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„Ausdauernd sein und sich nicht entmutigen lassen – Gesicht zeigen!“

Der vergangene Freitag stand ganz im Zeichen der Klimaproteste – auch Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität sind dem Aufruf unter dem Motto #AllefürsKlima gefolgt

23.09.2019

Leonard Frank ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der Freien Universität, das im Mai 1986 – wenige Tage vor der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl – gegründet wurde. Mit der Gruppe ScientistsforFuture nahm der Politik- und Sozialwissenschaftler am Klimastreik und der Demonstration vor dem Brandenburger Tor teil.

Lisa Enigk studiert an der Freien Universität Betriebswirtschaftslehre im 6. Semester. Sie engagiert sich seit diesem Semester bei FridaysforFuture. Auch sie war bei der Demonstration dabei. Campus.leben sprach nach der Veranstaltung mit den beiden Teilnehmern.

Lisa Enigk (links) studiert Betriebwirtschaftslehre an der Freien Universität, sie engagiert sich, wie ihre Freundin Anne, bei FridaysforFuture.

Lisa Enigk (links) studiert Betriebwirtschaftslehre an der Freien Universität, sie engagiert sich, wie ihre Freundin Anne, bei FridaysforFuture.
Bildquelle: Juliane Hantke

Frau Enigk, warum haben Sie sich am Klimastreik beteiligt?

Mir ist es wichtig, Gesicht zu zeigen. Es geht um mehr, als nur ein bisschen Plastik zu vermeiden. Es geht darum, die Politik in die Verantwortung zu nehmen. Gerade in der Gruppe sind wir stark. Deshalb sollten wir nicht nur die anderen machen lassen, sondern jeder muss seinen Teil dazu beitragen, dass er oder sie eine Zukunft hat.

Warum engagieren Sie sich bei FridaysforFuture?

Das Klima ist kein Trend, es ist ein Thema, das bleibt. Deshalb brauchen wir auch eine Bewegung, die bleibt, immerhin geht es um unsere Zukunft. Wir freuen uns über alle, die zu FridaysforFuture kommen, wir sind tolerant und offen allen gegenüber, die offene Werte leben und die zeigen wollen „Hey, ich bin da“. Irgendwann, wenn wir es wirklich geschafft haben, können wir sagen: Ich war dabei, ich war ein Teil davon, das ist entstanden aus unserer gemeinsamen Stärke.

Wie haben Sie den Klimastreiktag erlebt?

Es war sehr schön, es waren so viele Leute da – die Stimmung im Studiblock war extrem gut. Wir haben bis zum Schluss gesungen und unsere Forderungen lauthals kundgetan. Damit wir gemeinsam durchhalten, wurden unter uns Lutschpastillen verteilt. Insgesamt waren wir bestimmt neun Stunden auf den Beinen. Diese Energie für die Sache, dieses tolle Gemeinschaftsgefühl, das war so cool und zeigt, dass keiner allein ist.

Was machen Sie persönlich für den Klimaschutz?

Ich versuche vor allem auf mein Konsumverhalten zu achten. Ich frage mich: Woher kommen die Sachen, die kaufe? Brauche ich, was ich kaufe, tatsächlich, oder kann kann ich es auch leihen? Ich achte auf meine Ernährung, ich kaufe saisonale und regionale Produkte und versuche, mich vegan zu ernähren. Natürlich bin ich nicht perfekt, aber es geht ja darum, dass wir versuchen etwas zu verändern und auch dranbleiben. Dass man nicht weghört und Dinge einfach abtut, sondern sich konfrontiert, sich selbst hinterfragt und Wissens- und Diskussionsgrundlagen schafft.

Die Fragen stellte Juliane Hantke

Leonard Frank forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität dazu, wie die Gesellschaft auf einen klimaverträglichen Wandel hinsteuern kann. Privat lebt er klimabewusst.

Leonard Frank forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität dazu, wie die Gesellschaft auf einen klimaverträglichen Wandel hinsteuern kann. Privat lebt er klimabewusst.
Bildquelle: Marion Kuka

Herr Frank, warum haben Sie an der Demonstration teilgenommen?

Die Bewegung ScientistsforFuture hat sich im Frühjahr gegründet, um zu unterstreichen, dass die Forderungen von FridaysforFuture wissenschaftlich begründet sind. Am Klimastreik habe ich als Wissenschaftler teilgenommen, um diese Forderungen zu unterstützen – und auch, um mich als Bürger für eine ambitionierte Klimapolitik einzusetzen. Außerdem habe ich, wie viele Kolleginnen und Kollegen, ein Schild mit der Aufschrift: „Sprich mich an“ getragen. Wenn Menschen Fragen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit hatten, habe ich mich bemüht, sie zu beantworten. Wenn ich die Antwort nicht wusste, habe ich an Kolleginnen und Kollegen verwiesen. Es war zwar einfach, mit den anderen Demonstrierenden aus dem ScientistsforFuture-Block ins Gespräch zu kommen, allerdings haben mich nur wenige Menschen angesprochen, und meist auch nicht mit inhaltlichen Fragen.

Was war für Sie der schönste Moment des Tages?

Als ich auf Höhe des Brandenburger Tors stand, in alle Richtungen blicken konnte und unglaublich viele Menschen aus völlig unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen gesehen habe: Schulklassen, Familien mit kleinen Kindern, Großeltern mit Enkelinnen und Enkeln. Daneben waren Organisationen wie Brot für die Welt, Kirchen, NGOs, Gewerkschaften und politische Parteien vertreten – und alle haben gezeigt, dass sie die Forderung nach einer ambitionierten Klimapolitik unterstützen. Das hat mich sehr beeindruckt.

Wenn Sie auf der Bühne hätten stehen dürfen, was hätten Sie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Demonstration gesagt?

Ich hätte sie dazu aufgerufen, ausdauernd zu sein, sich nicht von den erwartungsgemäß unzureichenden Ergebnissen des sogenannten Klimapakets entmutigen zu lassen und das Ausmaß an politischer Organisation weiter zu verfestigen. Die FridaysforFuture-Bewegung hat eine ganze Generation von Jugendlichen sehr früh und auf beeindruckende Weise politisiert. Menschen, die teilweise noch die Grundschule besuchen, haben dadurch erfahren: Wenn wir uns zusammentun, uns organisieren und Ausdauer zeigen, dann können wir es schaffen, ein Thema innerhalb von wenigen Monaten ganz oben auf die politische Agenda zu setzen. Dieser Effekt ist mittel- und langfristig kaum zu unterschätzen.

Welchen Erfolg hatte die Demonstration aus Ihrer Sicht?

Es war beeindruckend, weil der Protest so unglaublich groß war. Die Organisatoren von FridaysforFuture haben rund 270.000 Menschen in Berlin gezählt. Deutschlandweit waren es mehr als 1,4 Millionen Teilnehmende. All diese Menschen haben deutlich gemacht, dass sie hinter dem Ziel einer ehrgeizigen Klimapolitik stehen. Das ist in meinen Augen ein sehr großer Erfolg.

Was muss jetzt passieren, um den Klimaschutz voranzubringen?

Der von der Bundesregierung beschlossene Kompromiss – das sogenannte Klimapaket – sollte kritisch evaluiert werden. Die wissenschaftliche Evaluation läuft ja bereits. Es sind schon viele Stellungnahmen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu lesen, die der Bundesregierung in unterschiedlich scharfen Worten ein Versagen oder zumindest Mutlosigkeit vorwerfen, weil die beschlossenen Maßnahmen in keiner Weise ausreichen werden, um die Klimaziele in Deutschland zu erreichen. Es wird definitiv noch weitere Aktionen wie die Demonstration am Freitag geben müssen.

Worum geht es in Ihrer Forschung?

Mein Thema ist die Transformation des Ernährungssystems, also die Frage, wie der Wandel hin zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Landwirtschaft und Ernährung abläuft und inwieweit er gesteuert werden kann. Zum Ernährungssystem gehören dabei nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch Konsumentinnen und Konsumenten, Landwirtschaftspolitik, internationale Agrarmärkte, außerdem Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen, die sich auf den Klimawandel beziehen. Aktuell untersuche ich, wie theoretische Erkenntnisse zu umfassendem gesellschaftlichem Wandel, die in den vergangenen zehn bis 15 Jahren in der Energiepolitik gewonnen wurden, auf das Ernährungssystem übertragen werden können.

Was machen Sie privat, um das Klima zu schützen?

Ich ernähre mich schon seit langer Zeit vegetarisch und überwiegend vegan. Ich verzichte auf Kurzstreckenflüge und habe dazu auch die freiwillige Selbstverpflichtung der Berliner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschrieben. Außerdem lebe ich auf sehr kleinem Raum und versuche, meine Wohnung so wenig wie möglich zu heizen. Der individuelle Wärmeverbrauch ist ein großer Klima-Faktor, der häufig unterschätzt wird. Außerdem beziehe ich Ökostrom. Meinen wichtigsten Beitrag sehe ich jedoch darin, dass ich meine wissenschaftliche Tätigkeit vollständig der Klima- und Umweltpolitik widme.

Die Fragen stellte Marion Kuka