Springe direkt zu Inhalt

Uni in den eigenen vier Wänden

Lehrende, Studierende und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin von „SUPPORT für die Lehre“ berichten über das digitale Sommersemester

19.05.2020

Studieren im Park: Mit der App pl@ntnet können Pflanzen bestimmt werden.

Studieren im Park: Mit der App pl@ntnet können Pflanzen bestimmt werden.
Bildquelle: Anne Stiller

Schon bevor das Sommersemester 2020 am 20. April startete, stand fest: Es wird ein besonderes. Weil Präsenzveranstaltungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie bis auf Weiteres nicht stattfinden dürfen, finden Lehre und Studium nun von zu Hause aus statt: mithilfe von Online- und Distant-Formaten. Campus.leben hat Dozierende, Studierende und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts „SUPPORT für die Lehre“ der Freien Universität gefragt, wie sie sich auf das digitale Sommersemester vorbereitet haben und wie es für sie bislang verläuft.

Bereits vorhandene digitale Angebote erweitern

Ignacio Czeguhn, Professor für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte sowie Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft, kann auf bereits vorhandene digitale Lehrangebote zurückgreifen. Seit rund acht Jahren setzen er und sein Team das E-Learning-Programm „Culpanet“ (culpa lat. „Schuld“) ein. Damit erarbeiten die Studierenden selbstständig juristische Falllösungen. Anschließend erhalten sie von den Dozierenden Hinweise zu ihren Lösungen sowie Verbesserungsvorschläge. Bisher begleitete das Programm Culpanet die Vorlesung im Schuldrecht und dazugehörige Methodenkursen. Seit dem Wintersemester 2018/2019 wird am Fachbereich Rechtswissenschaft zudem die Software NETLAW für die Lehre eingesetzt.

„Glücklicherweise konnten wir aufgrund unserer Erfahrungen mit E-Learning-Programmen in kurzer Zeit eine technische Infrastruktur schaffen, mit der nun mehr als 400 Studierende und 13 Kursleiterinnen und Kursleiter arbeiten“, erklärt Ignacio Czeguhn.

„Dass dies weitgehend reibungslos funktioniert hat, ist auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Center für Digitale Systeme CeDis und vom Projekt ‚SUPPORT für die Lehre‘ zu verdanken“, sagt Lukas Stoll. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl von Ignacio Czeguhn wird seit drei Semestern von den Teams der CeDis und SUPPORT im Bereich digitale Lehre unterstützt.

„Der Umbau von Culpanet für das digitale Sommersemester war eine technische und administrative Herausforderung. Aber wenn ich sehe, dass sich die Studierenden im ersten Durchgang mit einer Beteiligungsquote von über 80 Prozent in unser Programm einbringen und sich so die Modulinhalte selbstständig erarbeiten können, weiß ich, dass sich die Arbeit gelohnt hat“, sagt Lukas Stoll.


Seit rund acht Jahren wird am Fachbereich Rechtswissenschaft mit dem E-Learning-Programm Culpanet gearbeitet.

Seit rund acht Jahren wird am Fachbereich Rechtswissenschaft mit dem E-Learning-Programm Culpanet gearbeitet.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Für das digitale Sommersemester haben Ignacio Czeguhn und sein Team das Lehrangebot so umstrukturiert, dass die Studierenden Culpanet als Lernplattform umfassend nutzen können. „Das gesamte Modul Schuldrecht Allgemeiner Teil, das im zweiten Fachsemester stattfindet, gibt es nun online.“

Die Vorlesung des Rechtswissenschaftlers wird als Video-Podcast abgehalten und Methodenkurse finden als Online-Fallcoachings statt, die von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut werden. „Bei wöchentlichen Webex-Meetings haben die Studierenden die Möglichkeit, ihre Coaches live zu kontaktieren und Fragen zu stellen“, sagt Ignacio Czeguhn. Das ermögliche zeitlich flexibles Arbeiten und eine individuelle Betreuung der Studierenden.

Anna Huscke, Jurastudentin im zweiten Semester, weiß das zu schätzen: „In zwei Rechtsgebieten kann ich regelmäßig Gutachten abgeben, die dann ausgiebig korrigiert und besprochen werden.“

„Die ersten Semestertage waren ordentlich stressig“, sagt die Studentin. Sie habe sich erst einmal einen Überblick über die Online-Formate verschaffen und sich mit der Software anfreunden müssen. Als passionierte Bibliotheksnutzerin fehle ihr der gewohnte Lernort: „Auf Dauer war mein Bett eher suboptimal“, sagt Anna Huscke. Inzwischen stehe ein Schreibtisch in ihrer Wohnung.

Insgesamt habe sie positiv überrascht, wie gut sie bislang mit der digitalen Lehre zurechtkomme. Trotzdem freue sie sich darauf, wenn die Universität wieder öffne. „Studieren lebt nicht nur von Vorlesungen und Methodenkursen. Hitzige Debatten mit Kommilitoninnen und Kommilitonen nach den Veranstaltungen gehören ebenso dazu wie Gruppenarbeit, die ohne technische Störungen abläuft oder ein paar aufmunternde Worte von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Cafeteria“, sagt Anna Huscke.

Für Maximilian Schröder, auch im zweiten Semester Rechtswissenschaft, ist das ‚Kreativsemester‘ „Fluch und Segen zugleich. Es zwingt uns alle, uns mit neuen Lernmöglichkeiten auseinanderzusetzen“, sagt er. Schwer hätten es besonders Studierende mit eingeschränktem Internetzugang.

Überhaupt sei es individuell unterschiedlich, wie gut jemand mit den bereitgestellten Materialien zurechtkomme. Wie Anna Huscke findet auch Maximilian Schröder den fehlenden persönlichen Kontakt mit den Dozierenden und Kommilitoninnen und Kommilitonen problematisch. „Ich denke, dass dieses Semester uns allen bewusst macht, wie wichtig der Austausch zwischen Studierendenschaft und Dozierenden ist.“

Er glaubt aber auch daran, dass dieses Semester durch den Einsatz aller ein Erfolg werde. „Diese Situation bietet uns die Gelegenheit, individuellere und vielfältigere Lernmöglichkeiten zu entwickeln, die wir auch in Zukunft einsetzen werden.“ Das digitale Semester könnte dazu beitragen, die Lehrpraxis zu modernisieren.

„Das Sommersemester gibt uns die Chance herauszufinden, wie wir E-Learning-Konzepte auch in Zukunft sinnvoll vorlesungsbegleitend einsetzen können“, sagt Ignacio Czeguhn. Bei Lehrveranstaltungen mit hoher Teilnehmerzahl könnten seiner Ansicht nach digitale Lehrkonzepte unterstützend wirken, dass sich Studierende stärker interaktiv beteiligten.

Vollständig ersetzen können die Online-Kurse die Präsenzlehre jedoch nicht. Jura lebe davon, so Ignacio Czeguhn, dass der Dozent oder die Dozentin im Hörsaal mit den Studierenden arbeite, Fragen stelle und gestellt bekomme.

Für digitale Lehre braucht es Zusammenarbeit und Flexibilität

Für Christian Zoschke gelingt Lehre, ganz gleich ob digital oder analog, vor allem, wenn eines funktioniert: die Zusammenarbeit mit Studierenden sowie mit Kolleginnen und Kollegen der anderen Arbeitsgruppen des Instituts für Pharmazie. „Als Dozent möchte ich den Studentinnen und Studenten nicht nur Lehrinhalte präsentieren. Ich möchte sie mit ihnen erarbeiten“, sagt er. Das bedeute, offen zu sein für Fragen, Gespräche und Diskussionen. Die Möglichkeit zur Interaktion versuche er auch im digitalen Sommersemester anzubieten.

Wie viele an der Freien Universität Berlin nutzt der Pharmakologe dafür das vom Hochschulrechenzentrum ZEDAT geprüfte und für Angehörige der Freien Universität frei verfügbare Programm Cisco Webex. Über die Videokonferenz-Software können virtuelle Treffen – oder eben Lehrveranstaltungen – stattfinden. Eine Meldefunktion ermöglicht es, während einer Vorlesung oder eines Seminars virtuell die Hand zu heben, um eine Frage zu stellen. Der Dozent oder die Dozentin erteilt dann das Wort. Fragen können zudem über die Chatfunktion von Webex gestellt werden.

Freie Plätze gibt es in der Philologischen Bibliothek normalerweise selten. Weil die Bibliothek derzeit geschlossen ist, müssen Studierende von Zuhause aus lernen und arbeiten.

Freie Plätze gibt es in der Philologischen Bibliothek normalerweise selten. Weil die Bibliothek derzeit geschlossen ist, müssen Studierende von Zuhause aus lernen und arbeiten.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Damit sich alle mit dem Tool vertraut machen konnten, haben Christian Zoschke und seine Kolleginnen und Kollegen zum Semesterstart mehrere Webex-Probedurchläufe veranstaltet. Die Studierenden konnten sich unverbindlich einloggen, um die Software kennenzulernen. Die Resonanz: Bis zu 200 Pharmazie-Studierende waren Christian Zoschke zufolge bei den Online-Testvorlesungen dabei.

Allerdings hätten längst nicht alle Studierenden die Möglichkeit, an einer digitalen Live-Vorlesung teilzunehmen. „Studierende mit Kind sind gerade in diesen Wochen zeitlich sehr eingeschränkt. Unser Ziel war es deshalb, zusätzlich flexibel nutzbare Lehrmaterialen zur Verfügung zu stellen“, sagt Christian Zoschke.

So haben die Studierenden über Blackboard beispielsweise Zugriff auf vertonte Vorlesungsfolien. Hierfür hat Professorin Monika Schäfer-Korting ihre Ausführungen auf Ton aufgenommen. „Die Studierenden können die Folien binnen zwei Wochen jederzeit ansehen und gleichzeitig die Erläuterungen hören“, sagt Christian Zoschke.

Für den Physiologie-Kurs, der aus einem Seminaranteil und einem Praktikum besteht und inzwischen abgeschlossen ist, hat sich das Team der Pharmakologie ebenfalls etwas einfallen lassen. „Der Seminaranteil fand in Form von Video-Aufzeichnungen statt. Dazu gab es Aufgaben, die die Studierenden mithilfe von E-Learning-Material selbstständig bearbeiten konnten. Mit digitalen Lernerfolgskontrollen überprüften die Studierenden ihre Fortschritte.“ Für Fragen und Diskussionen boten die Dozentinnen und Dozenten Diskussionsforen in Blackboard sowie eine Live-Sprechstunde per Webex an.

„Mein Eindruck ist, dass wir das digitale Sommersemester bisher gut meistern“, konstatiert Christian Zoschke. Trotzdem laufe nicht immer alles wie geschmiert: „Hier und da gibt es Tonprobleme und in einer digital stattfindenden Diskussion kann es schon mal etwas durcheinander zugehen.“

Die Flexibilität, die das digitale Sommersemester bietet, schätzt auch die Pharmazie-Studentin Franziska Kruse. Vor allem die Lehr-Videos auf Blackboard trügen dazu bei, dass sie Studium und ihren Nebenjob besser koordinieren könne: „Die Videos kann ich mir anschauen, wann ich möchte. Dadurch bin ich zeitlich unabhängiger als in einem normalen Semester.“

Bei den Videos könne sie außerdem in Ruhe mitschreiben, und wenn nötig, Passagen noch einmal anschauen. „Daran könnte ich mich gewöhnen“, sagt die Studentin. Nur die Technik spiele nicht immer mit. „In einer Vorlesung ist meine Verbindung schon mal zusammengebrochen. Das kann man dem Dozenten dann natürlich nicht mitteilen“, sagt Franziska Kruse.

Digitale Lehre: Ein Lehr-Lern-Bündnis fördern

„Die Umstellung auf digitale Lehre in so kurzer Zeit kann anfangs überfordern“, sagt Katja Reinecke, Koordinatorin der Lehrqualifizierung „SUPPORT für die Lehre“. Es sei wichtig, ein Lehr-Lern-Bündnis zu entwickeln, „damit Lehrende nicht einfach zu Produzenten und Studierende zu Konsumenten von Lehrinhalten werden.“ Gleichzeitig biete sich im digitalen Semester die Chance, universitäres Lehren und Lernen gemeinsam anders als bisher zu gestalten und neue Herangehensweisen und Methoden zu erproben.

Was zeichnet gute Hochschullehre aus? Um diese Frage geht es in dem Podcast "Lehre an:gesagt".

Was zeichnet gute Hochschullehre aus? Um diese Frage geht es in dem Podcast "Lehre an:gesagt".
Bildquelle: SUPPORT für die Lehre; Stefanie Saile

Für das Sommersemester bietet „SUPPORT“ deshalb seit dem 12. Mai Webinare an, die die neue Lehr-Lern-Situation aus hochschuldidaktischer Sicht thematisieren und auf das Zertifikat angerechnet werden können. Ein Schwerpunkt liegt darauf, wie Lehrende die Studierenden erreichen und interaktiv einbeziehen können, auch wenn diese alleine von zu Hause aus arbeiten.

„Zu Vorlesungsbeginn starteten bereits sieben E-Lehrprojekte, in welchen Lehrende während des Semesters bei der Umstellung von Präsenz- auf digitale Lehre begleitet werden“, erklärt Katja Reinecke. „Außerdem fanden zahlreiche Schulungen zu den didaktischen Möglichkeiten der Videokonferenz-Software Cisco Webex mit fast 300 Teilnehmenden statt.“ Weitere Webex-Schulungen seien auf Nachfrage möglich.

Das digitale Sommersemester wird auch Thema in dem von „SUPPORT“ initiierten Podcast „Lehre an:gesagt“ sein. Den Auftakt bildet eine Doppelfolge mit dem Privatdozenten Dr. Malte Persike, wissenschaftlicher Leiter am Center für Lehr- und Lernservices der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. „Die erste Folge In Oberhemd und Jogginghose – Lehre aus dem Homeoffice behandelt die wichtigsten Dos und Don´ts der digitalen Lehre“, sagt Katja Reinecke. In der zweiten Folge „Lehre nach:gefragt! – Student Take Over“, die am 4. Mai veröffentlicht wurde, diskutieren Studierende mit Malte Persike ihre Perspektive auf das digitale Lernen. In der dritten Folge „Lehre für runaways“, die am 18. Mai erschien, beschäftigen sich Katja Reinecke und Harald Groß, der als Trainer in der Lehrqualifikation an der Freien Universität tätig ist, mit den Grundlagen guter Lehre. Im 14-tägigen Rhythmus sind weitere Folgen geplant. Der Podcast kann auf iTunes und Spotify abonniert werden.

Studieren im Park

Stefan Hempel, promovierter Biologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biologie der Freien Universität, hat sonst immer einige seiner Lehrveranstaltungen im Botanischen Garten durchgeführt. Nun gibt er seinen Studierenden Arbeitsaufträge, die sie in öffentlichen Parks erledigen können: „Mithilfe von Smartphone-Apps wie pl@ntnet sollen sie heimische Pflanzenarten identifizieren und anschließend Gattungs- sowie Artenmerkmale erarbeiten.“

Stefan Hempel, der hauptsächlich in der Lehrkräftebildung tätig ist, sieht in dem ungewöhnlichen Sommersemester auch Vorteile: Er sei nun gezwungen, komplexe Experimente, die nur in Laboren durchzuführen sind, durch einfache Methoden zu ersetzen, die seine Studierenden auch zu Hause anwenden können. „Diese vereinfachte Variante kann später in der Schule leichter reproduziert werden. So könnte die Umstellung aufs Digitale der Lehrkräftebildung sogar zu Gute kommen“, konstatiert Stefan Hempel.

So besteht beispielsweise eine Übung darin, dass die Studierenden Paprikapflanzen und Schimmelpilze aufziehen und ein Herbarium anlegen. „Aufgaben, die man gut zu Hause erledigen kann. Vor allem aber sind es Aufgaben, die super mit Kindern durchzuführen sind“, findet Kevin Massierer, der Grundschulpädagogik im sechsten Semester studiert.

Schon die Vorbereitung auf Experimente im Heimlabor erwies sich allerdings als Herausforderung: „Für einen Versuch sollten sich die Studierenden die notwendigen Materialien am Institut für Biologie abholen“, sagt Stefan Hempel. Für die Studierenden, die den Weg nicht zurücklegen konnten, weil sie mit Personen aus Risikogruppen in einem Haushalt leben, hätten sie Alternativen gefunden.

Digitale Arbeitsaufträge müssten präzise formuliert werden, sagt der Biologe. Zur Vorbereitung seiner Seminare orientiert er sich deshalb an sogenannten Citizen-Science-Projekten, also wissenschaftlichen Projekten, an denen Bürgerinnen und Bürger beteiligt sind. Denn auch dort braucht es genaue Arbeitsanweisungen, leicht bedienbare Systeme für die Datenerfassung sowie Kommunikationswege, um die Beteiligten anzulernen und einen reibungslosen Ablauf der Projekte zu gewährleisten.

Nach den ersten vier Wochen zieht Stefan Hempel Zwischenbilanz, vor allem die Technik sei eine Sache für sich: „Zwischenzeitlich waren die Lehrvideos für die Studierenden nicht abrufbar“, sagt der Biologe. Er sei aber optimistisch, dass solche technischen Probleme in Zukunft schnell behoben werden können.

Die Kommunikation über die Lern- und Lehrplattform Blackboard funktioniere gut. Auch seine Vorlesungen kann Stefan Hempel dank der von der ZEDAT bereitgestellten Software Camtasia Studio wie geplant umsetzen; mit dem Programm lassen sich Videos vom Computerbildschirm sowie Tonspuren aufzeichnen.

Kevin Massierer kommt mit den Lehrveranstaltungen, die im Video-Format stattfinden oder mithilfe anderer Online-Tools, gut zurecht – räumt aber ein: „Im Umgang mit Technik bin ich auch recht versiert und dazu sehr gut ausgestattet“, erklärt er. Inzwischen vermisse er aber den Universitätsalltag: „Zu Hause fällt es mir schwerer, mich zum Studieren zu motivieren“, sagt er. Für seine Tagesplanung fände er es hilfreich, wenn Lehrmaterial dann verfügbar wäre, wenn auch die dazugehörige Veranstaltung stattfindet. Bei den Lehrveranstaltungen für Biologie sei das der Fall, aber durch das Studium der Grundschulpädagogik hat Kevin Massierer auch Vorlesungen und Seminare aus anderen Fächern. „Da kommt es manchmal vor, dass Aufgaben erst am Abend online gestellt werden, sodass ich mich zeitlich danach richten muss.“

Parallel zu den Lehrveranstaltungen schreibt Kevin Massierer seine Bachelorarbeit. „Ich beschäftige mich mit der Unterrichtsmethode des sogenannten flipped oder inverted classrom“, erzählt er. Ziel dieser Methode ist es, dass sich Schülerinnen und Schüler oder Studierende Inhalte selbstständig aneignen mithilfe von Material, das ihnen die Lehrenden zur Verfügung stellen. Während der Präsenzveranstaltung wird das Gelernte dann vertieft und Unklarheiten werden besprochen. „Für das Thema hatte ich mich schon entschieden, lange bevor von einem digitalen Sommersemester die Rede war“, sagt der Student. Nun ist es aktueller denn je.

#VorlesungFürAlle über Twitter

Schauspieltheorie in 15 Minuten – geht das? Das geht, findet Theaterwissenschaftsprofessorin Doris Kolesch. Neben ihrer regulären Vorlesung zur Schauspieltheorie, die wie viele andere Lehrveranstaltungen in diesem Semester online stattfindet, spricht sie nun immer donnerstags um zehn Uhr etwa eine Viertelstunde über Theorien der Schauspielkunst: Die „Vorlesung für alle“ wird live auf Twitter übertragen. Der Veranstaltung kann gefolgt werden über die Hashtags #VorlesungsFürAlle und #kreativsemester sowie über die Kanäle der Freien Universität @FU_Berlin und des Sonderforschungsbereichs „Affective Societies“ @sfb1171.

Über das Format möchte Doris Kolesch ein breites Publikum ansprechen. „Ich konzentriere mich auf Themen, die einen aktuellen Bezug haben und daher auch für eine größere Öffentlichkeit als nur Studierende der Theaterwissenschaft spannend sind“, sagt Doris Kolesch.

In ihrer ersten Vorlesung, die am 23. April stattfand, spricht sie etwa über Kulturtechniken der Nähe in der Distanz. „Wie sind Nähe und soziales Leben trotz körperlicher Distanz möglich? Genau das müssen wir in der Corona-Krise lernen“, erklärt Doris Kolesch. Zu dieser Frage gebe es bemerkenswerte Vorschläge und Praktiken seitens des Theaters.

Weitere Themen der Twitter-Vorlesung sind Natürlichkeit oder Künstlichkeit von Gefühlen, Fragen der Körpergrenzen sowie rhetorische Techniken. Außerdem spricht Doris Kolesch über das Verhältnis von Rationalität und Emotionalität im Schauspiel sowie über Geschlechterfragen, die ihr zufolge in der Schauspieltheorie besonders wichtig sind.

Die Plattform hat die Theaterwissenschaftlerin bewusst gewählt. „Twitter ist für die Wissenschaft und deren Öffentlichkeitsarbeit ein relevanter Kanal“, sagt sie. Die Kürze des Live-Streams sieht sie als „produktive Herausforderung“.

Der Probedurchgang läuft

Lehren und studieren ausschließlich von Zuhause aus – vor einigen Wochen noch schien dieses Szenario für den ein oder anderen schwer vorstellbar. Inzwischen gehört die „Uni in den eigenen vier Wänden“ für viele Angehörige der Freien Universität zum Alltag dazu. Nicht immer läuft dabei alles nach Plan, dann muss improvisiert und neu gedacht werden. Denn dafür ist das digitale Sommersemester da: zum Ausprobieren neuer Kommunikationswege sowie neuer Lehr- und Lernformate.