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Keine Angst vor dem Mysterium

Die britische Astrophysikerin Catherine Heymans hielt an der Freien Universität die Einstein Lecture 2019

07.11.2019

Catherine Heymans Forschung bewegt sich auf den Spuren Albert Einsteins.

Catherine Heymans Forschung bewegt sich auf den Spuren Albert Einsteins.
Bildquelle: Christoph Assmann

Mysteriös, unendlich, dunkel. So sieht das Weltall nicht nur in Science-Fiction-Thrillern aus, sondern auch in der Wissenschaft. Von 95 Prozent des Weltalls wissen Forscher derzeit nur, dass sie so gut wie nichts darüber wissen. Gerade das sieht Catherine Heymans als sportliche Herausforderung. Die Astrophysikerin von der Universität Edinburgh hielt die 19. Einstein Lecture im bis auf den letzten Platz gefüllten Max-Kade-Auditorium der Freien Universität Berlin. Keine Angst vor dem ganz Unbekannten! – so lautete ihr Appell vor allem an die Studierenden. Denn der Vorstoß ins Mysteriöse „kann unser Weltbild komplett umstürzen. Das könnte eine neue kopernikanische Revolution werden“. Wie viel Spaß diese Grundlagenforschung macht, zeigte ihr mitreißender Vortrag den rund 1200 Interessierten.

„Je stärker die Rotation, desto mehr muss ich festhalten.“ Mithilfe des Kuscheltieres Ihres Sohnes erklärt die Wissenschaftlerin im vollbesetzten Max-Kade-Auditorium, wie Galaxiensysteme stabil rotieren.

„Je stärker die Rotation, desto mehr muss ich festhalten.“ Mithilfe des Kuscheltieres Ihres Sohnes erklärt die Wissenschaftlerin im vollbesetzten Max-Kade-Auditorium, wie Galaxiensysteme stabil rotieren.
Bildquelle: Christoph Assmann

Heymans ist als Professorin für Astrophysik an der Universität Edinburgh wissenschaftlich ganz vorn bei der Beobachtung des Universums – Grundlage vieler Erkenntnisse über dessen dunkle Seite. Als Direktorin des German Centre for Cosmological Lensing an der Ruhr-Universität Bochum hat die Britin außerdem ein Standbein in Deutschland. Auch dem Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg ist sie verbunden.

Auf der Suche nach der Dunklen Materie

Nur fünf Prozent des Universums verstehen wir heute schon. Der große Rest ist in seiner physikalischen Natur unbekannt. Forscher bezeichnen ihn als Dunkle Materie und Dunkle Energie.

Es spricht aber viel dafür, dass beide existieren, denn ohne sie würden Galaxiensysteme nicht stabil rotieren. Wie das aussieht, demonstrierte Heymans nicht mit trockenen Gravitations-Formeln, sondern ganz praktisch, indem sie das rosa Kuschelschweinchen ihres kleinen Sohnes am Lasso über ihrem Kopf kreisen ließ. „Je stärker die Rotation, desto mehr muss ich festhalten.“

„Alle Versuche, Dunkle-Materie-Teilchen aufzuspüren, sind aber bislang gescheitert“, hatte Hermann Nicolai vorab in seiner wissenschaftlichen Einführung zur Lecture erörtert. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, das auf den Spuren Einsteins dessen Relativitätstheorie weiterdenkt. Die Max-Planck-Gesellschaft, die die wissenschaftliche Tradition auf dem Dahlemer Campus mit der Freien Universität Berlin teilt, ist seit 2017 Partner der Einstein Lecture.

Kartierung des Universums

Für Heymans legt sich die Dunkle Materie wie eine Decke über die Galaxienhaufen. In ihrer Animation dehnen sich Galaxienketten und -cluster wie ein Netz, gefüllt mit Dunkler Materie, die in der Visualisierung pink leuchtet. Heymans und ihr Team erstellen solche Karten auf der Grundlage von Aufnahmen von Großteleskopen. Von 2022 an soll das Weltraumteleskop Euclid neue Bilder des Kosmos liefern. Große Hoffnungen setzt die Wissenschaftlerin auch auf das im nächsten Jahr betriebsbereite Large Synoptic Survey Telescope in Chile. Mithilfe dichter Bildsequenzen lässt sich sogar die Ausdehnung des Universums visualisieren, was für die Erklärung Dunkler Energie als zweite große Unbekannte im Universum eine wichtige Rolle spielt. Heymans Forschung bewegt sich damit direkt auf den Spuren Einsteins und könnte sein Konzept der Gravitation grundlegend erweitern.