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Emils Zukunft

Enkel im Blick: Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar hielt den Festvortrag zum 73. Geburtstag der Freien Universität Berlin

06.12.2021

Festredner Ranga Yogeshwar schaltete sich digital zum Ernst-Reuter-Tag.

Festredner Ranga Yogeshwar schaltete sich digital zum Ernst-Reuter-Tag.
Bildquelle: H. G. Esch

Zur Feier des Gründungsjubiläums der Freien Universität Berlin wagte Stargast und Großvater Ranga Yogeshwar einen Blick in die Zukunft seiner Enkelgeneration. Außerdem wurden wieder die besten Dissertationen dieses Jahres ausgezeichnet: Auch sie beschäftigten sich mit Lösungen für Zukunftsaufgaben, etwa Integration und gute Arbeit.

„Was mich berührt, ist die Vielfalt der universitären Forschung: von alter südkoreanischer Bildungskultur bis hin zu moderner Biologie“, würdigte Festredner Ranga Yogeshwar zu Beginn seines Vortrags die Forschungsleistung der fünf für ihre Doktorarbeiten mit Ernst-Reuter-Preisen ausgezeichneten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.

Lena Antonia Wolbeck wurde für ihre Dissertation mit dem Ernst-Reuter-Preis ausgezeichnet...,

Lena Antonia Wolbeck wurde für ihre Dissertation mit dem Ernst-Reuter-Preis ausgezeichnet...,
Bildquelle: privat

Die Preise sind, wie der Geburtstag der Universität selbst, nach dem ehemaligen Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter benannt, der die Gründung der Freien Universität im Jahr 1948 maßgeblich unterstützt hatte. Gestiftet werden die mit jeweils 5000 Euro dotierten Auszeichnungen von der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität Berlin e.V.

Die Wirtschaftsinformatikerin Lena Wolbeck entwickelt in ihrer Arbeit Algorithmen, um Dienstpläne in der Pflege gerechter zu gestalten, die Schulpsychologin Christina Bauer Methoden zur Bildungsintegration von Geflüchteten.

... ebenso wie Christina Bauer, ...

... ebenso wie Christina Bauer, ...
Bildquelle: privat

Der Historiker Martin Gehlmann analysiert die Rolle altchinesischer Bildungsakademien im Kulturaustausch zwischen China und Korea, die als Keimzelle der Universitäten gelten.

Der Physiker Sven Niclas Tebogo Müller erforscht an metallischen Nanopartikeln optische Prozesse zur Übertragung von Daten, um Computer und Smartphones noch schneller zu machen.

Der Neurobiologe Ferdi Ridvan Kiral gewann anhand von Fruchtfliegen richtungsweisende Erkenntnisse zu Erkrankungen am Sehapparat, die neue Behandlungsmöglichkeiten für Menschen eröffnen können.

In Präsenz: Preisträger Martin Gehlmann, Christian Gaebler (Chef Senatskanzlei), Universitätspräsident Günter M. Ziegler, Herrmann Kreutzmann, Vors. der Ernst-Reuter-Preiskommission, und Peter Lange, Vorstandsvors. der Ernst-Reuter-Gesellschaft.

In Präsenz: Preisträger Martin Gehlmann, Christian Gaebler (Chef Senatskanzlei), Universitätspräsident Günter M. Ziegler, Herrmann Kreutzmann, Vors. der Ernst-Reuter-Preiskommission, und Peter Lange, Vorstandsvors. der Ernst-Reuter-Gesellschaft.
Bildquelle: Screenshot

Wissenschaft for Future

„Wir spüren, wie dringend wir auf Wissenschaft und Forschung zur Lösung weltumspannender Fragen angewiesen sind“, sagte auch Senatskanzleichef Christian Gaebler, der die Glückwünsche des noch Regierenden Bürgermeisters Michael Müller zum Geburtstag der Freien Universität überbrachte.

... Niclas Müller, ...

... Niclas Müller, ...
Bildquelle: Businessbild

Den Beitrag zur Lösung von Herausforderungen wie der Klimakrise und der Corona-Pandemie unterstrich auch Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler, er hob die „Leistungen und Erfolge, Entwicklungen und Fortschritte“ in der Hochschullehre während der Pandemie und dem einrichtungsübergreifenden Zusammenschluss der Berlin University Alliance hervor.

Mit der interdisziplinären Einstein Research Unit „Climate and Water under Change“ etwa wollten die Verbundpartnerinnen – Freie Universität, Humboldt-Universität, Technische Universität und Charité – Universitätsmedizin Berlin – die Region Berlin-Brandenburg als Modell für Forschung zu den Risiken und Lösungsansätzen von veränderten Wasserressourcen im Klimawandel etablieren.

... Ferdi Ridvan Kiral, ...

... Ferdi Ridvan Kiral, ...
Bildquelle: Kiral Photo

Blick in die Zukunft – in Emils Gegenwart

Wie künftige Generationen die Herausforderungen der Zukunft bewältigen können, war auch Thema von Festredner Ranga Yogeshwar. Der Wissenschaftsjournalist, im vergangenen Jahr Großvater geworden, wagte einen Blick in die Zukunft seines Enkels Emil und dessen Generation: „Der kleine Emil – 2020 geboren – wird rein statistisch das Jahr 2100 erleben. Und das bedeutet: Alles das, was wir heute Zukunft nennen, wird für ihn die Gegenwart sein.“ Yogeshwars Forderung: „Die junge Generation hat verdammt nochmal ein Recht auf eine Zukunft, die wünschenswert ist.“

... und Martin Gehlmann.

... und Martin Gehlmann.
Bildquelle: Christina Stivali / SFB 980

Mit Live-Umfragen, an denen sich das digital zugeschaltete Publikum beteiligen konnte, bezog Yogeshwar, der aus seinem während der Pandemie entstandenen virtuellen Wohnzimmer-Studio sendete, die Zuhörenden in seinen Vortrag ein: zurück zur alten Normalität nach der Corona-Pandemie oder beschleunigter Wandel?

Gleich bei der ersten Frage bekundete die Mehrheit der Zuhörinnen und Zuhörer die Erwartung, dass sich gesellschaftlicher Wandel nach Corona beschleunige. Schon jetzt, so der Wissenschaftsjournalist, würden Bürobauten kleiner geplant, und Online-Shopping zähle zu den Gewinnern der Krise – „das führt dazu, dass wir Städte neu definieren, und Städte haben Kulturen stark geprägt“. Sein Zwischenfazit: „Emil und seine Generation werden anders leben und arbeiten als wir.“

Fluch und Segen von Fortschritt

Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz beispielsweise würden den Umgang mit Daten und die Gesundheitsvorsorge grundlegend verändern. Bereits heute, so Yogeshwar, ließe sich mit Beschleunigungssensoren von Smartphones der Gang von Menschen auf Anzeichen von Parkinson untersuchen, „eine Riesen-Chance für Patienten, denn Parkinson ist, früh erkannt, verlangsambar“.

Andererseits: Welche Folgen hätte es, wenn Telekommunikationsunternehmen erführen, dass Smartphone-Nutzer an bestimmten Krankheiten leiden und Versicherungen ihre Preise und Leistungen danach ausrichten?

Willst du wissen, wann du stirbst?

„In Emils Generation ist damit zu rechnen, dass Gesundheitsdaten zur Vorhersage von Erkrankungen oder sogar Lebenserwartung noch wichtiger werden. Manche Forscher erwarten, dass wir in zehn Jahren durch Blutuntersuchungen vorhersagen können, wann ein Mensch stirbt“, fährt Yogeshwar fort.

Für die Zuhörenden mehrheitlich keine schöne Aussicht. Mit Blick darauf spricht sich Yogeshwar dafür aus, gesellschaftliche Risiken von Forschung stärker in den Blick zu nehmen. Entfesseln Erkenntnisse in KI und Medizin Druck, sie zu nutzen? Anzeichen dafür sieht Yogeshwar schon heute: Ritalin, ein Medikament zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen, nähmen immer mehr Kinder, Jugendliche und Studierende in Deutschland ein: „Weil sie glauben, sich pimpen zu müssen, um die nächste Klausur zu schaffen“, sagte Yogeshwar unter Verweis auf Studien.

Wichtig: „Globale Empathie“

Anhand der weltweit ungleichen Verteilung von Corona-Impfstoffen begründet Yogeshwar seine Forderung nach „globaler Empathie“. „Es profitieren nicht genügen Menschen von dem, was eine kleine reiche Minderheit tut.“ Das gelte auch für Social Media: „Fake News gab es immer. Was die derzeitige Lage besonders macht, ist, dass Kommunikation privatwirtschaftlich organisiert wird. Ich nenne das Erregungsbewirtschaftung“, sagte Yogeshwar: „Es ist absurd zu sehen, dass Herausforderungen wie die Klimakrise von manchen negiert werden.“

Die Freiheit der aktuellen Generation dürfe die Freiheit künftiger Generationen nicht einschränken – für Ranga Yogeshwar auch ein Auftrag an die Freie Universität. Für Präsident Günter M. Ziegler ist es „eine Aufforderung zum Nachdenken, die die Freie Universität Berlin annimmt“.

Weitere Informationen

Der Festvortrag von Ranga Yogeshwar sowie Videos über die Preisträgerinnen und Preisträger des Ernst-Reuter-Preises 2021 werden in Kürze hier veröffentlicht.