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Bevor die Decke auf den Kopf fällt

Eine neu eingerichtete Krisenberatung für Beschäftigte der Freien Universität will helfen, die Herausforderungen in der Covid-19-Pandemie besser zu bewältigen

18.05.2020

Eine E-Mailadresse, drei Beratungsangebote: Die neue Krisenberatung ist eine zentrale Anlaufstelle für Beschäftigte insbesondere bei Problemen, die durch die Covid-19-Pandemie entstehen.

Eine E-Mailadresse, drei Beratungsangebote: Die neue Krisenberatung ist eine zentrale Anlaufstelle für Beschäftigte insbesondere bei Problemen, die durch die Covid-19-Pandemie entstehen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Covid-19-Pandemie ist auch für viele Beschäftigte der Freien Universität mit hoher Belastung verbunden. Um ihnen zur Seite zu stehen, haben sich drei Einrichtungen zusammengeschlossen und bieten nun gemeinsam eine Krisenberatung an: die Psychologische Beratung, der Dual Career & Family Service und die Sozialberatung der Freien Universität. Beschäftigte können sich vertraulich an die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenden. Stefan Petri, promovierter Psychologe und Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung, erläutert die Aufgaben der neuen Anlaufstelle.

Herr Petri, für wen ist die neue Krisenberatung gedacht?

Wir wollten zusätzlich zu unserer Beratung für Studierende ein Angebot gezielt für Beschäftigte der Freien Universität einrichten. Wir sehen, dass sie in diesen Zeiten vor besonderen Herausforderungen stehen: Durch die Arbeit im Homeoffice ist die Distanz zu Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten sehr groß, und man erhält möglicherweise weniger Rückmeldung. Häufig müssen neben der beruflichen Arbeit zu Hause Angehörige betreut und Kinder beim Schulunterricht unterstützt werden. Je nach persönlicher Situation kann das sehr fordernd sein.

Wenn Beschäftigten zu Hause sprichwörtlich die Decke auf den Kopf fällt – wenn sie sagen, dass sie sich nicht mehr konzentrieren können, sie nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht oder sie unter großem Druck leiden – dann wollen wir sie unterstützen und ihnen an der Universität eine Anlaufstelle bieten. Es kann helfen, sich mit jemandem auszutauschen, der Expertise hat, der beruhigt und Wege aufzeigt, um den Druck herauszunehmen. Und bei Bedarf weitere Maßnahmen anrät.

Dr. Stefan Petri leitet die Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der Freien Universität Berlin.

Dr. Stefan Petri leitet die Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: privat

Wie läuft die Beratung ab?

Wir haben mit krisenberatung@fu-berlin.de eine zentrale E-Mailadresse eingerichtet. Nach einer ersten Zuordnung meldet sich jemand aus dem passenden Bereich – psychologische Beratung, Dual Career & Family Service oder Sozialberatung – zurück, ganz nach Wunsch per E-Mail, Telefon oder in einer Videosprechstunde. Nur die persönliche Beratung vor Ort ist im Moment nicht möglich. Bei einem Telefonat fällt zwar ein wichtiger Kommunikationskanal weg, weil man die Mimik und Gestik des Gegenübers nicht sieht. Aus den Erfahrungen, die wir in den vergangenen Wochen in der psychologischen Beratung mit Studierenden gemacht haben, wissen wir aber, dass die Beratung per Telefon auch sehr gut funktioniert.

Wenn wir bei der Beratung den Eindruck bekommen, dass jemand schnell Hilfe professioneller Art braucht, die wir nicht leisten können, verweisen wir an eine Kriseninterventionsstelle.

Natürlich kann unsere Beratung keine vollwertige Psychotherapie ersetzen. Wenn jemand den Wunsch hat, eine Therapie zu beginnen, können wir allerdings bei den ersten Schritten dorthin helfen. Das ist auch ein häufiges Anliegen, mit dem Studierende zu uns kommen: Wie gehe ich vor, wenn ich eine Therapie beginnen möchte? Dazu beraten wir gerne.

Familien stehen in der Pandemie vor besonders großen Herausforderungen. Welche Hilfe können Eltern durch die Krisenberatung erhalten?

Der Dual Career & Family Service hat in einem Wiki viele Informationen zusammengestellt, die Eltern ganz praktisch weiterhelfen können. Wie kann ich Kinder, die nicht in die KiTa oder die Schule gehen, zu Hause über einen längeren Zeitraum beschäftigen? Wie kann ich eine Notbetreuung für meine Kinder zu beantragen? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dual Career & Family Service sind auch ansprechbar, wenn Eltern ihre Probleme schildern und sich mit jemandem austauschen wollen.

Manchmal gibt es aber leider keine einfache Lösung. Gerade Alleinerziehende stehen im Moment vor einer doppelten oder sogar dreifachen Herausforderung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dual Career & Family Service haben stets ein „offenes Ohr“ für die individuellen Probleme und Herausforderungen von Studierenden und beschäftigten Eltern.

Gordana Gusić von der Sozialberatung der Freien Universität bietet Beschäftigten individuelle lösungsorientierte Hilfe an.

Gordana Gusić von der Sozialberatung der Freien Universität bietet Beschäftigten individuelle lösungsorientierte Hilfe an.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Bei welchen Themen ist die Sozialberatung die geeignete Beratungsstelle?

Die Sozialberatung wurde vor einem Jahr von der Sozialpädagogin Gordana Gusić aufgebaut. Sie bietet eine individuelle lösungsorientierte Hilfestellung zur Unterstützung bei Problemlagen, zur Entscheidungsfindung und der Umsetzung von notwendigen Handlungsschritten. Sie ist beispielsweise Ansprechpartnerin für Beschäftigte, die nach einer längeren Krankheitsphase wieder in den Beruf einsteigen. Die Sozialberatung bietet bei Fragen ohne direkten Arbeitsbezug Unterstützung an, etwa bei familiären, partnerschaftlichen, gesundheitlichen oder finanziellen Problemen. Das sind alles Bereiche, auf die sich die Arbeit im Homeoffice auswirken kann. Die Sozialberatung berät auch Beschäftigte, die zusätzlich belastet sind, weil sie Angehörige pflegen müssen.

Anders als bei der psychologischen Beratung und dem Dual Career & Family Service steht die Sozialberatung ausschließlich Beschäftigten zur Verfügung. Eine Sozialberatung für Studierende wird vom Studierendenwerk Berlin angeboten.

Wer bisher von einer Erkrankung durch Covid-19 und den schlimmsten Folgen der Pandemie verschont geblieben ist, wird sich möglicherweise denken: Anderen geht es ja viel schlechter als mir, ich sollte mich nicht beklagen. Was würden Sie diesen Menschen sagen?

Probleme sind individuell. Ob mein Problem auch von anderen als Problem gesehen wird, spielt keine Rolle. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der für alle Menschen gilt: Wenn jemand eine Situation als Belastung erlebt, dann ist es für diese Person eine reale Belastung – ganz gleich, ob sie sich in einer privilegierten Situation befindet oder ob es Personen gibt, denen es noch schlechter geht. Und wenn eine Situation belastend ist, dann ist es richtig und ratsam, sich Hilfe zu holen.

Welche allgemeinen Ratschläge haben Sie, um mit der aktuellen Situation zurechtzukommen?

Auf den Seiten der Psychologischen Beratung haben wir einige Tipps zusammengestellt, was man in dieser Situation für sich selbst tun kann. Es ist wichtig, sein Wohnumfeld und seine Arbeitssituation zu ordnen, Sozialkontakte aufrechtzuerhalten und neben der Arbeit auch anderen Aktivitäten nachzugehen. Und damit sind auch körperliche Aktivitäten gemeint! Auf der Website finden sich Links zu Videos mit leichten Übungen. Das sind keine Sportübungen – dafür wenden Sie sich an den Hochschulsport – sondern einfache Entspannungs- und Meditationsübungen. Sie können in stressigen Situationen helfen. Und auch der Arbeitsbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie unseres Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie hat einige nützliche Hinweise und Links zu Videos zusammengestellt.

In der Psychologischen Beratung für Studierende haben wir inzwischen 40 Jahre Erfahrung gesammelt. Aber die derzeitige Situation ist auch für uns neu. Sie wird wohl länger andauern, als wir alle erwartet haben. Wir hoffen, dass wir mit dem neuen Beratungsangebot Beschäftigten helfen können, besser damit zurechtzukommen.

Die Fragen stellte Jonas Huggins

Weitere Informationen

Weitere Infos zur Krisenberatung für Beschäftigte finden Sie hier.

Das Angebot der Psychologischen Beratung und Studienberatung und des Dual Career & Family Service ist wie gewohnt auch für Studierende verfügbar. Das Angebot der Sozialberatung steht Beschäftigten der Freien Universität offen.