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„Die akademische Landschaft Ägyptens wird oft noch unterschätzt“

Zehn Jahre Verbindungsbüro der Freien Universität Berlin in Kairo / 13. Oktober, 14.00 Uhr, Online-Diskussion

07.10.2020

Hoda El Mahgoub, Leiterin des Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin in Kairo, an einem Infostand.

Hoda El Mahgoub, Leiterin des Verbindungsbüros der Freien Universität Berlin in Kairo, an einem Infostand.
Bildquelle: DAAD Außenstelle Kairo

Dutzende Studierende mit Bachelor- und Masterabschlüssen, mehr als 100 Promotionen: Im vergangenen Jahrzehnt haben viele Ägypterinnen und Ägypter an der Freien Universität studiert. Das Land im Herzen der arabischen Welt zählt für die Berliner Hochschule zu den wichtigsten Orten in ihrem internationalen Netzwerk. Möglich ist der intensive Austausch – es haben auch zahlreiche Berliner Studierende an Universitäten in Ägypten studiert – dank des Verbindungsbüros in Kairo, das nun schon seit zehn Jahren besteht.

Zum Jubiläum veranstaltet das Büro eine Online-Diskussion zu internationaler Wissenschaftskooperation, an der neben Professorin Verena Blechinger-Talcott, als Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin zuständig für Internationales, Vertreterinnen und Vertreter führender Universitäten in Kairo, Alexandria und Beirut teilnehmen.

„Deutschland ist für viele ägyptische Studierende ein Traumziel“, sagt Hoda El-Mahgoub. Die studierte Pharmazeutin leitet das Büro seit Anfang 2018. Auf zahlreichen Veranstaltungen in Ägypten informiert sie über Studium und Forschung an der Freien Universität, bietet individuelle Beratung an und unterstützt bei der Beschaffung von Visa. Dass die Freie Universität drei Mal im Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder ausgezeichnet worden ist und in den Rankings gut abschneidet, habe in Ägypten einen besonders hohen Stellenwert, sagt Hoda El Mahgoub.

Seit Anfang 2018 vertritt Hoda El Mahgoub die Freie Universität im Verbindungsbüro in Kairo. Von dort aus fördert sie den akademischen Austausch auf allen Ebenen.

Seit Anfang 2018 vertritt Hoda El Mahgoub die Freie Universität im Verbindungsbüro in Kairo. Von dort aus fördert sie den akademischen Austausch auf allen Ebenen.
Bildquelle: Verbindungsbüro in Kairo der Freien Univeristät Berlin

Vor allem für die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung und Lehre spiele die akademische Freiheit an deutschen Universitäten eine große Rolle: So ist in Deutschland auch Forschung an Themen möglich, die in Ägypten politisch zu sensibel sind. Aber auch in den Naturwissenschaften ist das Interesse aus Ägypten groß.

Das Fach mit der größten Anzahl ägyptischer Promovenden an der Freien Universität ist die Veterinärmedizin. Viele, die sich für ein Studium oder eine Promotion in Deutschland interessieren, schreckten zunächst wegen der fehlenden Deutschkenntnisse zurück, sagt Hoda El-Mahgoub. „Es hält sich der Ruf: Wer kein Deutsch kann, kann auch nicht in Deutschland studieren“, sagt sie. Das sei jedoch falsch – was allein die Statistiken zeigten: „Ich weise oft darauf hin, dass ein Drittel der Promovenden an der Freien Universität aus dem Ausland kommt: In der gesamten Studierendenschaft ist ein Fünftel nicht deutsch“, sagt sie. „Internationalität gehört zum Selbstverständnis der Universität.“

Weltweites Netzwerk

Das Büro in Kairo ist Teil eines weltweiten Netzwerkes der Freien Universität. Vier weitere Büros befinden sich in Moskau, Neu-Delhi, Peking und São Paulo. „Als die Freie Universität 2007 das Konzept der Verbindungsbüros entwickelte, war von Anfang an klar, dass ein Büro im arabischen Raum eröffnet werden sollte. Schließlich ist die Universität in Nordafrika und im Nahen Osten ja in vielfacher Hinsicht und mit ganz vielen Fächern engagiert“, sagt Herbert Grieshop, Leiter der Abteilung Internationales.

Die ägyptische Metropole habe eine akademische Tradition, deren Bedeutung in den ganzen arabischen Raum ausstrahle. Der Standort habe sich auch deshalb angeboten, weil das Büro Räume der Außenstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) beziehen konnte, mit dem es eng zusammenarbeitet.

Netzwerk knüpfen und Kooperationen anregen

An mehr als 80 Drittmittelprojekten in Ägypten war die Freie Universität im vergangenen Jahrzehnt beteiligt. Das Verbindungsbüro leistet mit seinem Netzwerk in Kairo und der Region nicht nur logistische Unterstützung für die Forschenden aus Deutschland, sondern regt auch neue Kooperationen an.

Insbesondere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich nicht fachlich mit Ägypten beschäftigen, unterschätzten die akademische Landschaft Ägyptens oft, sagt Hoda El Mahgoub. „In der Wissenschaft ist Ägypten kein Entwicklungsland“, sagt sie. Wer in das Land reise, stelle das schnell fest. Zu Veranstaltungen, wie dem Tag der deutschen Wissenschaft des DAAD, lädt das Verbindungsbüro daher Berliner Professorinnen und Professoren nach Kairo ein. Sie halten dort Fachvorträge und führen Gespräche mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Studierenden. „Das ist eine gute Gelegenheit, um das Potenzial zu sehen, das in diesem Land steckt“, sagt Hoda El Mahgoub.

Das Verbindungsbüro informiert jährlich hunderte ägyptische Studierende, die sich für ein Studium oder eine Promotion in Deutschland bewerben wollen. Veranstaltungen (wie hier im Jahr 2018) müssen in diesem Jahr online stattfinden.

Das Verbindungsbüro informiert jährlich hunderte ägyptische Studierende, die sich für ein Studium oder eine Promotion in Deutschland bewerben wollen. Veranstaltungen (wie hier im Jahr 2018) müssen in diesem Jahr online stattfinden.
Bildquelle: DAAD Außenstelle Kairo

Die vergangenen zehn Jahre seien in Ägypten bewegt gewesen, erinnert sich Florian Kohstall. Der promovierte Politikwissenschaftler hat das Büro von dessen Eröffnung im Oktober 2010 an bis Anfang 2018 geleitet; heute leitet er vom Berliner Campus der Freien Universität aus das Programm „Globale Verantwortung“ – das neben den Programmen für geflüchtete Studierende und Wissenschaftler auch den Aufbau des Berlin Center for Global Engagement im Rahmen der Berlin University Alliance umfasst.

„Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig es ist, durch ein Verbindungbüro die Kontakte mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Ort zu pflegen. Kairo ist dafür ein sehr gutes Beispiel“, sagt Florian Kohstall. „Das Büro hat seit dem sogenannten Arabischen Frühling 2011 zahlreiche Umbrüche miterlebt und den Austausch der Freien Universität mit Ägypten ständig intensiviert.“

In die Region wirken

In Zukunft will Hoda El Mahgoub das Verbindungsbüro Kairo in der Region noch präsenter machen: Bestehende Kontakte im Libanon sollen verstärkt, neue in anderen Ländern im Nahen Osten und in Nordafrika geknüpft werden. Auch ägyptische Universitäten abseits der Metropolregion Kairo hätten enormes Potenzial für den wissenschaftlichen Austausch, sagt sie.

Derzeit erschwert auch dort die Pandemie die Arbeit. Informationsveranstaltungen ließen sich zwar auch digital durchführen, doch das sei kein guter Ersatz. „Es macht einen riesigen Unterschied, einen echten Menschen vor sich sitzen zu haben“, sagt Hoda El Mahgoub. „Ich kann es kaum erwarten, dass wir uns wieder unter normalen Umständen begegnen können.“

Weitere Informationen

Diskussionsveranstaltung zum zehnjährigen Jubiläum: „International academic collaboration: The back door remedy to a global crisis?!“

Festrede von Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott, Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin

Diskussion mit Prof. Dr. Abdel Meguid Kassem (Kairo-Universität); Prof. Dr. Georg Marquis (American University in Cairo); Prof. Dr. Hesham Gaber (Alexandria-Universität); Isabell Mering (Kairo-Büro des DAAD); Prof. Dr. Lina Choueiri (American University of Beirut); Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott (Freie Universität Berlin)

Moderation durch Hoda El Mahgoub (Verbindungsbüro Kairo der Freien Universität Berlin) und Dr. Florian Kohstall (Leiter Globale Verantwortung, Freie Universität Berlin). Die Veranstaltungssprache ist Englisch.

Ort und Zeit: Dienstag, 13. Oktober 2020, 14.00 Uhr, online.

Um eine Anmeldung wird gebeten.