Springe direkt zu Inhalt

„Es ist eine Herzensangelegenheit“

Anlässlich ihres 75. Jubiläums ruft die Freie Universität Berlin zu Spenden für „Médecins Sans Frontières (MSF) – Ärzte ohne Grenzen“ auf

06.07.2023

Die Ärztin Adiaratou Dakono untersucht das vier Monate alte Kind Abdousalam Issa.und berät dessen Mutter Saadatou Saminoa (Madarounfa, Niger).

Die Ärztin Adiaratou Dakono untersucht das vier Monate alte Kind Abdousalam Issa.und berät dessen Mutter Saadatou Saminoa (Madarounfa, Niger).
Bildquelle: Oliver Barth/MSF

Die Freie Universität lädt in ihrem Jubiläumsjahr dazu ein, sich an der Sonder-Spendenaktion „75 Jahre freies Denken: Ein Grund zu feiern, ein Grund zu spenden“ zugunsten der internationalen Hilfsorganisation „Médecins Sans Frontières – Ärzte ohne Grenzen“  zu beteiligen. Stefan Tihi erläutert, was die medizinische Hilfsorganisation leistet und wie Spenden bei den Menschen in Krisenregionen ankommen. Der 39-Jährige war für Ärzte ohne Grenzen drei Jahre lang als Finanzkoordinator im Einsatz – in Südafrika, Nigeria und Afghanistan und zuletzt in Brasilien während der Covid-Pandemie. Er ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt.

Herr Tihi, kurz umrissen: Was ist der Auftrag von „Médecins Sans Frontières (MSF) – Ärzte ohne Grenzen“?

Der Auftrag ist, in Ländern dort medizinisch-humanitäre Hilfe zu leisten, wo sie gebraucht wird. Die Organisation geht direkt zu den betroffenen Menschen in den Krisenregionen. Neben der unmittelbaren medizinischen Hilfe ist es der Anspruch, auch präventiv zu unterstützen, etwa durch sanitäre Einrichtungen.

Die Freie Universität ruft in ihrem Jubiläumsjahr zu Spenden auf. Was sollten Universitätsangehörige über die humanitäre Hilfsorganisation wissen?

Ärzte ohne Grenzen ist eine unabhängige Organisation, das ist ganz entscheidend – sie arbeitet frei von Einflüssen von Staaten oder großen Unternehmen. Der weitaus größte Teil der Spenden stammt von Privatpersonen oder Kleinunternehmen. Die Selbstbestimmung ist eine wichtige Grundlage, damit die Organisation schnell agieren und dorthin gehen kann, wo Hilfe am nötigsten ist.

Und die Gelder kommen dort an, wo sie ankommen sollen: bei den Menschen in den Krisenregionen. Das weiß ich persönlich aus meiner eigenen Arbeit als Finanzkoordinator – man kann es auch in den Jahresberichten nachlesen. Es werden keine hohen Managergehälter gezahlt, und es wird kein teures Headquarter finanziert. Dass fast 90 Prozent der Einnahmen in die Projekte vor Ort fließt, ist auch eine große Motivation für die Helfenden vor Ort.

Stefan Tihi bei einem Einsatz von Ärzte ohne Grenzen in Nigeria.

Stefan Tihi bei einem Einsatz von Ärzte ohne Grenzen in Nigeria.
Bildquelle: Privat

Wie wird darüber entschieden, in welchen Regionen Hilfe geleistet wird?

Fünf Operational Centers in Paris, Amsterdam, Brüssel, Barcelona und Genf betreiben unabhängig voneinander und auf der Grundlage eigener Budgets Hilfsprojekte. In manchen Regionen ist die Organisation schon seit Jahrzehnten aktiv, etwa im Südsudan, in der Demokratischen Republik Kongo oder in Afghanistan. Ärztinnen und Ärzte, Logistikexpertinnen und -experten analysieren gemeinsam die Lage. Was passiert in den Regionen, braucht man uns? Können wir hier einen nachhaltigen Beitrag leisten? Wir wollen nicht punktuell Hilfe leisten und uns schnell wieder zurückzuziehen. Ziel ist es, einen nachhaltigen Beitrag zu leisten. Auch die lokalen Helfenden sollen möglichst längerfristige Chancen erhalten.

Wie sind Sie selbst zu Ärzte ohne Grenzen gekommen?

Ich habe mehrere Jahre in verschiedenen Finanz- und Controllingpositionen in der privaten Wirtschaft gearbeitet, eine Zeit lang auch im Ausland. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob mich das auf Dauer glücklich macht. Ich habe mich umgeschaut und auch überlegt, etwas Neues zu lernen oder zu studieren. Für eine humanitäre Aufgabe komme ich aus einem untypischen Sektor – ich kann Zahlen und Finanzen –, doch genau das wurde bei Ärzte ohne Grenzen mit den Finanzkoordinatoren gesucht.

Man wird auf einen Einsatz sehr gut vorbereitet, trotzdem ist es für niemanden leicht, weder als Arzt oder Ärztin noch als Koch oder Köchin oder als Finanzkoordinator. Ich kann mich an eines meiner ersten Projekte in Nigeria erinnern, wo die bewaffnete Gruppe Boko Haram aktiv war und es immer noch ist. Wir hörten die ganze Nacht Bombeneinschläge, auf so etwas kann man nicht vorbereitet werden. Auf unserem Weg jeden Morgen in das Büro und gleichzeitig in unser damals noch provisorisches Krankenhaus, sieht man eine Armut, die einen überwältigen kann.

Sind Sie nach wie vor für Ärzte ohne Grenzen aktiv?

Meine Frau und ich – wir haben uns beim Einsatz für MSF in Afghanistan kennengelernt – leben inzwischen in Berlin, und ich arbeite wieder im kaufmännischen Bereich. Wir stehen weiter mit Ärzte ohne Grenzen in Kontakt, und wir sind auch privat und als Ehrenamtliche sehr engagiert – es ist eine Herzensangelegenheit. Wichtig ist, dass man sich bei MSF vielfältig engagieren kann, auch nichtärztlich und eben auch über Spenden.

Dieses Interview ist auch in der Tagesspiegel-Beilage am 9. Juli 2023 erschienen.

Weitere Informationen

75 Jahre freies Denken: Ein Grund zu feiern, ein Grund zu spenden.

Die Freie Universität Berlin hat sich den demokratischen Werten, sowie der Freiheit und Unabhängigkeit verpflichtet. Mit ihrer besonderen Gründungsgeschichte ist sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stets bewusst, und sie hat eine lange Tradition, internationale humanitäre Anliegen zu unterstützen. Viele Mitglieder der Universität engagieren sich über ihre Arbeit hinaus auch persönlich für gemeinnützige Organisationen im In- und Ausland. Das Jubiläumsjahr 2023 soll daher nicht nur ein Grund zum Feiern sein, sondern auch dazu dienen, den Blick auf aktuelle Krisenherde in der Welt zu lenken und an die Tradition des Helfens und des Engagements anzuknüpfen.

Weitere Informationen zur Spenden-Aktion

Ärzte ohne Grenzen leistet in Konfliktgebieten, nach Naturkatastrophen und während Epidemien medizinische Hilfe für Millionen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, politischen Überzeugung oder ethnischen Zugehörigkeit. Rund 65.000 Mitarbeitende sind für Ärzte ohne Grenzen in mehr als 70 Ländern ständig im Einsatz: Fachleute aus Medizin, Psychologie und Logistik und andere. Die Organisation hat im Jahr 1999 den Friedensnobelpreis erhalten.

https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/