert.

Im Vorfeld hatten ja viele Universitätsmitglieder die Sorge geäußert, dass die vier Partnerinnen jetzt in der Allianz aufgehen werden. Sehen Sie das auch so?

Nein, im Gegenteil. Die Berlin University Alliance gewinnt ihre Stärke durch die Unterschiedlichkeit der Partnerinnen. Ein Teil unserer Agenda für die nächsten Jahre ist auch, dass die beteiligten Einrichtungen ihr Profil weiter schärfen. Jedes Haus hat seinen eigenen Stil, seine eigene Agenda, sein eigenes Fächerspektrum, um Dinge in Bewegung zu setzen. Ein Verschmelzen zu einem undefinierbaren Ganzen wäre wenig hilfreich. Am Ende passt gerade das zusammen, was unterschiedlich ist.

Was wird sich durch die Berlin University Alliance für die Freie Universität verändern?

Die Freie Universität Berlin wird noch stärker als bisher Teil der Wissenschafts- und Forschungslandschaft in Berlin und Umgebung. Sie kann durch den Verbund, durch die neuen Kooperationsmöglichkeiten, international noch sichtbarer werden. Die Freie Universität hat viele Facetten: einige Bereiche werden sich stärker in den Verbund einbringen, etwa wenn es darum geht, gemeinsam Antworten auf die Fragen nach gesellschaftlichem Zusammenhalt zu finden. Andere leisten großartige Forschung jenseits des Verbundes, haben aber die Möglichkeit, das Angebot des Verbundes zu nutzen.

Die Freie Universität Berlin wurde zwei Mal in der Exzellenzinitiative, dem Vorgängerwettbewerb der Exzellenzstrategie, für ihr Zukunftskonzept ausgezeichnet. Mit dieser Förderung wurden etwa das Karrierewegemodell ins Leben gerufen, der zentrale Lehrpreis geschaffen oder die Auslandsbüros eingerichtet. Fällt das jetzt weg?

Nein, denn unser Zukunftskonzept „Internationale Netzwerkuniversität“ war ein sehr erfolgreiches Projekt, und wir werden es weiterführen und dynamisch entwickeln. Neben den Projekten, die Sie bereits aufgezählt haben, wären hier etwa auch die Graduiertenschulen oder die strategischen Partnerschaften zu nennen. Wir bleiben auch im Verbund die erfolgreiche exzellenzbewährte internationale Netzwerkuniversität.

Wie haben Sie den Erfolg gefeiert?

Wir haben in der vollbesetzten Urania in Berlin gemeinsam gefeiert: Mitglieder aller Einrichtungen mit unseren Kooperationspartnern und anderen Gästen aus der Berliner Stadtgesellschaft. Für mich war toll, dass so noch einmal sichtbar und greifbar wurde, wie viele Menschen den Verbund tragen.

Die Fragen stellte Nina Diezemann

Weitere Informationen

Lesen Sie hier den Artikel über die Feier der vier Verbundpartnerinnen nach der Verkündung der Exzellenzstrategieentscheidung. Hier kommen Sie zur Bildergalerie.