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„Wir arbeiten weiter an unserem Ziel, die Freie Universität klimaneutral zu gestalten“

Die Initiative „Fridays for Future“ hat für den 25. September 2020 zu einem neuen weltweiten Klimastreik aufgerufen – ein Interview mit Universitätspräsident Prof. Günter M. Ziegler zu den Klimazielen der Freien Universität

24.09.2020

An der Freien Universität Berlin wurde im Jahr 2000/2001 ein umfassendes Energiemanagement eingeführt – mit großen Einsparungen, die das Budget der Hochschule entlasten und einen Beitrag für den Klimaschutz leisten.

An der Freien Universität Berlin wurde im Jahr 2000/2001 ein umfassendes Energiemanagement eingeführt – mit großen Einsparungen, die das Budget der Hochschule entlasten und einen Beitrag für den Klimaschutz leisten.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

An der Freien Universität ist Nachhaltigkeit als Querschnittsthema verankert, die Universität hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, innerhalb weniger Jahre klimaneutral zu werden. Ein campus.leben-Interview mit Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler aus Anlass des Aufrufs der Initiative „Fridays for Future“ zu einem erneuten weltweiten Klimastreik.

Herr Professor Ziegler, aufgrund der weltweiten Coronavirus-Pandemie war das Thema Klimaschutz im vergangenen halben Jahr in den Nachrichten weniger präsent als zuvor. Auch die Freie Universität stand mit geschlossenen Hörsälen und einem digitalen Sommersemester vor einer nie dagewesenen Herausforderung. Ist die Klimakrise in Vergessenheit geraten?

Universitätspräsident Prof. Dr. Günter M. Ziegler

Universitätspräsident Prof. Dr. Günter M. Ziegler
Bildquelle: Kay Herschelmann

Überhaupt nicht. Auch im Digitalsemester sind wir im Klimanotstand. Die Klimakrise kann man als Thema nicht einfach beiseiteschieben, auch wenn das vergangene Semester für Studierende und Hochschulangehörige völlig neu war und alle in höchstem Maße und zugleich in sehr ungewöhnlicher Weise in Anspruch genommen hat. Das Semester war zwangsläufig sehr kreativ – allerdings auch herausfordernd und belastend.

Im Dezember vergangenen Jahres, als die Freie Universität Berlin den Klimanotstand ausgerufen hat, haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 eine klimaneutrale Einrichtung zu werden. Daran haben wir auch in der Pandemie-Krise weitergearbeitet, an diesem Ziel halten wir fest.

Ist das Ziel, Klimaneutralität zu erreichen, einfacher oder schwieriger geworden angesichts der anhaltenden Pandemie?

Das ist pauschal schwer zu sagen. Wir bauen weiter unsere sehr soliden Grundlagen aus. Die Freie Universität hat bereits vor 20 Jahren – früher als andere Hochschulen – damit begonnen, ein Energiemanagement aufzubauen. Das ist uns sehr gut gelungen, und wir haben unseren Energieverbrauch in diesem Zeitraum um 25 Prozent reduzieren können. Die mit dem Energieeinsatz für unsere Gebäude verbundenen Kohlendioxid-Emissionen haben wir um 80 Prozent gesenkt.

Eine Herausforderung besteht aber zum Beispiel darin, klimaneutrale Fernwärme zu beziehen. Hieran hat sich durch die Pandemie nichts geändert. Insofern bleibt unser Ziel der Klimaneutralität bis 2025 ambitioniert. Andererseits haben wir, ausgelöst durch die weltweite Viruskrise, auch wertvolle neue Erfahrungen gemacht.

Welche Erfahrungen sind das?

Es geht beispielsweise um neu gewonnene Erkenntnisse zum künftigen Umgang mit Dienstreisen von Angehörigen der Universität. Natürlich sind persönliche Kontakte, etwa bei wissenschaftlichen Kongressen, sehr wichtig. Aber wir alle werden genauer hinschauen, wenn dafür lange – und eben nicht klimaneutrale – Reisen erforderlich sind, und dann im Einzelfall gut abwägen.

Dass vieles auch „aus der Ferne“ möglich ist, ist sicher eine wichtige Erfahrung der letzten Monate. Alle Universitätsangehörigen haben in weit stärkerem Maß als zuvor digitale Lehr- und Lernmethoden und elektronische Kommunikation eingesetzt. Wir haben nicht nur mit Menschen am anderen Ende der Welt digital zusammengearbeitet, sondern zum Beispiel auch mit den Kolleginnen und Kollegen im Team, denen wir zuvor ganz selbstverständlich persönlich begegnet sind.

21. Oktober 2019: Studierende übergeben Universitätspräsident Prof. Günter M. Ziegler (3. v. l.) einen Forderungskatalog. Andreas Wanke, Leiter Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie (l.) und Vizepräsidentin Prof. Verena Blechinger-Talcott (2. v. l.).

21. Oktober 2019: Studierende übergeben Universitätspräsident Prof. Günter M. Ziegler (3. v. l.) einen Forderungskatalog. Andreas Wanke, Leiter Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie (l.) und Vizepräsidentin Prof. Verena Blechinger-Talcott (2. v. l.).
Bildquelle: Jonas Huggins

Selbst diejenigen, die schon zuvor viel digital „unterwegs“ waren, haben Neues kennengelernt und ausprobiert. Man konnte und kann nicht ohne Weiteres zu Kooperationspartnern oder zu Konferenzen reisen – weder umweltfreundlich per Bahn noch mit dem Flugzeug. Das hat vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Erfahrungen in der deutschlandweiten wie internationalen Zusammenarbeit ermöglicht. Ich glaube, dass alle Universitätsangehörigen – und da schließe ich mich ausdrücklich ein – in kürzester Zeit eine steile Lernkurve durchlaufen haben. Und dieses neue Wissen werden wir für die Zukunft nutzen.

Wenn es im kommenden Semester einen Universitätsbetrieb unter Corona-Bedingungen geben soll: Verändert das die Mobilität auf dem Campus?

Ja, natürlich. Wir wollen die Möglichkeiten verbessern, sich auf dem Campus nachhaltig zu bewegen. Eine der konkreten Maßnahmen ist, unseren Fuhrpark mit derzeit insgesamt 80 Fahrzeugen – vor allem technische Nutzfahrzeuge oder Wagen für wissenschaftliche Exkursionen – durch elektrische Fahrzeuge zu ersetzen. Hier stehen wir aktuell mit einem Anteil von zehn Prozent E-Autos noch relativ am Anfang.

Gleichzeitig setzen wir auf elektrische Lastenfahrräder, die an verschiedenen Standorten genutzt werden können. Insgesamt möchten wir dazu beitragen, dass es leichter ist, auf dem Campus klimafreundlich voranzukommen, für die Beschäftigten wie für unsere Studierenden. Wer mit dem Fahrrad fährt, leistet ja auch nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern kann zugleich etwas für die eigene Gesundheit tun.

Wird sich die Freie Universität Berlin am weltweiten Klimastreiktag beteiligen?

Das neue Semester und die meisten Lehrveranstaltungen haben noch nicht begonnen, wir kennen daher viele Aktivitäten noch nicht. Die Freie Universität beteiligt sich am 2. Dialogforum des Netzwerks N, das vom 24. bis 26. September stattfindet. Es gibt Diskussionen und Foren, um sich über Möglichkeiten von Hochschulen auf dem Weg zu Klimaneutralität und transformativer Bildung auszutauschen. Einzelne dieser Veranstaltungen finden in Berlin und Tübingen statt, die meisten allerdings digital.

Noch bis zum 25. September findet an der Freien Universität die SchülerUni Nachhaltigkeit + Klimaschutz statt – ein mehrfach ausgezeichnetes Bildungskonzept. Dank eines penibel ausgearbeiteten Hygienekonzepts können insgesamt 1600 Schülerinnen und Schüler aus 73 Berliner Schulklassen aus allen Bezirken an die Freie Universität kommen und an den 80 Mitmach-Workshops teilnehmen, worüber ich mich sehr freue.

Angesichts der großen Herausforderungen sind wir an der Freien Universität Berlin immer offen für Vorschläge und hinterfragen regelmäßig, was wir selbst beitragen und besser machen können – ob wir diese Anregungen in wissenschaftlichen und hochschulpolitischen Diskussionen gewinnen, in Lehrveranstaltungen, studentischen Initiativen oder ob uns Wortmeldungen von jungen Menschen über den Weg des Protests erreichen.

Die Fragen stellte Kerrin Zielke